Ein neues Zuhause für die »Kleinen Fächer«

Im September wird das neue Gebäude der Sprach- und Kulturwissenschaften auf dem Campus Westend eingeweiht. Der UniReport hat vorab mit dem Architekten Lutz-Matthias Keßling von BLK2 Böge Lindner K2 Architekten gesprochen.

UniReport: Lieber Herr Keßling, Sie haben das Projekt SKW von Anfang an federführend in Ihrem Architekturbüro begleitet, was zeichnet Ihrer Ansicht nach das Gebäude aus?

Lutz-Matthias Keßling: Wir haben uns im Wettbewerb mit unserem Entwurf für das SKW durchsetzen können. Vorgegeben war ja der wirklich gute städtebauliche Rahmenplan von Ferdinand Heide, wie mit der Entwicklung des ganzen Campus umzugehen ist. Uns war ein fixes Baufeld vorgegeben, auf dem ein Gebäude für die Vielfalt der sogenannten „Kleinen Fächer“ entstehen sollte. Ebenso waren noch die Interessen anderer Nutzer zu berücksichtigen. Hinzu kam nun, dass sich auf dem Campus eine kleine Siedlung mit Einfamilienhäusern befindet, die ursprünglich noch aus der Zeit des American Headquarter stammen. Auf den nötigen Abstand zu dieser Siedlung zu achten, war bei der Berechnung der Bebauungsgrenze nun auch notwendig, zudem auch in Betracht zu ziehen war, dass auch der Platz für die entsprechende Wegeführung miteinzuplanen war. Wir wollten diese Nord-Süd-Verbindung stärken und haben daher die sogenannte Baukörpermasse in unterschiedliche Volumina zerlegt und einen davon einfach zurückgeschoben. Damit wollten wir Platz schaffen, um die Großzügigkeit, die den Campus Westend mit seinen vielen Freiflächen auszeichnet, zu erhalten.

Das SKW knüpft architektonisch an die anderen Gebäude auf dem Campus an, unterscheidet sich aber auch.

Für uns stand am Anfang die Überlegung, wie wir einem Gebäude, das von ganz unterschiedlichen Nutzungen und Nutzern geprägt sein wird, eine Form, eine Struktur geben, die stringent ist. Der Poelzig-Bau, also das IG Farben-Haus, ist ein reiner Stahlskelettbau, die ganze Fassade ist vorgehängt. Das ist schon sehr modern gedacht. Wir haben uns das auch angeschaut und gesagt: Ja, richtig, so müssen wir weiterarbeiten. Wenn Sie sich das Gebäude nun anschauen, sehen Sie, dass die Fassade des SKW in zwei Membrane aufgelöst wird. Man hat ein vorderes, helleres „Grid“ und ein hinteres, dunkleres „Grid“ aus Naturstein. Architektonisch ist das durchaus diffizil, wir behandeln den Naturstein, so wie es Poelzig auch gemacht hat, quasi wie eine Tapete. Mit diesen verschobenen Natursteingrids erzeugen wir eine Verschieblichkeit innerhalb dieses Fassadenmotivs. Das ist alles somit dem Gedanken geschuldet, dass wir der Goethe-Universität damit ein Haus anbieten, das vielschichtig und veränderbar ist, dem man die dezidierte Nutzung nicht direkt ablesen kann.

Wie hat man sich nun das Innenleben vorzustellen?

