Das interaktive Tool zur »Guten wissenschaftlichen Praxis in der Promotion« von GRADE ist mittlerweile bundesweit gefragt.
Der tertiäre Bildungssektor wächst in Deutschland seit Jahren, auch die Zahl der Promotionen steigt deutlich an. Die Betreuungsrelation hat sich eher verschlechtert, gleichzeitig haben einige spektakuläre Plagiatsfälle die Diskussion um die Transparenz und die Sichtbarkeit wissenschaftlicher Standards angeheizt.
„Diese zunehmende Herausforderung für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat bei uns die Frage aufgeworfen, wie wir bei GRADE dem begegnen können, nämlich mit einem Kurs, der Promovierenden und Promotionsinteressierten eine Hilfestellung bei der wissenschaftlichen Praxis gibt“, erklärt Dr. Sybille Küster, Leiterin der Graduiertenakademie GRADE an der Goethe-Universität.
Doch wollte man zusätzlich zu den üblichen Präsenzveranstaltungen ein neues, innovatives Format anbieten. „Wir wollten auf die Möglichkeiten eines E-Learning-Tools zurückgreifen, das raum- und zeitunabhängig genutzt werden kann.“
Ein Kurs für alle Fächer
Der E-Learning-Kurs „Gute wissenschaftliche Praxis in der Promotion“ besteht aus fünf Modulen und einem fakultativen Zusatzmodul zum Thema Forschungsethik. Es gibt umfassende Informationen, Tests, die das erworbene Wissen abfragen, und ergänzendes Material. Das Absolvieren aller Module dauert etwa 60 Minuten, man kann den Kurs auch mal unterbrechen und Module wiederholen.
„Der Kurs orientiert sich an den einzelnen Promotionsschritten“, erklärt GRADE-Mitarbeiterin Anja Schenk. „Fragen, die sich zum Beispiel auf den oder die Betreuer/in beziehen, stehen dementsprechend eher am Anfang, während Aspekte des Publizierens eher am Ende des Kurses behandelt werden.“ Natürlich mussten bei der Konzeption die Eigenständigkeiten aller Fächer und Fächerkulturen berücksichtigt werden.
Dies bedeutet, dass ein Geisteswissenschaftler auch mal mit Fragen konfrontiert wird, die eher in den Natur- und Lebenswissenschaften auftauchen: „Ein Thema im E-Learning-Kurs behandelt die Reihenfolge bei der Nennung der Autoren, was in den Naturwissenschaften sehr wichtig ist: Wer bekommt die Erstautorschaft, wer wird überhaupt genannt und so weiter. Es ist aber auch für Geistes- und Sozialwissenschaftler hilfreich, von dieser Frage zu hören, zudem in einem Fach wie den Politikwissenschaften mittlerweile ganz ähnliche Tendenzen zu beobachten sind.“
Sybille Küster ergänzt: „Der Kurs vermittelt Basiswissen, das für alle Disziplinen wichtig ist. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften, daher findet die Vertiefung dann in den Promotionsprogrammen im Fachbereich oder in ergänzenden GRADE-Workshops statt.“ Ein solches Tool könne aber auch dazu anregen, über die Fächergrenzen hinweg über die eigene wissenschaftliche Praxis nachzudenken.
Auch für Postdocs ist der Kurs gedacht: Denn der zunehmende Publikationsdruck bringe es mit sich, dass mitunter die Sorgfalt bei der Datengenerierung und -nutzung vernachlässigt werde, daher sei eine dauerhafte Beschäftigung mit der Frage, wie gute wissenschaftliche Praxis auszusehen habe, in jeder Qualifikationsphase von Forschenden wichtig. Wer den Kurs erfolgreich abschließt, erwirbt ein Zertifikat. Dies kann sehr relevant werden, denn, wie Sybille Küster betont: „Diese Zertifikate werden zunehmend von den Fördereinrichtungen gefordert.“
Bundesweites Interesse
Der Kurs „Gute wissenschaftliche Praxis in der Promotion“ ist 2015 entstanden und erfreut sich seitdem einer großen Beliebtheit, nicht nur bei Promovierenden der Goethe-Uni: „Nachdem wir das Tool auf einer Tagung von UniWiND, dem Universitätsverband zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland, vorgestellt hatten, kamen sehr viele Anfragen von anderen Hochschulen. Mittlerweile arbeiten 14 Universitäten mit unserem Tool, das natürlich aufgrund abweichender Prüfungsordnungen jeweils leicht angepasst werden musste“, erklärt Küster.
Die Goethe-Uni habe dadurch durchaus eine Vorreiterrolle inne. Gute Erfahrungen hat auch Roland Ebert mit dem Tool gemacht. Er promoviert in der pharmazeutischen Chemie bei Prof. Dieter Steinhilber. „Vor der Promotion habe ich im Prinzip nie wissenschaftlich gearbeitet und auch keine Arbeit anfertigen müssen, daher kam mir der E-Learning-Kurs von GRADE sehr recht“, erzählt Ebert. Ihm ist es wichtig, bei der Verwertung von Daten und dem Zitieren aus der Literatur keine Fehler zu machen.
„In unserer Arbeitsgruppe ist es verpflichtend, den Kurs noch im ersten Jahr der Promotion zu absolvieren.“ Hiwa Asadpour promoviert bei Prof. Jost Gippert in der Empirischen Vergleichenden Linguistik. Er stammt aus dem Iran und ist somit in einem sehr unterschiedlichen Bildungssystem sozialisiert worden. Für internationale Promovierende steht eine englischsprachige Version des Kurses zur Verfügung.
„Das Tool hat mir vor allem sehr geholfen, mir über die Struktur meiner Arbeit im Klaren zu werden“, berichtet Asadpour. Er hat auch die von GRADE angebotenen Präsenzveranstaltungen besucht und fühlt sich daher sehr gut betreut. Er hat aber noch eine Anregung: Das Tool sollte noch mobil optimiert werden – „dann kann man es auch im Schwimmbad bedienen“, lacht Asadpour.
Autor: Dirk Frank
Mehr Informationen zum E-Learning-Kurs unter http://www.uni-frankfurt.de/53981968/Gute_Wissenschaftliche_Praxis_in_der_Promotion
Interessierte, die noch nicht bei GRADE registriert sind, können sich die Demoversion anschauen.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.19 des UniReport erschienen.