Mit dem Paternoster durch die Bibliothek

Das Bibliothekszentrum Geisteswissenschaften (BzG) ist die älteste Bereichsbibliothek auf dem Campus Westend. In den beiden äußeren Querbauten des IG-Farben-Hauses bietet die Doppelbibliothek ihre Bestände und Services an.

Christiane Schaper, Leiterin des BzG (r.) und
Ursula Lenk, stellv. Leiterin.

Eingang in der dritten Etage: Wer das BzG nicht oder nur wenig kennt, wird sich vielleicht wundern, warum man nicht im Erdgeschoss des IG-Farben-Hauses in die Bibliothek gelangt. Was merkwürdig erscheint, hat aber durchaus seinen Grund. Die Bibliothek befindet sich in den beiden äußeren Querbauten in vertikaler Anordnung unter Nutzung aller Etagen.

Diese, für eine Bibliothek ungewöhnliche Anordnung, folgt den Vorgaben der Gebäudestruktur und pragmatischen Erwägungen: Die Geschossfläche pro Etage ist in den beiden äußeren Querbauten (Q1 und Q6) am größten. Zwischen den Bibliotheksquerbauten befinden sich die Institute, für die das BzG seine Bibliotheksservices primär anbietet. Deshalb ist der Zugang zur Bibliothek mittig im jeweiligen Querbau. Direkt dem Eingang gegenüber liegt die Infotheke, die Anlaufpunkt für alle Fragen an die Bibliothekar*innen ist. Im Bibliotheksteil in Querbau 6 gibt es zusätzlich einen weiteren Eingang in der ersten Etage, da sich hier der Durchgang zum Nebengebäude befindet. Ursula Lenk, stellvertretende Leiterin des BzG, die nach dem Fachhochschulstudium zur Bibliothekarin in der Anglistikbibliothek des Instituts für England- und Amerikastudien tätig war, hat den Neubeginn im IG-Farben-Haus miterlebt. Sie weiß deshalb von den zahlreichen Herausforderungen beim Bezug des sanierten, denkmalgeschützten Gebäudes zu berichten. Christiane Schaper, Leiterin des BzG, kam 2005 nach dem Studium der Bibliothekswissenschaft an der Humboldt-Universität und verschiedenen bibliothekarischen Stationen an das BzG.

Umzug ins IG-Farben-Haus

2001 war das Gründungsjahr des BzG: Über 20 Institutsbibliotheken der Geisteswissenschaften, die früher in Bockenheim in verschiedenen Liegenschaften untergebracht waren, wurden nun im IG-Farben-Haus zusammengelegt. Der Rückzug der amerikanischen Militärverwaltung, die seit Kriegsende hier untergebracht war, machte dies möglich. Lenk erinnert sich: „Das war eine große Herausforderung: Zum einen mussten die Bibliotheksbestände in einer sinnvollen Ordnung in den verschiedenen Lesesälen aufgestellt werden. Zum anderen musste auch das Kollegium, das vorher auf über 20 Institutsbibliotheken verteilt war, zu einem Team zusammenwachsen und einen gemeinsamen Bibliotheksbetrieb aufbauen.“ Für die Studierenden brachte die Zusammenlegung viele Vorteile: Waren zum Beispiel die Öffnungszeiten der Institutsbibliotheken vorher sehr begrenzt und nicht aufeinander abgestimmt, so bot das BzG nun einheitliche und deutlich umfangreichere Öffnungszeiten über Fächerund Institutsgrenzen hinweg.

