Forschungsgruppe RISS zu den politischen Konsequenzen sozialstrukturellen Wandels wird fortgesetzt

Der komplexe sozialstrukturelle Wandel und dessen Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und politische Konflikte stehen im Fokus der Forschungsgruppe „Rekonfiguration und Internalisierung von Sozialstruktur“ (RISS) an der Goethe-Universität. Nun hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die zweite Förderphase für das 2021 gestartete Projekt bewilligt , die im Januar 2026 beginnt und über vier Jahre läuft. Die gesamte Fördersumme für sämtliche Teilprojekte beträgt 4,6 Millionen Euro plus eine Million Euro Overhead.

Menschenmenge im städtischen Raum. © Aleksandr Ozerov/Shutterstock
Der komplexe sozialstrukturelle Wandel und dessen Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und politische Konflikte stehen im Fokus der Forschungsgruppe „Rekonfiguration und Internalisierung von Sozialstruktur“ (RISS). (© Aleksandr Ozerov/Shutterstock)

Tiefgreifende Veränderungen in der Sozialstruktur beeinflussen die sozialen und politischen Orientierungen der Menschen. Diagnosen einer zunehmenden Entfremdung von der Politik sowie einer polarisierten Bevölkerung dominieren den medialen und wissenschaftlichen Diskurs. Etablierte Regeln der Ressourcenverteilung und der politischen Repräsentation werden in Frage gestellt. Dabei sind die gesellschaftlichen Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge der Bildungsexpansion, Migration und Erwerbsbeteiligung von Frauen scheinbar immer durchlässiger geworden. Wie ist es jedoch zu erklären, dass einerseits die soziale Mobilität zunimmt, die neuen Bevölkerungsgruppen den sozialen Aufstieg ermöglicht, es andererseits aber immer mehr soziale und politische Konflikte gibt? Diese Frage steht im Zentrum der Forschungsgruppe, deren Sprecherin Prof. Daniela Grunow an der Goethe-Universität Soziologie lehrt.

Neue Ansätze zum Verständnis sozialstruktureller Zusammenhänge

Der Zusammenhang zwischen sozialstrukturellem Wandel und politischen Orientierungen sei komplexer als bisher angenommen, so Grunow. „Wir verfolgen eine multidimensionale Mehrebenen-Perspektive, die soziale Gruppen in ihrer sich wandelnden Zusammensetzung nach Geschlecht, sozialer Herkunft, Ethnizität und Religiosität konzeptualisiert. Dafür setzen wir uns kritisch mit vorhandenen theoretisch-konzeptionellen Ansätzen auseinander. In der ersten RISS-Förderphase haben wir konzeptionelle, methodische und empirische Fortschritte erzielt, die unser Verständnis der Beziehung zwischen sozialstruktureller Rekonfiguration und abnehmender Kohäsion verbessern“, erklärt die Soziologin.

Andere europäische Länder im Fokus

Auf den Ergebnissen aus der ersten Förderphase für Deutschland baue man nun auf: Es habe sich gezeigt, dass einige multidimensionale Gruppen seit 1980 mehr soziale Mobilität erfahren, während andere auf Barrieren stoßen. Künftig soll untersucht werden, ob diese Unterschiede in anderen europäischen Ländern auch existieren und wie sie politisiert werden. Auch wurde festgestellt, dass der gesellschaftliche Wandel neue Gruppen von Gewinnern (z.B. Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft aus bildungsfernen Elternhäusern) und Verlierern (z.B. eine schrumpfende Arbeiterklasse, die zunehmend ethnisch heterogener geworden ist) hervorgebracht hat, die für politische Konflikte mobilisiert werden. „Wir haben Messinstrumente entwickelt, um diese Gruppen und ihre Orientierungen zu identifizieren, und wollen diese Methoden nun auf verschiedene Organisationen und nationale Kontexte anwenden“, sagt Grunow.

Konflikte können Integration auch verbessern

Politische Konflikte, die sozialstrukturellem Wandel entspringen, gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt hierzulande nicht zwangsläufig; sie können die Anpassung an eine zunehmend heterogene Bevölkerung sogar fördern. Entscheidend ist ein immer neu herzustellendes Gleichgewicht aus maßvollem Konsens, Vertrauen und Kooperation, das es sozialen Gruppen ermöglicht, bestehende Formen sozialer Integration zu kritisieren und Veränderungen aktiv einzufordern. Bei RISS wurde ein Konzept sozialer Integration entwickelt, das diese Prozesse bereits für Deutschland empirisch erfassbar macht. Dieses soll nun auf die Länder Europas angewendet werden. Ein weiteres Ziel der zweiten Förderphase ist, die Rolle von Organisationen als Filter des sozialstrukturellen Wandels näher zu beleuchten. Bereits in der ersten Phase wurde deutlich, dass Organisationen individuelle und gruppenbezogene Ungleichheiten beeinflussen. Nun geht es um die Frage, wie Organisationen Gruppenidentitäten in unterschiedlichen sozialstrukturellen Kontexten beeinflussen und teils politisch aufladen.

Die RISS-Forschungsgruppe vereint Forschende aus Soziologie, Politikwissenschaft und Informatik, deren Ziel es ist, die Komplexität des sozialstrukturellen Wandels und seiner politischen Implikationen zu erfassen. Theorien zum Zusammenhang zwischen sozialstrukturellem Wandel und seinen Konsequenzen für individuelle und kollektive Orientierungen sollen erweitert, die Herausforderungen unserer Zeit besser verstanden werden.

Beispiele für Projekte innerhalb der Forschungsgruppe: CoRE – Rekonfigurationen konzeptualisieren für die empirische Forschung (Daniela Grunow, Yassine Khoudja; in der ersten Förderphase mit Richard Traunmüller, in der zweiten Förderphase mit Steffen Eger), Die Rolle von internalisierten Wirksamkeitsüberzeugungen für die Partizipation in Bildung und Politik (Birgit Becker und Sigrid Roßteutscher; in der zweiten Förderphase mit Lars Leszczensky), Internalisierte Gender- und Elternschaftsnormen (Birgit Becker & Daniela Grunow).

Pressemitteilung zur ersten Förderphase

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