Die Physik der Zeitreise

Zeitreisen sind ein beliebtes Thema der Science-Fiction. Doch sind sie physikalisch überhaupt möglich? Physiker und Wissenschaftskommunikator Sascha Vogel erläutert diese Frage am Beispiel der Hollywood-Filme »Zurück in die Zukunft« und »Interstellar«.

Obwohl wir sie täglich erfahren, messen und manchmal auch vergessen, ist die Zeit eines der am wenigsten verstandenen Konstrukte der Physik. Hat sie eine Richtung? Und falls ja, kann man sie umkehren, wie man einen Film rückwärts laufen lassen kann? Wie meistens in der Physik, muss man erst einige andere Fragen beantworten, bevor man sich mit Zeitreisen und anderen spannenden Phänomenen befassen kann.

Zunächst müssen wir klären, was Zeit eigentlich ist. Darüber haben sich schon die großen griechischen Philosophen Gedanken gemacht. Wir steigen aber etwas später bei Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz ein, die eine wilde Debatte über das Wesen der Zeit geführt haben. Für Newton waren Zeit und Raum reale, physikalisch beschreibbare Größen. Er sah sie als eine Art Container, der alle anderen realen Objekte des damals noch etwas kleineren Universums enthält.

Leibniz behauptete dagegen, die Zeit sei nichts weiter als eine gedankliche Konstruktion. Ohne auf die Details der Diskussion weiter ein zugehen, halten wir hier fest: Newtons Sichtweise hat die wissenschaftliche Gemeinschaft letztendlich überzeugt. Ein sehr wichtiges Detail in Newtons Beschreibung der Zeit war, dass er sie als absolut definierte. Genau wie der Raum, der sich nicht ändert, was auch darin passiert, ist in der Newton’schen Mechanik auch die Zeit unabhängig von der restlichen Physik. Und das stimmt mit unserer täglichen Erfahrung durchaus überein.

Auftritt Einstein und seine Relativitätstheorie

Ein paar Jahrhunderte später rüttelte Albert Einstein an diesem Weltbild mit seiner speziellen Relativitätstheorie. In seiner Arbeit »Zur Elektrodynamik bewegter Körper« stellt er die absolute Zeit und den absoluten Raum infrage und setzt an deren Stelle ein neues Postulat: Es gibt eine Maximalgeschwindigkeit, nämlich die Lichtgeschwindigkeit, und sie ist in allen Bezugsystemen gleich groß. Wie Einstein darauf kam, mit dem vertrauten Verständnis von Raum und Zeit zu brechen, können wir am besten durch Gedankenexperimente verstehen, wie sie auch Einstein machte.

Stellen wir uns vor, wir stehen an einem Bahngleis und ein Zug fährt mit 300 km/h an uns vorbei. Vom Gleis aus betrachtet rasen der Fahrgast im Zugrestaurant und sein Kaffee mit 300 km/h an uns vorbei. Dagegen wird der Mann im Zug sagen, dass er in Ruhe ist, ebenso wie die Kaffeetasse vor ihm. Dass der Zug sich bewegt, merkt er im Idealfall nur, wenn der Kaffee bei einer starken Bremsung überschwappt. Solange der Zug mit gleichbleibender Geschwindigkeit fährt, kann der Fahrgast bei heruntergelassenen Rollos nicht wissen, ob er sich bewegt oder am Bahngleis steht.

Dies ist noch nicht verwunderlich und vollkommen vereinbar mit der klassischen Mechanik. Wenn nun ein Junge im Zug einen Ball mit 10 km/h in Fahrtrichtung wirft, dann sieht der Beobachter am Gleis den Ball mit 310 km/h fliegen – die Geschwindigkeit des Balls plus die Geschwindigkeit des Zugs. Was passiert aber, wenn wir nachts im Schlafwaggon das Licht anmachen? Auf den ersten Blick sollte sich die Geschwindigkeit des Lichts ja auch einfach mit der Geschwindigkeit des Zugs addieren.

