Johanna Weckenmann hat zusammen mit zwei studentischen Mitstreiterinnen einen Band herausgegeben, in dem über die Institution Universität interdisziplinär und plural nachgedacht wird.
2014 war ein bewegtes Jahr an der Universität Tübingen: Dozierende und Hochschulleitung protestierten gemeinsam mit Studierenden gegen die Sparpolitik des Landes Baden-Württemberg. Aus einem 24-stündigen Vorlesungsmarathon entstand ein Gesprächskreis über Entwicklungen an der Hochschule. Eine sehr prägende Zeit auch für die Bachelorstudentin Johanna Weckenmann, die es nach dem Studienabschluss an die Goethe-Universität zog. Als Masterstudentin der Erziehungswissenschaften beschäftigte sie sich weiterhin mit den Fragen, wie Uni gedacht war, wie sie gegenwärtig ist und auch wie sie sein könnte. Da sie in den angebotenen Seminaren und Vorlesungen ihres Faches nicht fündig wurde, entstand die Idee, eine eigene Veranstaltungsreihe aufzuziehen.
„Alleine hätte ich diese Idee sicherlich nicht weiterverfolgt“, konzediert Johanna Weckenmann. Aber zu ihr gesellten sich zwei Kommilitoninnen, die auch für das Thema brannten: Mit Jennifer Preiß und Kristina Rüger machte sich Johanna Weckenmann daran, eine Vorlesungsreihe zu konzipieren. Viele Gespräche wurden geführt, an unzählige Türen geklopft, Vortragende aus Frankfurt, Wien, Tübingen und weiteren Orten gewonnen, QSL-Mittel beantragt, die Anrechenbarkeit fürs Studium ausgehandelt und noch vieles mehr. „Es gibt Herausforderungen, aber es ist möglich und machbar, die eigenen Ideen und Interessen zu verfolgen, auch als Studierende“, denkt Johanna Weckenmann heute rückblickend. „Man muss sicherlich Netzwerke aufbauen, um ein solches Projekt realisieren zu können“, sagt sie rückblickend. Die mit der Bologna-Reform einhergehende Verschulung des Studiums lässt nur wenig Zeit für Aktivitäten nebenher. Doch auch in ihrem zweijährigen Masterstudium fand Weckenmann die Zeit, sich der Vorlesungsreihe zu widmen, die schließlich im Wintersemester 2016/17 stattfand. Für die insgesamt 15 Abende der Ringvorlesung „Universität – 360°“ konnten so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Erziehungswissenschaftler und Publizist Prof. Micha Brumlik, der Rechtswissenschaftler und frühere Universitätspräsident Prof. Rudolf Steinberg, die Politologin und heutige Präsidentin der TU Darmstadt Prof. Tanja Brühl oder der Historiker Prof. Mitchell Ash von der Universität Wien gewonnen werden. „Besonders wichtig war uns der Vortrag einer Studierenden“, erläutert Weckenmann. Norina Müller stellte in ihrem Vortrag und späteren Beitrag „Die Universität als ‚Stätte der beständigen geistigen Revolution?‘“ die Studentenproteste des Jahres 2009 in ein spannungsvolles Verhältnis zu Walter Benjamins Aufsatz „Das Leben der Studenten“.
Froh ist die Mitherausgeberin, dass im nun vorliegenden Band fast alle Vorträge der Reihe aufgenommen werden konnten – insgesamt „eine Vielzahl an Perspektiven“, wie Johanna Weckenmann betont, darunter auch welche, mit denen sie sich selbst erst vertraut machen musste. So beispielsweise mit dem Beitrag von Rudolf Steinberg, der die Vorzüge einer Stiftungsuniversität hervorhebt, ohne die Abhängigkeiten der Goethe-Universität von privatem Geld zu verschweigen. „Die Planung und Durchführung der Vorlesungsreihe, aber auch die anschließende Redaktion des Bandes waren für mich persönlich sehr lehrreich und mit ganz neuen Erkenntnissen und Einblicken verbunden“, betont die heutige Doktorandin der Erziehungswissenschaften. Nicht zuletzt der Beitrag ihrer Doktormutter Professorin Christiane Thompson über die „Universität als ‚Unsafe Space‘“ hat sie aufmerksam und neugierig gemacht auf Räume und Grenzen des Sprechens an einer Universität. „Christiane Thompson denkt die Universität in ihrem Beitrag als Bildungsraum, der sich dort konstituiert, wo den Beteiligten die Andersheit anderer Positionen zu denken gibt. Das ist in meinen Augen ein wichtiger Gedanke, durch den wir uns alle – die wir an einer Universität forschen, lehren und lernen – anregen lassen können oder vielleicht sogar sollten.“ Danken möchten die drei Herausgeberinnen vor allem dem Fachbereich Erziehungswissenschaften ganz besonders dafür, dass der Band seinen Weg in die Frankfurter Schriftenreihe fand. In ihrem Nachwort lassen die drei durchaus auch leise Zweifel daran aufkommen, ob das höhere Bildungsziel einer auf Muße und „glücksbringenden Verrücktheiten“ basierenden Selbsterkenntnis noch zu einer Universität mit modularisierten Studiengängen passt. Gleichwohl halten sie daran fest, dass der intensive Diskurs über die Wirklichkeit und Möglichkeit von Universität lohnenswert bleibt.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 2/2021 (PDF) des UniReport erschienen.