Wie gelangen bestimmte Personen in gesellschaftliche Schlüsselpositionen? Und welches Konfliktpotenzial ist damit verbunden? Von der Spätantike bis zum 20. Jahrhundert vergleichen Historiker aus Frankfurt, Mainz und Pavia epochenübergreifend, wie Personalentscheidungen in der Kirche, der öffentlichen Verwaltung und in Unternehmen getroffen wurden.
2014 wurde die DFG-Forschergruppe „Personalentscheidungen bei gesellschaftlichen Schlüsselpositionen“ mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Goethe-Universität in enger Kooperation mit der Mainzer Universität eingerichtet. Sie hat zunächst bis Herbst 2017 ca. 1,6 Mio. Euro für ihre Forschungsvorhaben zur Verfügung; ihr Sprecher ist der Historiker Prof. Andreas Fahrmeir von der Goethe-Universität.
Die Wissenschaftler erwarten, dass sie mit ihrer Forschung in den nächsten Jahren eine Antwort auf die Frage geben können, warum es offenbar nie möglich ist, eine „endgültige“ Form von Personalentscheidungen zu entwickeln, die allen Erwartungen gerecht wird, und warum diese strukturellen Spannungen immer zu einem graduellen Wandel führen. „Diese eher geringfügig erscheinenden Veränderungen sind wahrscheinlich in der Summe bedeutender als revolutionäre Zäsuren“, vermutet Fahrmeir.
Im historischen Verlauf hat sich die Art und Weise, wie Personalentscheidungen gefällt werden, erheblich verändert. Bei näherem Hinsehen existiert jedoch eine begrenzte Zahl von Auswahlverfahren wie Zeugung/Geburt, Beauftragung durch eine weltliche oder göttliche Macht, Los, Wahl, Kooptation, Wettbewerb, die in jeweils epochenspezifischer Weise kombiniert werden. Die Forschung hat Personalentscheidungen bislang zumeist nur einzeln analysiert, nicht aber die ihnen zugrunde liegenden Logiken und Dynamiken ihrer Veränderung im historischen Überblick.
Das hat sich die Forschergruppe „Personalentscheidungen bei gesellschaftlichen Schlüsselpositionen“ nun vorgenommen. Neben Fahrmeir sind als Principal Investigator im Team die Frankfurter Historiker Hartmut Leppin, Werner Plumpe und Christoph Cornelißen sowie Johannes Pahlitzsch aus Mainz und Daniela Rando aus Pavia. Sie werden unterstützt von sieben jüngeren Wissenschaftlern, von denen zwei an der Johannes Gutenberg-Universität und fünf an der Goethe-Universität forschen.
„Personalentscheidungen sind immer Wetten auf die Zukunft mit ungewissem Ausgang. Sie besitzen eine enorme potenzielle Sprengkraft. Selbst wenn man unterstellt, dass es wirklich besser und weniger gut geeignete Personen für bestimmte Aufgaben gibt, kann man vor Amtsantritt trotzdem nicht wissen, wer sich im konkreten Fall als Unternehmer, Bischof, Heerführer, Amtmann besser bewähren wird,“ erläutert der Sprecher der Forschergruppe.
Ist jedoch die Entscheidung einmal gefallen, sind Korrekturen schwierig und meist erst bei der nächsten Auswahl möglich. Jede Personalentscheidung hat ein zufälliges Moment – Wissenschaftler nennen das „kontingent“ – und muss doch auch für die „Verlierer“ akzeptabel sein. „Wenn es um Schlüsselpositionen geht, ist das Problem besonders akut, da die konkurrierenden Kandidaten in aller Regel über erheblichen Einfluss verfügen“, so Fahrmeir.
Eine Folge ist, wie die Historiker bereits herausgearbeitet haben, dass sich gerade scheinbar irrationale Entscheidungsformen lange bewähren können – wie Erbfolge in der Monarchie oder auch Losverfahren in vielen frühneuzeitlichen Konstellationen. Aber auch scheinbar rationale Verfahren können die Unsicherheit nicht beseitigen. Fahrmeir nennt in diesem Zusammenhang kompetitive Examina für den britischen öffentlichen Dienst, die im 19. Jahrhundert eingeführt, aber im 20. Jahrhundert wieder abgeschafft wurden.
Die DFG-Forschergruppe, insgesamt fördert die DFG über 200, soll Wissenschaftlern die Möglichkeit bieten, sich aktuellen drängenden Fragen in ihren Fächern zu widmen und innovative Arbeitsrichtungen zu etablieren. Wie alle DFG-Forschergruppen arbeitet auch diese orts- und fächerübergreifend. So kooperieren in dieser Forschergruppe Wissenschaftler aus der alten, mittleren und neuerer Geschichte sowie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
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FOR 1664: Personalentscheidungen bei gesellschaftlichen Schlüsselpositionen
Sprecherstandort: Goethe-Universität Frankfurt
Sprecher: Prof. Dr. Andreas Fahrmeier, Historisches Seminar, Tel. (069) 798-32626, fahrmeir@em.uni-frankfurt.de
Partner: Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Link: http://www.geschichte.uni-frankfurt.de/53149801
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