Gar nichts Besonderes und doch etwas ganz Besonderes: So hat Hessens Kultusminister Prof. Dr. Alexander Lorz (CDU) am vergangenen Donnerstag bei der Auftaktveranstaltung den Lehrerweiterbildungskurs „Islamische Religion“ für den Sekundarbereich I beschrieben und die ersten 17 Teilnehmer an der Goethe-Universität begrüßt. Schließlich, so erklärte der Minister, sei es ganz normal, dass an Deutschlands Schulen bekenntnisorientierter Religionsunterricht angeboten wird, wie ihn das Grundgesetz vorsieht. Andererseits sei der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht, wie er in Hessen angeboten wird, bundesweit ein Novum.
Auch an hessischen Schulen gehören unterschiedliche Religionsunterrichte zum Alltag. Was wenige wissen: Neben katholischer und evangelischer Religion werden schon jetzt neun weitere religionsgemeinschaftliche Unterrichtsangebote vorgehalten. Nun sollen die beiden Ausprägungen des islamischen Religionsunterrichts das Angebot erweitern. Das Land Hessen hat die beiden Verbände DİTİB Hessen und Ahmadyya als Bildungspartner für den Religionsunterricht anerkannt. Da Religionsunterricht nach dem Grundgesetz eine gemeinsame Sache von Staat und Religionsgemeinschaft ist, brauchte es ein solches Gegenüber. Während in Gießen bereits seit 2012 Grundschullehrer für das Fach aus- bzw. weitergebildet werden, können künftige muslimische Religionslehrer für die weiterführenden Schulen von nun an in Frankfurt das erforderliche Wissen erwerben. „Das Fach wächst mit den Kindern hoch“, freute sich Lorz, der das komplexe Zusammenspiel aller Beteiligten lobte.
Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff sieht in dem neuen Angebot eine große Chance, eine „wichtige gemeinsame Mission aller Beteiligten“. Gerade im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen müsse man sich gemeinsam Gedanken machen, wie der Islam konstruktive Gestaltungskraft in der Gesellschaft entfalten könne. Sie wünsche sich, dass das Fach „an unseren Schulen“ genauso normal werde wie es die Angebote anderer Religionen bereits sind.
Prof. Dr. Holger Horz, Geschäftsführender Direktor der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung, unterstrich die Bedeutung der Interdisziplinarität für die Lehrerbildung. Ohne den rechten Geist der Interpretation bleibe der Koran seinen Lesern eine dunkle Laterne, beschrieb der muslimische Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Harry Harun Behr, der an der Goethe-Universität für das neue Angebot zuständige Wissenschaftler, die Herausforderung, die die künftigen Religionslehrer bei ihrer Pionierarbeit zu meistern hätten: Es gehe nicht darum, die Schüler zum Glauben zu bekehren, sondern sie bestenfalls dazu zu befähigen. „Die Schüler müssen die Laterne selbst anzünden“, so Behr. Wie die Lehrkräfte ihnen dabei helfen könnten, das lernten sie an der Goethe-Universität. Die Inhalte der Weiterbildung seien eingebettet in die aktuelle Forschung. Behr, der zuvor Professor in Erlangen war und an einer Realschule Unterrichtserfahrung gesammelt hat, betonte, er selbst habe in der Zusammenarbeit viel gelernt und tue das noch immer.
Von einem „historischen Projekt“ sprach Abdullah Wagishauser, Vorsitzender der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland: Der islamische Religionsunterricht könne helfen, einen friedfertigen Islam in Deutschland heimisch zu machen. Salih Özkan, Vorstandsvorsitzender von DITIB Hessen, verband mit dem Projekt die Hoffnung, dass die Angst vor dem Islam abgebaut werde.
Die insgesamt 17 Haupt- und Realschullehrer, die bereits an hessischen Schulen unterrichten, bereiten sich in einer zweijährigen berufsbegleitenden Weiterbildung auf ein zusätzliches drittes Fach vor. Die 2014 erstmalig besetzte Professur für Islamische Religionspädagogik an der Goethe-Universität hatte in den vergangenen Monaten in Abstimmung mit den beiden Kooperationspartnern und dem Hessischen Kultusministerium ein Curriculum für den Weiterbildungskurs ausgearbeitet.
Bereits seit Ende 2011 fördert das BMBF zum einen den Aufbau eines Instituts für Islamisch-theologische Studien an der Goethe-Universität Frankfurt. An diesem Institut bieten heute drei Professoren eine stark nachgefragte Bachelor- und Masterausbildung an. Ergänzend finanziert auch das Land Hessen den Aufbau von Lehramtsstudiengängen und Weiterbildungsprogrammen für Lehrkräfte, die bereits im Schuldienst stehen. Damit verfügt die Goethe-Universität heute sowohl über moderne theologische Lehrangebote als auch über breite Islam-bezogene Forschungskompetenz. Die am Zentrum für Islamische Studien entwickelte Expertise in Islamischer Theologie und Religionspädagogik ist mit der Islam-bezogenen sozialwissenschaftlichen Forschung, etwa am Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam und der bildungswissenschaftlichen Heterogenitätsforschung am Erziehungswissenschaften, in einem interdisziplinären Verbund integriert.
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Mehr Informationen: Pressemitteilung vom 12. April 2016
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