Was den früheren Bankier Michael Hauck mit der Goethe-Universität verbindet

Aus Anlass seines 90.Geburtstags wurde der frühere Bankier Michael Hauck mit der Ehrenmitgliedschaft der Vereinigung der Freunde und Förderer ausgezeichnet; Foto: Wonge Bergmann

Der früheren Bankier Michael Hauck, der den Finanz- und Börsenplatz Frankfurt bis in die 1990er Jahre entscheidend mitgeprägt hat, erinnert sich im Gespräch an Ereignisse und Erlebnisse, die ihn mit der Goethe-Universität verbinden: ein „Frankfurter Allerlei“ der besonderen Art.

Als der Historiker Kantorowicz Mitte der 1930er-Jahre bei der Familie Hauck in der Ditmarstraße 4 regelmäßig zu Besuch war, muss er bereits eine Berühmtheit gewesen sein; denn seine 1927 erschienene Biografie des Stauferkaisers Friedrich II. hatte bereits einen festen Platz in den Hausbibliotheken des konservativ gesinnten deutschen Bildungsbürgertums. Doch das beschäftigte den 1927 geborenen Michael Hauck damals noch nicht. Er erlebte den smarten Mittelalterhistoriker als Freund des Hauses, der den Nikolaus spielte und die Untaten der Kinder auf einer Toilettenpapierrolle notierte. „Kurz vor Weihnachten kam Kantorowicz immer zu uns, und dann lag er gemeinsam mit meinem Vater und Albert von Metzler auf dem Boden und sie spielten mit der Märklin-Eisenbahn – Spur eins, zum Aufziehen“, erinnert sich Hauck mit kindlicher Freude. Übrigens wurde Haucks Elternhaus nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern besetzt und 1960 von der Familie an den Bund verkauft, seit 1983 ist es Gästehaus für die Universität.

Als der Student Hauck 1949 von Iowa aus Kontakt mit Kantorowicz aufnehmen wollte, der inzwischen mit anderen vor den Nazis geflohenen Emigranten in Kalifornien lebte, fand der Gelehrte keine Zeit für den jungen Frankfurter: Kantorowicz war mit dem Widerstand gegen den von der Universität Berkeley geforderten Loyalty Oath-(Loyalitätseid)  befasst. Er bezog mit der Weigerung, den Eid zu leisten, Stellung für die Wahrung der akademischen Freiheit und gegen die McCarthy-Politik der massiven Verfolgung von Kommunisten und ihrer Sympathisanten.

Obwohl ihr Großvater Henry Oswalt Mitbegründer der Frankfurter Universität war, konnte sich Haucks ältere Schwester Maria Ende der 1930er Jahre dort nicht in Germanistik einschreiben. „Der damalige Rektor (Walter Platzhoff, die Redaktion) bestellte meine Mutter und Schwester ein und teilte ihnen mit, man werde den Antrag auf Zulassung nicht bearbeiten“, berichtet Hauck. Hintergrund dürften die teilweise jüdischen Vorfahren der Familie gewesen sein, die Universität Freiburg legte übrigens weniger strenge Maßstäbe an.

Der fast fünf Jahre jüngere Michael musste als Flakhelfer und Soldat noch im Zweiten Weltkrieg dienen, kam 1945 in ein Kriegsgefangenen-Lager nach Rennes und erkrankte lebensbedrohlich an Tuberkulose. Gute Kontakte zu jüdischen Emigranten – insbesondere zu dem Bankier und Honorarprofessor Albert Hahn, einem „verstoßenen Sohn Frankfurts“, so Hauck –  ermöglichten ihm einen fast zweijährigen Aufenthalt in der Schweiz; zunächst in einem Sanatorium, dann in einem Internat in Davos. „Ich werde langsam stumpfsinnig“, so hatte Hauck im Kriegsgefangenenlager geschrieben. Seinem Verlangen nach Wissen und Literatur, das am Lessing-Gymnasium intensiv geweckt worden war, konnte er – obwohl sehr geschwächt – in Davos nachgeben: „Ich lag fast ein Jahr auf dem Balkon und habe gelesen und gelesen – mit besonderer Begeisterung die österreichischen Schriftsteller wie Roth, Werfel und Zweig, die in der Nazizeit verboten waren.“

