»Jeden Einzelnen zum Nachhaltigkeitsbeauftragten machen«

Ende November diskutierten rund 80 Hochschulangehörige den aktuellen Stand von Nachhaltigkeit an der Goethe-Universität. Das Nachhaltigkeitsbüro der Goethe-Universität hatte anlässlich seiner Gründung in diesem Jahr in den Festsaal des Casinos eingeladen. Im Zentrum der Podiumsdiskussion stand die Frage: »Wie gestalten wir gemeinsamen Wandel?«. Lilly Gothe vom Nachhaltigkeitsbüro berichtet.

Durch den Abend führen die beiden Moderator*innen Anna Struth (Universität Hohenheim) und Tim Brauer (CAU Kiel) vom netzwerk n e. V., einem studentischen Verein, der die sozial-ökologische Transformation an Hochschulen bundesweit vorantreibt. Direkt zu Beginn lädt die Moderatorin Anna Struth das Publikum dazu ein, sich in Kleingruppen über Nachhaltigkeit im Campusalltag auszutauschen – in sogenannten „Murmelrunden“. Im Anschluss folgt eine Abstimmung: Mit Farbkarten können die Besucher*innen ihre persönliche Einschätzung zur Umsetzung von Nachhaltigkeit an der Universität mithilfe eines Ampelsystems sichtbar machen. Ausschließlich gelbe und rote Karten werden in die Luft gehalten, während die grünen Karten ungenutzt bleiben.

Beteiligung aller Statusgruppen

Auf dem Podium befinden sich Vertreter*innen aller Statusgruppen – nur die Vertretung der administrativ-technischen Mitarbeitenden muss kurzfristig ihre Teilnahme absagen. Kanzler Dr. Albrecht Fester erklärt sich kurzfristig bereit einzuspringen und bringt seine Expertise rund um den Betrieb der Universität ein. Präsident Prof. Dr. Enrico Schleiff, der die Entwicklung zu einer nachhaltig agierenden Universität als strategischen Handlungsbereich vorantreibt, verweist gleich zu Beginn auf die im Raum stehenden Würfel, welche Bezug zu den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen nehmen: Nachhaltigkeit sei weit mehr als Klimaschutz. Für den Mittelbau und die wissenschaftlichen Mitarbeitenden spricht Paula Paschke (FB 07) die strukturelle Verankerung sowie die Bedeutung von Lehre an. Durch seine Expertise in der Atmosphärenforschung speist Prof. Dr. Joachim Curtius immer wieder Fakten zum Ausstoß von Treibhausgasen ein. Behgol Pashm Foroush, Studentin der Biowissenschaften, stellt in ihrem Statement einen aktuellen Bezug her: Sie verweist auf die Proteste im Iran und plädiert wie der Präsident dafür, unter Nachhaltigkeit auch die globale Gerechtigkeitsaufgabe zu begreifen. Zwei freie Stühle auf der Bühne werden im Laufe des Abends immer wieder von den Anwesenden besetzt, um eigene Standpunkte einzubringen.

Der Weg zur Klimaneutralität

Als Stichwort fällt immer wieder der Begriff „Klimaneutralität“. Im ersten Block präsentiert Svenja Maier, Referentin im Nachhaltigkeitsbüro, das geplante Vorgehen, um dieses Ziel zu erreichen: unter universitätsweiter Beteiligung soll im kommenden Jahr der Ausstoß von Treibhausgasen bilanziert werden. Im Bereich Energie sei man bereits gut aufgestellt, betont Kanzler Fester. Ein Teilnehmender, der im HRZ arbeitet, begibt sich auf einen der freien Stühle und kritisiert den Umgang mit Mobilität an der Universität. Der Fokus liege seinem Empfinden nach zu sehr auf dem motorisierten Individualverkehr. Positiv anzumerken sei das hessische LandesTicket, gibt Präsident Schleiff hierauf zu bedenken. Professor Curtius unterstreicht die Bedeutung von Mobilität bei universitärer Nachhaltigkeit: beispielsweise belief sich der Anteil der Emissionen der ETH Zürich auf über 50 Prozent, alleine durch Flugreisen. Moderator Tim Brauer erkundigt sich direkt beim Kanzler: Wie steht es um die Umsetzung des Senatsbeschlusses zur Reduktion von Flugreisen? Dr. Fester gibt zu, dass die formale Umsetzung noch Zeit in Anspruch nehme, aber jede*r aufgefordert sei, den Beschluss bei ihrer oder seiner Reiseplanung zu beherzigen.

Beauftragte für Nachhaltigkeit

Studiengangskoordinatorin und Gleichstellungsbeauftragte Paula Paschke hebt die Bedeutung der Fachbereiche in der Umsetzung hervor. Sie schlägt vor, Beauftragte für Nachhaltigkeit analog dem Vorbild der dezentralen Gleichstellungsbeauftragten in den Fachbereichen zu etablieren. Ein Mitarbeiter aus dem Zentrum für Hochschulsport gibt zu bedenken, dass dies die Übernahme von Verantwortung verlagern könne. Präsident Schleiff unterstützt: Man müsse die Hochschulgemeinschaft dazu anregen, „Ownership“ zu übernehmen – quasi jede*n Einzelne*n zum Beauftragte*n machen. Diese Position wiederum moniert durch Student Emil Unkrig. Das Präsidium ziehe sich seiner Meinung nach aus der Affäre, gerade bei dieser Frage würde er sich mehr „Commitment“ von Seiten der Hochschulleitung wünschen.

Studierende zum Handeln befähigen

Im zweiten Block der Diskussion steht die Lehre im Fokus. Ist Nachhaltigkeit in den Curricula bereits angekommen? Die Meinungen gehen hier auseinander. Die Farbkartenabstimmung zeigt ein Meer aus gelben und roten Karten, vereinzelt wird eine grüne Karte in die Luft gehalten. Vizepräsidentin Christiane Thompson begibt sich auf die Bühne und spricht sich für Experimentierräume in der Lehre aus, um Themen der nachhaltigen Entwicklung auf die eigenen Fächer beziehen zu können. Beispielhaft seien die QSL-Mittel genannt, die neue Lehrprojekte, im Wintersemester erstmals mit Bezug zu Nachhaltigkeit, ermöglichen. Bei der Frage, ob es in der Verantwortung der Universität liege, die Studierenden zur Mitwirkung an einer nachhaltigen Entwicklung zu befähigen, spitzt sich die Diskussion spannend zu. Hier besteht unter den Podiumsgästen Konsens: Ein ausdrückliches „Ja“ ist zu vernehmen.

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