Während andere Bereichsbibliotheken, wie beispielsweise die im letzten UniReport vorgestellte Bibliothek Recht und Wirtschaft (BRuW), sich eher horizontal erstrecken, ist das BzG vertikal angeordnet und umfasst neun (Q1) bzw. acht (Q6) Etagen. „Die äußeren Querbauten verfügen über die meiste Stellfläche für Bücher, allerdings mussten die Decken verstärkt werden, um das hohe Gewicht der Bücher tragen zu können. Für einen Bibliotheksbetrieb war das ehemalige Verwaltungsgebäude eigentlich nicht geeignet“, erklärt Christiane Schaper. Ihr gefällt aber die ungewöhnliche Positionierung der beiden Bibliotheksteile: „Man kann sagen, dass die Bibliothek die hier residierenden Geisteswissenschaften gewissermaßen einrahmt – ein sehr schönes Bild, wie ich finde. Und der enge Kontakt zu den hier vertretenen Fächern ist uns ein großes Anliegen. Wir möchten mit den Disziplinen im Austausch bleiben, um die Weiterentwicklung der Bibliotheksservices auf die Bedürfnisse der Lehrenden und Studierenden abzustimmen.“

Der Lesesaal im BzG.

Eine gute Orientierung zu vermitteln, ist ein wichtiger Aspekt dieses Bibliotheksbetriebs. Besonders den neuen Nutzer*innen muss die Anordnung und Aufstellung des Bestands erläutert werden. „Ungefähr 200 Meter trennen die beiden Teile des BzG, sodass man, um nicht unnötig zwischen beiden Teilen hin- und herlaufen zu müssen, im Online-Katalog den genauen Standort von Beständen nachschauen sollte“, sagt Christiane Schaper. Ein Audioguide vermittelt Basiskenntnisse und regt die Nutzer*innen an, kleinere Rechercheaufgaben auszuprobieren. In einigen Studiengängen ist die Nutzung des Audioguides mit anschließenden Aufgaben zur Überprüfung für die Erstsemester obligatorisch und hilft, einen guten Einstieg in die Nutzung des BzG zu haben. Weitere Schulungen zur Informationskompetenz und zur Recherche sind eng mit den Fächern verzahnt. Dafür bieten die Bibliothekskolleg*innen Schulungen an, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen oder Tutorien stattfinden.

Von der Sporthalle zum Lesesaal

Ein Schmuckstück des BzG ist sicherlich der zweigeschossige Lesesaal im Querbau 1, der gerne auch mal für Hochglanzbroschüren fotografiert wird. Ursprünglich war an dieser Stelle der große Sitzungssaal der IG Farben AG. Während der Nutzung des Gebäudes durch das amerikanische Militär wurde dieser Raum als Sporthalle benutzt, bevor er mit dem Einzug der Goethe-Universität zu einem Bibliothekslesesaal umgebaut wurde. Er verfügt heute über eine Galerie, eine Lichtdecke und Holzverkleidungen, die ihm sowohl ein repräsentatives als auch ein dem sachlichen Stil des Gebäudes entsprechendes klares Erscheinungsbild verleihen. Die Bibliotheksnutzer*innen empfinden hier besonders die angenehme und konzentrierte Studieratmosphäre einer Bibliothek. „Der zweigeschossige Lesesaal wird von einzelnen Studierenden auch als Harry-Potter-Lesesaal bezeichnet“, schmunzelt Ursula Lenk.

Der Paternoster im BzG.

Die vielleicht größte Besonderheit stellt der holzgetäfelte Paternoster dar: Damit kann man recht flott zwischen den Stockwerken wechseln. „Der Paternoster ist für uns ungeheuer wichtig, da man doch sehr häufig zwischen den Etagen wechseln muss. Denn wenn man sich zum Beispiel im Erdgeschoss befindet, muss man in Q1 erst wieder in die dritte Etage, um die Bibliothek zu verlassen“, sagt Christiane Schaper. Nicht zuletzt diese seltene, aber auch sehr praktische Beförderungstechnik verleiht dem BzG eine klassische Anmutung.

