Die Digitalisierung ist allgegenwärtig, sie beeinflusst nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens. In der Pandemie zeigten sich wie durch ein Brennglas die Vorteile, aber auch die Herausforderungen und Ambivalenzen der Digitalisierung. Die Tagung „Das vermessene Leben“ heute und morgen an der Goethe-Universität widmet sich dem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Goethe-Uni online sprach mit Veranstalterin Prof. Vera King.
„Die Menschen und die Gesellschaften müssen sich darüber verständigen, wie Digitalisierung genutzt, organisiert und reguliert wird und welche Folgen sie hat“, sagt Prof. Vera King im Vorfeld der Tagung „Das vermessene Leben“ auf dem Campus Westend der Goethe-Universität und im Internet. Der Wissenschaft komme dabei eine wichtige Rolle zu, indem sie auf Basis ihrer Ergebnisse auf Probleme und Lösungsmöglichkeiten hinweist. Im Interview mit Goethe-Uni online umriss die Soziologin und Sozialpsychologin die Ergebnisse des Verbundprojekts „Das vermessene Leben“ zu Selftracking und Optimierungszwängen im Internet, die auch bei der Tagung thematisiert werden.
Es gebe kaum Unterschiede beim Umgang mit sozialen Medien zwischen Menschen mit psychischen Vorerkrankungen und solchen mit „Normalbiographie“: Die Gefahr in „nichtproduktiven Zirkeln“ zu landen, sei ungefähr gleich groß. Auf der Suche nach Anerkennung in sozialen Medien suchten viele Menschen nach Bestätigung, würden aber enttäuscht. „Häufig wird das Bemühen dann aber noch mehr gesteigert, noch mehr Intensität hineingelegt. So wird die Frustration noch größer.“ Viele Menschen – ob Jugendliche oder Erwachsene – kämen trotz eines gewissen Unbehagens aus diesem Zirkel nicht heraus. „Immerhin ist dieses Unbehagen ein Ansatzpunkt für eine wachsende gesellschaftliche Selbstverständigung, für potenzielle Veränderung“, sagt King. Hier sei auch politisches Handeln erforderlich.
Vera King, Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Goethe-Universität und Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt, zudem Principal Investigator der Forschungsinitiative ConTrust, veranstaltet die Tagung gemeinsam mit Benigna Gerisch, Psychoanalytikerin und Professorin für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse an der International Psychoanalytic University Berlin, sowie Hartmut Rosa, Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Universität Jena und zugleich Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Die Veranstaltung wird im Rahmen des Verbundprojekts „Das vermessene Leben. Produktive und kontraproduktive Folgen der Quantifizierung in der digital optimierenden Gesellschaft“ durchgeführt und von der VolkswagenStiftung gefördert. Außer der gastgebenden Goethe-Universität sind das Sigmund-Freud-Institut Frankfurt/M., die International Psychoanalytic University Berlin und die Universität Jena beteiligt an der wissenschaftlichen Organisation.
Ein besonderer Akzent dieser Konferenz liegt auf dem interdisziplinären Blick: Die namhaften Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland loten die ambivalenten Folgen von Digitalisierung für die soziale und individuelle Praxis, für Kultur und Psyche aus kultur-, politik- und rechtswissenschaftlicher, medien- und erziehungswissenschaftlicher, soziologischer, sozialpsychologischer sowie medizinischer und psychoanalytischer Perspektive aus. Die Panels am Samstag befassen sich mit dem Messen in Organisationen, dem Messen in sozialen Beziehungen, mit pathologischer Social Media-Verwendung und mit dem neuen „Autoritarismus“ im digitalen Raum.
Das vollständige Interview finden Sie unter: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/das-unbehagen-ist-ein-erster-ansatzpunkt/