Die experimentelle Messung zeigt aber, dass sich das Licht sowohl für den Beobachter am Gleis als auch für den Beobachter im Zug mit der gleichen Geschwindigkeit von 299.792.458 m/s bewegt! Und hier bricht das alltägliche Weltbild zusammen. Warum kommen die 300 km/h des Zugs nicht obendrauf? Die genaue Erklärung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Merken sollten wir uns, dass aus dem Grundpostulat der Speziellen Relativitätstheorie – es gibt keine größere Geschwindigkeit als die Lichtgeschwindigkeit – viele spannende (und manchmal auch lustige) Effekte resultieren. Hier seien insbesondere die Zeitdilation und Längenkontraktion genannt. »Anschaulich« bedeutet dies, dass bewegte Uhren langsamer gehen und mit Lichtgeschwindigkeit fliegende Bälle zu einem Pfannkuchen plattgedrückt werden. Auf ähnliche Effekte kommen wir am Ende des Artikels noch zu sprechen.

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Auf den Punkt gebracht

  • Zeitreisen werfen nicht nur kausale und logische Probleme auf, sondern auch physikalische.
  • Lassen wir die Zeit rückwärts laufen, gibt es leichte Probleme mit der Zeitumkehrvarianz und einen Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.
  • Science-Fiction-Filme wie »Interstellar« veranschaulichen die verrückten Effekte der Relativitätstheorie auf Zeit und Raum. Erstaunlicherweise konnten aus den Berechnungen für den Film neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden.

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Zurück in die Zukunft

Wenden wir dieses Wissen auf Hollywood-Filme an, stellen wir fest: Hier geht’s mit der Zeit manchmal drunter und drüber. Nehmen wir »Zurück in die Zukunft« als Beispiel – hier fahren Doc Brown und Marty McFly mit einem DeLorean als Zeitmaschine in die Vergangenheit, um wichtige Ereignisse zu verhindern. Allen Paradoxien zum Trotz, die wir hier mal großzügig ignorieren wollen (Stichwort: Kann man in der Vergangenheit seine eigenen Eltern oder gar sich selbst töten?), schauen wir uns mal an, was passiert, wenn man die Zeit tatsächlich umdreht.

Hierzu müssen wir zwei Fragen beantworten. Hat die Zeit überhaupt eine Richtung? Und die zweite, damit zusammenhängende Frage: Wäre es physikalisch überhaupt ein Problem, rückwärts in der Zeit zu reisen oder genauer, steht eine Umkehr der Zeitrichtung in Widerspruch zu den physikalischen Gesetzen? Starten wir mit der ersten Frage: Hat die Zeit eine ausgezeichnete Richtung, die man praktisch erleben kann?

Hier kommt die Thermodynamik ins Spiel. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Aquarium, das in der Mitte durch eine Scheibe getrennt ist. In die linke Hälfte schütten Sie eine blaue, in die rechte Hälfte eine gelbe Flüssigkeit. Und nun entfernen Sie die Scheibe. Die beiden Flüssigkeiten vermischen sich und insgesamt ergibt sich eine grüne Flüssigkeit. Das ist ein relativ einfacher Prozess, der in der Zeit vorwärts läuft.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser rückwärts abläuft, ist quasi gleich null. Physikalisch sagt man, dass der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik gilt: Ein System strebt immer den Zustand mit der höchsten Entropie an. Da es hierzu einen wunderbaren Artikel im gleichen Heft gibt, wird hierauf verwiesen und wir können uns gleich der zweiten Frage widmen (siehe Roger Erb: »Warum die Zeit nicht rückwärts läuft«, Seite 10).

Dürfen wir die Zeit wenigstens theoretisch umkehren?

