Bibliothek und Forschung – das Beispiel Holland

Universitätsbibliothek Delft; Foto: C. Schaper
Universitätsbibliothek Delft; Foto: C. Schaper

Im Juni besuchte eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der UB J.C. Senckenberg vier Universitätsbibliotheken in den Niederlanden. Ziel der 3-tägigen Studienreise war es, unsere eigene Entwicklung mit den Entwicklungen in der UB Leiden, der UB Rotterdam, der UB Delft und der UB Wageningen ins Verhältnis zu setzen. Dabei interessierte besonders, wie die jeweilige Bibliothek in die Aufgaben und Ziele der Universität als Gesamtinstitution einbezogen ist – wie z. B. strategische Planung, Forschungsdatenmanagement und Lernzentren.

In den besuchten Universitätsbibliotheken konnten wir uns ein gutes Bild über die strategische Planung machen. Bezugspunkt für die grundsätzliche Linie der Hochschulen, mit der die Planungen der Bibliotheken korrespondieren, ist das EU Programm Horizon 2020. Die Kolleginnen und Kollegen beschrieben uns ihr methodisches Vorgehen und präsentierten eindrucksvolle Resultate ihrer Maßnahmen. Der Schlüssel zum Erfolg der niederländischen Universitätsbibliotheken liegt u. a. in einer klaren Prioritätensetzung, einer intensiven universitätsinternen Kommunikation, einer den strategischen Zielen entsprechenden Personalentwicklung und einer insgesamt innovativen und experimentierfreudigen Atmosphäre. Die Mitarbeiter der Bibliothek werden in diese Prozesse einbezogen.

Vom Fachreferenten zum Information Specialist

Bei allen Gastgeberbibliotheken gehört zu den aktuellen Prioritäten, dass die benötigten Medien vorzugsweise in elektronischer Form erworben werden. Der Sammlungsaufbau verliert insgesamt an Bedeutung. Heute geht es stärker darum, mit dem Bestand zu arbeiten und entsprechende Dienstleistungen anzubieten. Dies hat Einfluss auf die bibliotheksinternen Abläufe und bildet häufig die Basis dafür, bisherige Dienstleistungen der Bibliothek auf den Prüfstand zu stellen. So eröffnen sich Möglichkeiten, über neue Angebote nachzudenken und dann zu entwickeln.

Prominentes Beispiel dafür sind forschungsbezogene Dienstleistungen. In Kooperation mit anderen Akteuren der Universität bieten die UBs heute Dienstleistungen, die den gesamten Forschungsprozess begleiten. In erster Linie geht es dabei um das Management von Forschungsdaten, die Administration von Virtuellen Forschungsumgebungen sowie bibliometrische Analysen und Beratungen für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Dafür sind beispielsweise an der UB Wageningen Information Specialists tätig (entsprachen vormals den klassischen Fachreferenten).

Diese sind bevorzugt Absolventen der Universität Wageningen, damit Kenntnisse der Forschungsprozesse und Kontakte zu den Fachbereichen bereits vorliegen. Die Orientierung an einzelnen Fachgebieten hat jedoch stark an Bedeutung verloren. Zusätzlich wird versucht, einzelne Forschende eng in UB-Projekte einzubinden, um neue Services bedarfsgerecht zu entwickeln. In diesem Zusammenhang konnten wir feststellen, dass der Begriff „Informationskompetenz“ in den Niederlanden bereits sehr viel weiter gefasst wird.

Es geht zusätzlich um die Beratung zum Umgang mit den eigenen Forschungsdaten sowie zum Auffinden und Wiederverwenden von Daten aus anderen Projekten, Beratung zum Copyright und Open Access sowie das Erkennen und Unterbinden von Plagiarismus. Die klassischen Felder der Informationskompetenz, wie Katalog- und Datenbankrecherche und Bewerten der gefundenen Literatur, werden ebenfalls weiter betrieben und sind ganz überwiegend curricular verankert.