Nach der Währungsreform 1948 begann Hauck mit dem Volkswirtschaftsstudium an der Goethe-Universität: „Das Hauptgebäude war teilweise zerstört, die Verhältnisse waren sehr schwierig, im Hörsaal B saßen sehr viele Studenten auf den Treppen“, erinnert er sich. „Wir waren ein gemischter Haufen junger Leute, alle hatten Kriegserfahrung. Natürlich siezten wir uns.“ Sein Vater Alexander war 1946 einem Krebsleiden erlegen, und auf dem Sohn Michael, der zunächst noch das Abitur nachholen musste, lastete der Druck, möglichst schnell die Nachfolge in der seit fünf Generationen im Besitz der Familie befindlichen Bank anzutreten. Und an welche Professoren erinnert sich der Bankier heute noch? „Vier besonders eindrucksvolle Wissenschaftler fallen mir sofort ein: Heinz Sauermann, Walter Hallstein, Fritz Neumark (der war besonders streng!) und Franz Böhm.“ Nach dem Krieg genossen es viele Studierende, Vorlesungen anderer Fächer zu besuchen: „Ich habe auch Vorlesungen des Historikers Otto Vossler gehört, er war mitreißend und hatte einen glänzenden Vortragsstil.“ Weniger begeistert erinnert Hauck sich an Theodor W. Adorno: „Da bin ich nur einmal in die Vorlesung gewesen; seine prononcierte Sprache fand ich ziemlich schrecklich – und er war schon sehr marxistisch“, was Hauck besonders in Bezug auf die volkswirtschaftliche Mehrwertlehre auffiel.

Hauck gründete mit einigen Freunden den International Student Service ISS: „Wir wollten uns um die wenigen ausländischen Studenten kümmern und dachten an eine Art Clubleben wie bei den Studentenverbindungen.“ Sie organisierten Vorträge – „und waren auch gelegentlich enttäuscht, weil nicht genügend Kommilitonen das Angebot annahmen“, so erinnert sich Hauck an den Besuch des später so berühmten Politologen Alfred Grosser, der als junger Mann auf Einladung von Hauck an der Goethe-Universität unter anderem über die ersten Bemühungen zur deutsch-französischen Aussöhnung und Freundschaft sprach.

Nach nur drei Semestern an der Goethe-Universität bekam Hauck im Rahmen des Reeducation-Programms des US-amerikanischen State Departement ein Stipendium – „und zwar verschlug es mich nach Iowa City, mitten zwischen riesigen Maisfeldern. Dort im Mittelwesten hatten die Menschen keine Ahnung von Europa. Das war eine spannende Erfahrung – die staatliche Universität war übrigens recht gut.“ Verblüfft war Hauck, als er im Museum von Iowa City fünf Gemälde des in die USA emigrierten Frankfurter Malers Max Beckmann sah: „Beckmann war ja in Chicago und vor allem in St. Louis gewesen, und Iowa liegt dazwischen. Und dort hatte ihn damals ein Direktor des Museums entdeckt“, erläutert Hauck. Nach neun Monaten am College in Iowa absolvierte Hauck noch ein dreimonatiges Praktikum in einer Bank in New York – „dort konnte ich in der Wohnung eines Enkels von Wilhelm Merton wohnen“. Nach weiteren Stationen im Ausland und einer Banklehre stieg Hauck 1956 als persönlich haftender Partner ins Bankhaus Hauck ein. „Ich bedauere es sehr, dass ich mein Studium nicht mehr abschließen konnte.“ Doch die Nähe zur Goethe-Universität suchte er auch als angesehener Frankfurter Bankier weiter – jetzt in der Rolle des Ratgebers und Mäzen.