In der theoretischen Physik läuft die zweite Frage unter dem Begriff der Zeitumkehrinvarianz. Mathematisch bedeutet dies nichts anderes, als dass man jedes Mal, wenn eine Zeit (t) in einer Gleichung auftaucht, eine negative Zeit (– t) daraus macht. Wenn dies nichts an den Gleichungen und der Physik ändert, spricht man von einer Zeitumkehrinvarianz, also einer Symmetrie unter der Richtung der Zeit.

Gleiche Symmetrien kann man auch für andere Größen aufstellen. Besonders relevant ist in diesem Kontext die Transformation der Raumspiegelung oder Paritätstransformation, was bedeutet, dass wir das Vorzeichen vor der Raumkoordinate umkehren. Eine weitere Symmetrie ist die Vertauschung von positiver und negativer Ladung, die Ladungsumkehrinvarianz. Es gibt viele Theorien, die einzelne der oben genannten Symmetrien erfüllen, so ist z. B. die Klassische Mechanik invariant unter Zeitumkehr.

Ginge es nur um die klassische Mechanik, dann wäre es physikalisch erstmal kein grundlegendes Problem, die Zeit umzudrehen. Anschaulich kann man sich das mit einem einfachen Experiment machen. Filmen Sie mal einen Billardstoß von oben und schauen sich das Video umgekehrt an. Auch wenn es manchmal etwas lustig aussehen könnte, an sich spricht mechanisch nichts dagegen, dass der Prozess rückwärts abläuft. Spannend wird es, wenn man allgemeine Aussagen treffen möchte.

So hat man im Laufe der Jahre immer wieder physikalische Beispiele gefunden, die nicht invariant unter den verschiedenen Vertauschungen sind. Schon in der Physik des Elektromagnetismus findet man Fälle, in denen ein Experiment unterschiedliche Ausgänge hat, wenn man links und rechts miteinander vertauscht. Auch gibt es Beispiele dafür, dass man Ladungen nicht einfach austauschen darf. Lange dachte man, dass wenigstens die Symmetrie der Zeitrichtung allgemeingültig ist.

Aber das widerlegten 2012 Forscher am BABARExperiment in den USA, als sie Zerfälle von sogenannten B-Mesonen untersuchten. Diese äußerst kurzlebigen Teilchen entstehen bei energiereichen Stößen in Teilchenbeschleunigern und unterliegen einer extrem kurzreichweitigen Kraft, der schwachen Wechselwirkung. Die Forscher konnten messen, dass die Richtung der Zeit bei der Wechselwirkung dieser Teilchen durchaus eine Rolle spielt.

Allgemeingültig für alle physikalischen Theorien ist bis heute die sogenannte CPT-Symmetrie, die gleichzeitige Vertauschung von Ladung, Parität und Zeitrichtung (Charge, Parity, Time). Sie besagt, dass ein Universum, welches in der Zeit rückwärts läuft, vollständig raumgespiegelt ist und in dem alle Ladungen vertauscht sind, physikalisch vollkommen äquivalent zu unserem wäre. Aber wir müssen tatsächlich alles umdrehen, nicht nur die Zeit.

Physikalische und logische Probleme von Zeitmaschinen

So haben wir das Problem, dass die Zeitreise in die Vergangenheit uns zumindest in leichte physikalische Probleme bringen würde, insbesondere die schwache Wechselwirkung würde anders aussehen. Hier könnte man allerdings mutig sagen, dass wir dies erstmal ignorieren. Wir bauen unsere Zeitmaschine und hoffen, dass der Rest schon schiefgeht. Allerdings müssen wir noch an anderer Stelle aufpassen.

Wie schaffen wir es eigentlich, dass die Zeit überall zurückgedreht wird außer in der Zeitmaschine (bzw. dem DeLorean) selbst? Wenn wir ein biologisches System, welches der Mensch nun mal ist, in der Zeit zurückdrehen, dann würden sich die Insassen entsprechend auch verjüngen, bis zum Zeitpunkt, dass Säuglinge aus dem Auto krabbeln.