Für uns ist die Fassade in dem Sinne gleichsam wie eine Hecke, hinter der sich das Innenleben des Gebäudes verbirgt, das ganz anders wirkt als diese äußerne Steinigkeit. Als Ergänzung zur Ausschreibung wurden wir noch gebeten, einen großen Hörsaal zu entwerfen. Den haben wir dann noch implantiert, und zwar wie ein ellipsoides Gelenk, dass die unterschiedlichen Bauteile miteinander verbindet. Das passt gut zu einem Hörsaal, der als Forum für den wissenschaftlichen Austausch im Zentrum des Gebäudes angesiedelt ist. Er ist dabei wie mit einem gefrorenen Betonvorhang ummantelt. Beim Foyer war uns dann immer wichtig, dass man beim Betreten über ein Farbschema einerseits Orientierung erhält, andererseits aber auch einen Überblick erhält. Das Farbschema durchzieht gewissermaßen wie ein Sprachsystem den ganzen Gebäudekomplex. Denn natürlich geht man vom Foyer in einzelne Baukörper hinein, die der hohen Eigenständigkeit der Institute Rechnung tragen. Die Innenhöfe sind ganz im Gegensatz zur äußeren Natursteinschicht metallen angelegt und mit Glaselementen bestückt. Damit bringen sie einen ganz anderen Charakter in dieses Haus.

Das SKW erhält auch eine Fachbereichsbibliothek, in der alle unterschiedlichen Disziplinen ihre Bücher und Medien zusammentragen.

Ja, das sieht sehr viel Buchfläche vor, da mussten wir sehr platzsparend vorgehen. Die Bibliothek verfügt aber über sehr viele natürlich belichtete, fassadenorientierte Arbeitsplätze, deren Tische mit Linoleumfeldern belegt sind. Somit können auch diese Orte nachhaltig altern. Wenn man in einigen Jahrzehnten dort lernt, sieht man, da haben schon Generationen vor einem an diesen Plätzen geschwitzt. Insgesamt kann man sagen, dieses ganze Haus ist tatsächlich ein Organismus, in dem die einzelnen Teile miteinander arbeiten und wirken. Dadurch, dass sich im Foyer und auch in der Cafeteria große Kommunikationsflächen auftun, hoffen wir, dass sich dort Studierende und Mitarbeitende der unterschiedlichen Institute treffen und austauschen, zudem die Büros für Wissenschaft und Verwaltung eher klein und abgeschlossen sind. Eine Architektur, in der man Wände auflöst und Arbeitsgruppen schafft, die man flexibel zusammensetzen kann, wäre aber etwas, was das Gebäude durchaus auch auffangen könnte.

In welcher Weise haben Themen der Nachhaltigkeit und des ökologischen Bauens eine Rolle gespielt?

Bei diesem Bauprojekt wurden diesbezüglich einige Punkte von Vornherein bedacht, wenngleich natürlich neueste Entwicklungen in der Diskussion um den Klimawandel und die Energiewende mit Planungsstart 2015 noch nicht berücksichtigt wurden. Eine CO2-Reduktion ist zum Beispiel nicht gegeben, da wir es mit einem Betonbau zu tun haben, der keine Speicherfähigkeit für Kohlenstoff aufweist, wie es etwa ein Holzbau kann. Aber wir haben energetisch gesehen einen guten Anschluss zur Fernwärme, mit einem geringen Primärenergiefaktor. Darüber hinaus haben wir für eine extensive Dachbegrünung in obersten Bereichen Sorge getragen, auch um Regenwasser zurückzuhalten. Ebenso wurde darauf geachtet, dass die Böden in den Innenhöfen in Teilbereichen eine ca. 80 Zentimeter dicke Humusschicht haben, dort auch eine Baumbepflanzung möglich ist. Von Nachhaltigkeit würde ich auch hinsichtlich der Nutzungsflexibilität einzelner Bauteile sprechen: Es gibt demnach eine klare Zuordnung, wo sich die Kerne und das freie Stützsystem befinden, möglichst aber keine tragenden Wände. Man könnte das Gebäude also flexibel umbauen.

Ein großes Thema sind ja mittlerweile auch in Deutschland lang anhaltende Hitzewellen.