Die Nutzer*innen mögen die Bibliothek offensichtlich, die Arbeitsplätze in unterschiedlich großen Räumen bietet. „Manche Nutzer*innen bevorzugen die Ruhe in den kleinen Lesesälen beim Arbeiten, andere finden die Atmosphäre in den großen Lesesälen mit vielen Mitlernenden besonders motivierend.“ Wer in den zahlreichen Lesesälen des BzG sitzt, befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den vielfältigen geisteswissenschaftlichen Beständen der Bibliothek – ein weiterer Vorteil der Zusammenfassung der früheren Institutsbibliotheken in einem geisteswissenschaftlichen Bibliothekszentrum. Die Bücher sind in Freihandaufstellung zugänglich und systematisch aufgestellt. Es lohnt sich, hier und da zu stöbern und im Umkreis eines bestimmten Buches weitere zu entdecken, die inhaltlich dazu passen.

Eine Besonderheit im Bestand ist die Bibliothek für Jugendbuchforschung, die über extra Öffnungszeiten und eine separate Fachauskunft verfügt. Das Ziel dieser Spezialbibliothek ist es, die komplette deutschsprachige Primärliteratur auf diesem Feld zu sammeln.

„Aber auch in den Geisteswissenschaften spielt die Digitalisierung zunehmend eine größere Rolle“, betont Christiane Schaper. Der Anteil der E-Books und E-Journals nimmt auch hier zu, ebenso das Interesse an Open-Access-Publikationen. Besonders wichtig ist Christiane Schaper das seit 2018 angebotene Praxislabor Digital Humanities. Angeregt von einem ähnlichen Format der UB Marburg ging die Initiative für dieses neue Angebot vom BzG aus. Dabei bieten Kolleg*innen der Universitätsbibliothek unter Federführung der UB-Referentin für Digitalisierungsprojekte und Digital Humanities, Agnes Brauer, Workshops zu den verschiedenen Tools und Methoden der Digital Humanities für Mitarbeitende und Studierende an. Das Praxislabor startete als Präsenzveranstaltung, wird aber inzwischen überwiegend online durchgeführt und ermöglicht dadurch auch die Teilnahme Interessierter anderer hessischer Hochschulen. Es erfreut sich von Anfang an großer Resonanz.

Insgesamt werden geisteswissenschaftliche Bibliotheken weiterhin mit der Hybridität von Analogem und Digitalem umgehen müssen – „in anderen Disziplinen mag das gedruckte Buch schon bald verschwunden sein, das ist bei uns nicht der Fall. Dieser doppelten Herausforderung müssen wir gerecht werden“, sagen Christiane Schaper und Ursula Lenk, und betonen zum Schluss des Gesprächs: „Was wir hier an Service- und Beratungsleistungen Studierenden und Lehrenden bieten können, ist unsere gemeinsame Leistung als BzG-Kollegium einschließlich unserer studentischen Hilfskräfte.“

ZAHLEN UND FAKTEN ZUR BZG

Vertretene Fächer
Theologie (FB 06, 07), Philosophie und Geschichtswissenschaften (FB 08), Archäologische Wissenschaften, Klassische Philologie, Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie (FB 09) und Neuere Philologien (FB 10)

Arbeitsplätze
800 Arbeitsplätze in 39 Lesesälen bzw. Leseräumen, 7 kleinen Gruppenarbeitsräumen, 2 großen Gruppenarbeitsräumen und 1 großen Gruppenarbeitsraum ohne Reservierung für mehrere Gruppen gleichzeitig.

Bestand
ca. 1 260 000 Medieneinheiten

Personal
26 Mitarbeiter*innen (21,4 Vollzeitäquivalente), davon 11 in Vollzeit, 6 halbtags, 8 mit reduzierten Stunden, unterstützt von zahlreichen studentischen Hilfskräften, davon 16 Hilfskräfte für die Öffnungszeiten

Fläche
ca. 8200 qm

Öffnungszeiten
Mo. bis Fr. 8 bis 22 Uhr
Sa. 10 bis 22 Uhr

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