Von daher können wir aus verschiedenen Gründen physikalisch nach aktuellem Kenntnisstand ausschließen, dass der DeLorean mit oder ohne Fluxkompensator in die Vergangenheit reist. Damit haben wir natürlich auch ein anderes Problem, nämlich, dass im 1986er-Star-Trek die Wale doch nicht gerettet werden können, aber das ist eine ganz andere Geschichte …

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Wurmloch

Ein Wurmloch ist ein theoretisches Konstrukt, welches in den Lösungen der Einstein- Gleichungen auftaucht. Salopp kann man sagen, dass zwei Raumzeitpunkte auf kurzem Wege über eine zusätzliche Dimension miteinander verbunden werden, obwohl sie tatsächlich weit weg voneinander liegen. Dies kann man sich anschaulich machen, indem man einen Papierstreifen nimmt, die beiden Endpunkte markiert und sie dann übereinander hält.

Durch die Hinzunahme einer zusätzlichen, in diesem Fall dritten, Dimension ist die Entfernung geringer geworden. Durch Quantenfluktuationen könnten auf mikroskopischen Skalen die Voraussetzungen für ein solches Konstrukt existieren, aber nicht alles, was in Gleichungen existiert, muss auch in der Natur realisiert sein …

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Schwarze Löcher und andere Unwägbarkeiten

Nun gibt es aber auch Drehbuchschreiber in Hollywood, die zu größeren Sternen greifen. In diesem Fall sogar deutlich größeren Sternen, nämlich Schwarzen Löchern, Neutronensternen und Wurmlöchern. So geschehen im Film »Interstellar« von Christopher Nolan. Hier reisen einige Menschen in Kryo-Kammern zu fremden Planeten, die sie durch ein Wurmloch erreichen, welches glücklicherweise in unserer Galaxie aufgetaucht ist.

Durch das Wurmloch gereist, landen unsere Helden in einer anderen Galaxie, in deren Mitte sich ein riesiges Schwarzes Loch mit einer Masse von mehreren Millionen Sonnenmassen befindet. Auf den Planeten, die das Schwarze Loch umkreisen, gibt es allerlei lustige Effekte. Beispielsweise wird behauptet, dass die Zeit auf dem Planeten in der Nähe des Schwarzen Lochs deutlich langsamer abläuft.

Eine Stunde auf dem Planeten sei gleichzusetzen mit sieben Jahren im Raumschiff, welches sich weit weg vom Planeten befindet. Was erstmal unglaublich klingt, ist physikalisch tatsächlich vollkommen plausibel: In der Nähe von großen Massen vergeht die Zeit tatsächlich langsamer. Dies ist eine der Folgen der allgemeinen Relativitätstheorie und ist experimentell bestätigt. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass der Film ein Bild des Schwarzen Lochs zeichnet, das wissenschaftlich vollkommen korrekt berechnet wurde.

Als die wissenschaftlichen Berater berechneten, wie das Schwarze Loch aussehen muss, haben sie sogar neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen – da sag noch einer, Hollywood- Filme seien unnütz! [3] Am Ende des Films fliegt der furchtlose Pilot durch ein Schwarzes Loch. Wie schon erörtert, vergeht die Zeit in der Nähe des Schwarzes Lochs immer langsamer, bis man den sogenannten Ereignishorizont erreicht.

Dies ist der Punkt, an dem die Anziehungskraft des Schwarzen Lochs so stark ist, dass selbst das Licht der Gravitation nicht mehr entkommen kann. Die Zeit bleibt komplett stehen. Und das ist auch der Moment, an dem die Wissenschaft nicht mehr weiter weiß. Die Physik jenseits dieses Ereignishorizonts ist bis heute nicht verstanden und es gibt viele Theorien, was passieren könnte. Aber hier werden wir wohl noch einige Zeit brauchen, um zu verstehen, was dort vor sich geht …

[Autor: Dr. Sascha Vogel]

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.2017 des Wissenschaftsmagazins Forschung Frankfurt erschienen.

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