Was wir ebenfalls machen: Wir nutzen die Speichermasse als Bauteiltemperierung. Wir nutzen eine Kühlung des Betonbaus, in dem dort Kälteschlangen eingelegt sind, mit denen ich im Sommer unterstützend kühlen kann. Das bedarf auch ein bisschen einer Nutzerdisziplin, denn wenn es außen 30 Grad ist, sollte ich nicht das Fenster aufreißen. Dann kommt die warme Luft hinein und das konterkariert die leichte Kühle aus dem Bauteil, was ich in den Abendund Nachtstunden an Kälte gewonnen und durchgeschickt habe. Aber das ist tatsächlich für solche Bauten inzwischen Usus, weil das auch bedeutet, dass ich keinen großen energetischen Aufwand betreiben muss, um zu kühlen. Heutzutage wird immer deutlicher: Man muss beim Betrieb eines solchen Gebäudes Energie sparen. Wenn man sich die Haustechnik im zweiten Unterschoss des SKW einmal anschaut, dann sieht man, was für eine gewaltige Anlage zum Kühlen, Pumpen und Belüften zum Einsatz kommt. Das Problem nachhaltigen Bauens heute ist ja, dass man im Unterschied zu früheren Jahrhunderten, in denen besonders öffentliche Gebäude riesige Räume, hohe Decken und dicke Wände hatten und daher im Winter warm und im Sommer kühl blieben, man heute viel weniger Volumen pro Person hat. Heute muss man in einem Hörsaal, der für 700 Leute ausgelegt ist, erst einmal den Luftwechsel schaffen. Der Anteil an Technik in solchen Gebäuden wird dadurch immer höher, der Hausmeister muss heute über ingenieurswissenschaftliche Kenntnisse verfügen.

Im September wird das SKW offiziell eröffnet. Was ist das für ein Gefühl, wenn man als Architekt einen solchen im Kopf entstandenen Plan eines Gebäudes dann realiter vor sich sieht?

Ganz einfach: Das ist ein super Gefühl! Mit einem lachenden, aber auch weinenden Auge, weil man das Projekt dann ‚loslässt‘. Wir betreuen unsere Projekte von Anfang bis Ende. Wenn man wie wir einen solchen Wettbewerb gewonnen hat, startet man wirklich schon sehr positiv. Man muss dann natürlich, wie bei einem Marathon, über eine lange Distanz durchhalten. Es kommt vielleicht auch mal eine Durststrecke, da braucht man einen Schluck Wasser oder eine Banane (lacht). Und man hat es bisweilen mit unterschiedlichen Ansprechpartnerinnen im Fachbereich oder den Instituten zu tun, die manches anders sehen und interpretieren. Tatsächlich ist es auch bei langen Projekten recht häufig, dass sich Normen und Vorschriften ändern können. Dann aber kommt man schließlich auf die Zielgerade. Was nicht bedeutet, dass dann alles auf einmal frisch erstrahlt: Hier ist noch einer am Kloppen, drüben wird schon geputzt. Wir hatten ja zum Schluss noch mit mehreren Wasserschäden zu kämpfen. Da kriegt man mitunter Herzklopfen und denkt: Wird das jetzt noch was? Wenn dann aber die Übergabe geklappt hat, ist das ein sehr, sehr schönes Gefühl. Ich freue mich darauf, dass dieses Gebäude bald auch den Studierenden übergeben und von ihnen angenommen wird. Das Feedback von den Nutzerinnen zu bekommen, ist für uns ganz wichtig. Auch wenn das Projekt irgendwann beendet ist: Bei uns ist es sehr häufig so, dass die persönliche Verbindung zum Gebäude und dem gesamten Planungsteam bleibt.