Die Erinnerung daran, welche Rolle sein Großvater mütterlicherseits für die Frankfurter Universität gespielt hatte, war in der Familie in der Zwischenzeit etwas in Vergessenheit geraten. Sein Enkel Michael hatte nur noch kindliche Erinnerungen an den Geheimen Justizrat Dr. Henry Oswalt, der starb, als sein Enkel sieben Jahre alt war. „Er liebte es, ein wenig spöttisch zu sein – vielleicht hatte er das von seinem Großonkel Heinrich Heine geerbt“, so Hauck mit einem hintergründigen augenzwinkernden Lächeln.

Als aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Goethe-Universität die Biografienreihe „Gründer, Gönner und Gelehrte“ aufgelegt wurde, machte sich Hauck dafür stark, das Wirken seines Großvaters historisch aufzuarbeiten; er finanzierte die von Birgit Wörner und Roman Köster verfasste Biografie. „Während Oberbürgermeister Franz Adickes und der – übrigens auch mit uns verwandte – Unternehmer Wilhelm Merton als die Gründungsväter der Universität in die Geschichte eingegangen sind, war bisher wenig über die Rolle meines Großvaters bekannt.“ Oswalt, dessen teilweise jüdische Vorfahren bereits seit 1530 unter dem Namen „Ochs“ in Frankfurt lebten, gehörte zu dem Dreigestirn, das im Herbst 1897 in Mertons Haus ein Gespräch führte, das zur Gründung der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften führte, die Keimzelle der 1914 gegründeten Bürgeruniversität. Der fachmännische Rat des Notars und Rechtsanwalts war bei diesen Aktivitäten sehr gefragt, worüber Adickes auch in seinen Memoiren berichtet. 1918, unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, drohte der Universität die Schließung, da waren es Oswalt und einige Mitstreiter aus dem Frankfurter Großbürgertum, die die Freundesvereinigung gründeten. „Mein Großvater war nach Walther vom Rat Vorsitzender des Vorstands “, sagt Hauck nicht ohne Stolz.

Bürgerliches Engagement scheint sich auf die Nachfahren übertragen zu haben. Nur ein Beispiel: Oswalt ermöglichte mit seiner Stiftung 1921 den ersten Lehrstuhl für Röntgenphysik, auf den Friedrich Dessauer berufen wurde. Michael Hauck förderte 1967 gemeinsam mit Frankfurter Banken und anderen Interessenten die Gründung des Instituts für Kapitalmarktforschung, das heute als Center for Financial Studies im House of Finance international höchste Anerkennung findet. Das freut den Senior Hauck, und er merkt selbstkritisch mit einem Lächeln an: „Ich wollte damals, dass sich das Institut mit dem Aktienwesen beschäftigt, konnte mich nicht durchsetzen und bin dann spektakulär ausgeschieden – das würde ich aus heutiger Sicht nicht mehr machen.“ Und nun im hohen Alter möchte Hauck noch einmal seine Verbundenheit mit der Goethe-Universität und ihren Freunden dokumentieren – da ist das geplante Buch zur bisher vernachlässigten Geschichte der Vereinigung ein willkommener Anlass.

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„Freunde fördern“ – Die Vereinigung und ihre Historie

Hundert Jahre wird die Vereinigung der Freunde und Förderer der Goethe-Universität im kommenden Jahr – Grund genug, zurückzuschauen auf die wechselvolle Historie dieses Vereins, der der Universität auch in ihren schwierigen Jahren immer beistand. So sieht es auch der 90-jährige Bankier Michael Hauck, der viele Jahrzehnte im Kuratorium der Vereinigung mitwirkte. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass Universitätsarchivar PD Dr. Michael Maaser sich nun intensiv mit der Geschichte beschäftigt.

Zu Beginn des Jubiläumsjahrs soll das Buch „Freunde fördern. Die Geschichte der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität“ erscheinen, finanziert von Hauck und den vielen Gästen, die anlässlich seines 90. Geburtstags im April großzügig spendeten. Pünktlich zu Haucks Geburtstagsfest ist sein Buch „Frankfurter Allerlei, Erlebtes und Erlerntes aus neun Jahrzehnten“ erschienen.

Mehr im Online-Magazin unter: aktuelles.uni-frankfurt.de/freunde-und-foerderer-alumni

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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.

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