Bühne frei für Medien und Kultur

Keine Scheu vor der Praxis: Die Probebühne der TFM wird von den Studierenden mit großem Engagement selbst eingerichtet.
Keine Scheu vor der Praxis: Die Probebühne der TFM wird von den Studierenden mit großem Engagement selbst eingerichtet.

Das Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt ist einmalig in ganz Deutschland, denn nur hier lassen sich die drei Fächer »TFM« kombiniert in einem Studiengang studieren.

Wer an der Goethe-Universität nach einer Probebühne, einem Video-Schnittplatz oder der Astro- Lounge mit Videospielen sucht, wird im Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft (kurz TFM) fündig. Der TFM-Bachelor- Studiengang und die vier Master-Studiengänge hier gehören mit Sicherheit zu den kreativ-künstlerischsten der Hochschule, da sie ganz bewusst wissenschaftliche Seminarthemen wie „Darstellung von Schmerz in Drama, Theater, Performance“ über begleitende Praxiseinheiten erlebbar machen.

Verknüpfung von Theorie und Praxis

„Schauspiel oder Regie unterrichten wir aber nicht“, betont der wissenschaftliche Mitarbeiter und Studienberater, Dr. Matthias Dreyer, „genauso wenig wie wir Journalisten oder Filmemacher ausbilden.“ Es gehe vielmehr darum, „theoretisches Wissen mit so viel Praxiserfahrung zu bereichern, dass die Möglichkeiten der Stoffe und Formen nachvollzogen, neu gedacht und erfunden werden können“, so der Dozent für das Fach Theaterwissenschaft.

Forschendes Lernen nennt er diesen Ansatz. „Auf der Probebühne erkunden wir beispielsweise Licht und Sound durch szenisch-technische Übungen, in der Astro-Lounge kann man Video- Games aus verschiedenen Jahrzehnten kennenlernen.“ Die zentralen Fragen beschreibt der Fachbereich auf seiner Homepage Studienanfängern so: „Was sind Medien? Was sind Künste? Wo kommen sie her und wo gehen sie hin? Was unterscheidet Theater von Film von anderen Medien? Wieso spricht man von Medien im Plural? Was haben die drei überhaupt gemeinsam? Wie sprechen sie zu uns, und wie können wir über sie sprechen?“

Nach zwei einführenden Semestern, in denen es um die wissenschaftliche Kritik und Interpretation von Medien- und Kunstformen sowie die kritische Wahrnehmung und Analyse der Theater-, Film-/Kino- und Medienkultur in aktueller und historischer Perspektive geht, setzen die Studierenden in zwei Disziplinen ihren Schwerpunkt. Praxismodule in Form von Theater-, Film- und Medienprojekten, ein Pflichtpraktikum und ein Nebenfach ergänzen die wissenschaftliche Bildung. Den idealen Studenten beschreibt Dreyer als jemanden, „der Lust hat, sich mit anspruchsvoller Theorie kritisch auseinanderzusetzen, die Fächer international denkt und bereit ist, Theorie mit Praxis zu verknüpfen“.

Auch zwei Fremdsprachen sind Voraussetzung

75 Studenten beginnen pro Jahr mit dem Bachelor- Studiengang, was für ein kleines geisteswissenschaftliches Fach gar nicht wenig ist. Die Bachelor-Studierenden schätzen die Überschaubarkeit des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaft: „Anders als an großen Instituten lernt man viele Kommilitoninnen und Dozierende mit der Zeit persönlich kennen und bekommt eine intensive Betreuung“, sagt Josefine (auf Wunsch ohne Nachname).

blog_unireport_tfm02„Die verschiedenen Formate, die am Institut angeboten werden – wie die Kracauer Lectures, die Hölderlin-Gastvorträge in allgemeiner und vergleichender Theaterwissenschaft oder die Next Big Thing- Reihe ‑ bieten internationale Perspektiven auf aktuelle Forschungsdiskurse und ergänzen das Lehrangebot der Dozierenden.“ Veranstaltungen wie die Bereichs- und Statusgruppen- übergreifende Projektwoche im letzten Semester trügen zusätzlich dazu bei, dass ein interdisziplinärer Zugang und eine gleichermaßen lockere wie produktive Arbeitsatmosphäre am Institut herrsche, lobt sie.