Fotos: Robert Anton (links) und Uwe Dettmar

Natürlicher Schutz gegen Überhitzung

Landschaftsarchitekt Robert Anton (Technische Leitung des Wissenschaftsgartens und Leitung Außenanlagen der Goethe-Universität) über die Begrünungsmaßnahmen des SKW

„Die Außenanlagen der jeweiligen Gebäude, aber auch die extensiven sowie intensiven Begrünungen der Dächer und Innenhöfe sind bereits im Bebauungsplan der Stadt Frankfurt fest verankert und müssen zum jeweiligen Bauantrag in Form von Freiflächengestaltungsplänen zwingend beigefügt sein. Soweit es die Erschließung durch Straßen und Wege erlaubt, versucht man in Fortsetzung zu den anderen Grünanlagen möglichst viele großkronige Laubbäume zu pflanzen, damit die darum angeordneten Plätze, Zuwegungen und Eingangsbereiche attraktiv und einladend aussehen, aber auch ausreichend Schatten gespendet wird. Durch die verschiedenen Dachbegrünungen wird ein Großteil der durch diese Baumaßnahmen versiegelten Flächen zumindest teilweise wieder ausgeglichen. Die aufgetragenen Substrate speichern nicht nur Wasser und vermindern hierdurch einen sofortigen Wasserablauf in die Vorflut, sondern isolieren darüber hinaus auch, die Gebäude und geben Flora und Fauna einen Teil der überbauten Flächen wieder zurück. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei auch, die Überhitzung der städtisch verdichteten Bereiche zu reduzieren. Ohne Begrünung heizen sich die Dachflächen im Sommer oft bis zu 80° Celsius auf und tragen dann wesentlich zur Überhitzung der Städte bei. Begrünte Dachflächen bleiben wesentlich kälter und schützen darüber hinaus auch die Dachabdichtung vor Verschleiß und verlängern insgesamt die Lebensdauer der Dächer. Zurzeit beteiligt sich die Goethe-Universität zusammen mit dem Botanischen Garten in Frankfurt an einem Forschungsprojekt (‚Projekt lebendige Dächer am Botanischen Garten der Stadt Frankfurt am Main‘) zur Optimierung, insbesondere der extensiven Dachbegrünungen. Gerade die Trockenstandorte sind es nämlich, die für bestimmte Pflanzen, zum Beispiel auch Orchideen, zur Entwicklung und Verbreitung sehr wichtig sind.“

ZAHLEN UND FAKTEN ZUM GEBÄUDE

Das SKW ist einer der letzten großen Bausteine auf dem Campus Westend, mit einer Bruttogeschossfläche von 28 000 Quadratmetern. Für die Baugrube des Baus fielen rund 50 000 Kubikmeter Erdaushub an, das entspricht ungefähr 2500 LKW-Ladungen. Neben einer Bereichsbibliothek, Werkstätten, Ateliers, einer Cafeteria und einer Tiefgarage mit über 240 Stell- plätzen beherbergt das Gebäude auch noch einen ovalen Hörsaal, der Platz bietet für 700 Personen. Einziehen in das Gebäude werden die Fächer der Sprach- und Kulturwissenschaften, die bislang noch am Campus Bockenheim ansässig waren. Dazu zählen unter anderem die Kunstgeschichte u. Kunstpädagogik, Musikwissenschaften, außereuropäische Sprachen, Empirische Sprachwissenschaften und Judaistik. Insgesamt studieren ca. 3000 Studierende am Fachbereich, der damit größer ist, als die Bezeichnung „Kleine Fächer“ suggeriert. Untergebracht werden im SKW auch noch andere Nutzungsbereiche, zum Beispiel die Akademie für Bildungsforschung (ABL), das Prüfungsamt Geistes-, Kultur- und Sportwissenschaften (ehemals PhilProm), das Studierendenwerk und Teile des Hochschulrechenzentrums. Das Gebäude wurde vom Land Hessen, vertreten durch den LBIH (Landesbetrieb Bauen und Immobilien in Hessen), für die Goethe-Universität errichtet; es übertrifft die gesetzlich geforderten Standards zur Energieeinsparung und wird in Kürze auch mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet; der sichere und nachhaltige Gebäudebetrieb wird durch das Immobilienmanagement der Universität fachkundig gewährleistet.

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