Die Angebote für die Bachelor-Studierenden werden allerdings zunehmend über online-Tutorials, Filme u. a. webbasierte Verteilungssysteme an die Studierenden gebracht, um Personalkapazitäten für die persönliche Beratung und Schulungen der fortgeschrittenen Studierenden und Wissenschaftler verfügbar zu haben. Sichtbarmachen von Sammlungen Bibliotheken, die wie die UB Leiden und die UB Frankfurt auf eine mehrere Jahrhunderte zurückreichende Geschichte zurückblicken können, besitzen in der Regel eindrucksvolle und umfangreiche Sammlungen des kulturellen Erbes.

Die Leidener Bibliothek, auf die dies wie auf das Frankfurter Pendant zutrifft, formulierte als wichtigstes Ziel in diesem Segment, diese Sammlungen zukünftig noch besser sichtbar zu machen. Gute Voraussetzungen dafür bestehen durch das Scaliger Institut. Finanziert durch Verlage sind hier hochrangige Wissenschaftler und Research Fellows damit beauftragt, Forschung zu den Inhalten der Sondersammlungen zu betreiben. Dafür ist es wichtig, auch hier Forschungsunterstützung zu leisten und eine möglichst gute und geeignete Arbeitsumgebung für die „am Bestand Forschenden“ zu bieten.

Die Forschungsergebnisse werden öffentlich in Publikationen, Vorträgen und Ausstellungen vorgestellt. Um dies noch zu intensivieren, wird auch die enge Kooperation mit den in Leiden beheimateten Kulturinstitutionen beitragen, die unter der Bezeichnung „Podium 071“ unter Federführung der UB Leiden zusammenarbeiten. Die unterschiedlichen Aufgaben der Universitätsbibliotheken und die Aktivitäten, die Studierende und Lehrende hier ausüben möchten, setzen passende Räume und eine zeitgemäße Bibliothekseinrichtung voraus. Ruhige Studierzonen werden genauso gebraucht wie Gruppenarbeitsräume mit moderner Technik.

Gleiches gilt für Magazine und Ausstellungsflächen zur Präsentation von Spezialsammlungen, deren Erforschung in Speziallesesälen erfolgt. Diese verschiedenartigen Raum- und Ausstattungsoptionen sind in den besuchten Bibliotheken durch Neu- und Umbauten der letzten Jahre vorhanden (UB Leiden, UB Delft, UB Wageningen) oder werden gerade geschaffen (UB Rotterdam, Asienbibliothek der UB Leiden). Besonders die übersichtliche Raumordnung, die durchdachte Lichtführung, gute und bequeme Sitzmöglichkeiten und die ausgezeichnete technische Ausstattung sollen hier hervorgehoben werden.

Die überall sehr gut besuchten Bibliotheken bewiesen auf anschauliche Weise, dass den Bedürfnissen der Bibliotheksnutzer sehr gut entsprochen wird. Die Nutzer wurden vielerorts in die Entscheidungen über die Ausstattung einbezogen. Unsere Fragen zu neuen Entwicklungen bedienten die niederländischen Bibliotheken ebenfalls auf das Beste. Unser Dank gilt den besuchten Einrichtungen für die gewährten Einblicke in ihre Arbeit, die sie sehr offen mit uns besprachen. Wir können sagen, dass sich der „Blick über den Tellerrand“ auf jeden Fall gelohnt hat.

Aus den Gesprächen konnten wir wichtige Anregungen mitnehmen, auch wenn nicht alle Gegebenheiten vergleichbar sind. Die generelle Ausrichtung der besuchten Bibliotheken war überzeugend. Der schon während der Reise begonnene Diskussionsprozess über das Gesehene und Gehörte wird nach der Rückkehr in den einzelnen Abteilungen der UB Frankfurt und abteilungsübergreifend fortgesetzt. In einer Feedbackveranstaltung berichteten die Teilnehmer bereits ausführlich über die Studienreise.

Besonders interessante Aspekte wurden so in das Frankfurter Kollegium getragen und bieten Ansätze für weiteren Austausch „zu Hause“. Wir danken Bibliothek und Information International (BII)/Goethe-Institut sehr herzlich für die Förderung der Reise. [Autorin: Christiane Schaper]

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