Auf Kritik und Initiativen von Seiten der Studierenden werde meistens sehr offen reagiert und die Teilhabe an Entscheidungsprozessen gefördert. „Ein Beispiel dafür ist die Referenzliste Film, zu der in Kürze 50 neue Titel von weiblichen Regisseurinnen hinzugefügt werden, die bisher fehlten.“

Große Nachfrage

Die Nachfrage nach TFM in Frankfurt ist groß. „Wir haben oft mehr als 1500 Bewerber“, sagt Matthias Dreyer. Typischerweise bewerben sich Menschen, die eine persönliche Faszination für Theater, Film und Medien intellektuell vertiefen wollen. „Auswahlgespräche wären schön. Tatsächlich müssen wir über einen N.C. begrenzen.“ Ein Grund für den großen Andrang: Nur in Wien gibt es noch einmal die Kombination TFM, deren Sinn es ist, die drei Fächer mit Bezug aufeinander zu sehen und gattungsüberschreiend zu denken.

„Auch am Schauspiel Frankfurt werden ja längst Elemente wie Videokunst, neue Audiotechnik oder Tanz integriert“, sagt Dreyer. Die Studierenden wissen den Kombi-Studiengang zu schätzen: „Nach dem Abi habe ich erstmal in München an der LMU mit Theaterwissenschaft angefangen. Weil mich aber gerade das Interdisziplinäre bei TFM interessiert hat, bin ich relativ schnell nach Frankfurt gewechselt. Hier hat dann einfach das Gesamtpaket gestimmt“, sagt Julian Marquardt, der im 7. Semester ist.

blog_unireport_tfm03Dazu zählt er auch das kulturelle Umfeld, mit dem das Institut eng verbunden ist: „Es bietet gute Voraussetzungen für alle drei Bereiche. Neben den Städtischen Bühnen, dem Mousonturm und den großen Kinos gibt es eine lebhafte freie Theater- und Performance-Szene und natürlich das Filmmuseum mit dem Deutschen Filminstitut.“ In der Medienwissenschaft sei man hier mit dem Hessischen Rundfunk, dem ZDF, das quasi um die Ecke liegt, verschiedenen Agenturen, Redaktionen und Verlagen sehr gut aufgestellt.

Auch die Möglichkeit, das Studium durch Nebenfächer wie Germanistik oder BWL zu ergänzen, lobt der Studierende. Kritische Offenheit für die Erneuerung bestehender Künste und Medien und die intermediale Vernetzung ist dem Institut enorm wichtig. „In der fragenden Auseinandersetzung sehen wir uns in der Tradition der Frankfurter Schule“, sagt Dreyer. „Wir sind primär an experimentellen, gewagten Formen interessiert, aber letztlich kann hier alles zum Thema werden: ob klassisches Hollywood, das barocke Trauerspiel oder mediale Alltagskulturen – Hauptsache, es wird originell gedacht.

Wir möchten uns an der Erneuerung der Künste und Gesellschaft beteiligen.“ Dabei helfen auch vom Bund mitfinanzierte Gastprofessoren, die aus Australien, Israel, den USA, Norwegen und kürzlich aus dem Libanon für mindestens ein Semester am TFM-Institut lehrten. Innerhalb der großen Goethe-Universität würde sich Julian Marquardt allerdings wünschen, dass studentische Projekte, wie sie sich gerade in TFM zuhauf entwickeln, „außerhalb des Instituts besser wahrgenommen würden“. Zu diesem Zweck wurde die „Digitale Bühne“ geschaffen: Auf der Online-Plattform werden künstlerische Arbeiten von Studierenden für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar gemacht.

Breites Spektrum an beruflichen Arbeitsfeldern

Felix Simon hat seinen Bachelor mit einer medienwissenschaftlichen Arbeit bereits abgeschlossen und ist nun für das Masterstudium auf dem Sprung nach Oxford. „Wenn man TFM studiert hat, sieht man einen Film, ein Theaterstück oder eine Reportage nie wieder mit den gleichen Augen“, beschreibt er eine typische Folge des Studiums. „Man denkt viel zu sehr über die Machart und den theoretischen Hintergrund nach.“

Als mögliche Arbeitsfelder für Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs gelten der gesamte Bereich des Theaters, des Films, des Kinos, des Fernsehens sowie des Presse- und Verlagswesens, die Kulturvermittlung, Medienarchive und Museen, Bildungsinstitutionen, die Kulturarbeit in Verbänden und Unternehmen, der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung.

blog_unireport_tfm04In regelmäßig angebotenen Theorie- Praxis-Seminaren, szenischen Projekten und beim „Jour fixe“ kommen die Studierenden schon früh mit Praktikern aus Theater, Film und Medien in Kontakt, die ihnen den Blick für gegenwärtige Fragestellungen, Probleme und Arbeitsweisen öffnen, aber auch Einblick in ihre Berufsrealität geben. Häufig eröffnen solche Kontakte weitere Möglichkeiten, die ersten Schritte in eine spätere Berufspraxis zu unternehmen: Hospitanzen, Assistenzen oder Gelegenheiten zur freien Mitarbeit.

„Je mehr man parallel zum Studium macht, desto leichter fällt es einem, anschließend etwas zu finden“, sagt Felix Simon. Ein Satz seines Professors Vinzenz Hediger begleite ihn immer noch. „Er sagte zu uns: Finden Sie Ihre Frage.“ Wer seinen Fragen im Anschluss an den Bachelor an der Goethe-Universität nachgehen möchte, hat vier Masterstudiengänge zur Auswahl: den Master TFM, Master Filmkultur, Master Dramaturgie und International Master in Audiovisual and Cinema Studies.

An dem fünften Studiengang „Comparative Dramaturgy and Performative Research“ wird in Kooperation mit internationalen Partner-Unis gerade gefeilt. Die Studiengänge der Theater-, Film- und Medienwissenschaft führen viele Lehrveranstaltungen mit außeruniversitären Partnern, z. B. mit der Hessischen Theaterakademie, dem Festival Frankfurter Positionen oder dem Deutschen Filminstitut, durch.Dies bringt die Studierenden in Kontakt mit dem intellektuell-künstlerischen Milieu der städtischen Kulturszene der Stadt, die für ihr Studium unerlässlich ist und natürlich auch einen potenziellen Arbeitgeber für die Zeit nach dem Studium darstellt.

„Um das große Potenzial der Kultur- und Medienstadt Frankfurt, aber auch das der gesamten Rhein-Main-Region fruchtbar zu machen, haben wir beim Land finanzielle Mittel beantragt und im Juli 2017 auch bewilligt bekommen“, sagt die Leiterin der Abteilung Lehre und Qualitätssicherung, Dr. Kerstin Schulmeyer-Ahl. Sie sollen für den erhöhten Koordinationsbedarf sowie die Entwicklung weiterer innovativer Lehrformate verwendet werden. [Autorin: Julia Wittenhage]

[dt_call_to_action content_size=”small” background=”plain” line=”true” style=”1″ animation=”fadeIn”]

Weitere Informationen

[/dt_call_to_action]

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 5.16 (PDF-Download) des UniReport erschienen.

Relevante Artikel

Öffentliche Veranstaltungen

Es gibt nicht nur die „eine“ Zukunft

Julia Schubert und Steven Gonzalez forschen als Postdocs im interdisziplinären Graduiertenkolleg „Fixing Futures“ und fragen: Was machen Zukunftsvisionen mit dem

Neue Grundlage für die Hitler-Forschung

DFG-Projekt „Edition Hitlerreden 1933–1945“: Team um Prof. Cornelißen übernimmt Neuedition der Hitlerreden ab 1933 Seine schneidende Stimme ist unverkennbar, man

Der unversöhnte Theoriegeist

In „Der Philosoph: Habermas und wir“ von Philipp Felsch verschränken sich Zeit- und Geistesgeschichte in der Figur eines großen Frankfurter

Kein richtiges Leben im falschen?

Drei Romanheld*innen werden auf ganz unterschiedliche Weise mit den Widersprüchen der Gegenwartsgesellschaft konfrontiert: Die Erziehungswissenschaftlerin Yandé Thoen-McGeehan hat gerade ihren

You cannot copy content of this page