Lieber Herr Fleisch, die Bezeichnung »Kleine Fächer« klingt etwas verniedlichend – fühlt man sich als Afrikanist als Teil einer »kleinen Disziplin«? Oder gar eines »Orchideenfachs«?
Ich habe einige Zeit in Finnland Afrikanistik gelehrt und dort werden im universitären Kontext Arabisch, Japanisch, Chinesisch und Hindi als „Kleine Sprachen“ bezeichnet. Da wird ganz deutlich, dass „klein“ nicht immer die Inhalte eines Faches beschreibt. Im Falle meines Fachs, der Afrikanistik, geht es immerhin um ca. 2 000 Sprachen und das Kulturschaffen eines ganzen Kontinents. Tatsache ist natürlich, dass gemessen an der Zahl der Standorte und der Professuren die Afrikanistik ein kleines Fach ist, womit ich keine Probleme habe. Beim Begriff „Orchideenfach“ hingegen schon eher, denn dieses Bild verbinde ich mit exotisch, selten und ohne besonderen Schutz nicht überlebensfähig. Gerade als Afrikanist reagiere ich auf die Zuschreibung „exotisch“ sehr allergisch, denn wir wollen ja gerade dem Stereotyp des „Andersartigen“ entgegenarbeiten und stattdessen den Kontakt über sprachliche und kulturelle Grenzen im Sinne einer Interkulturalität stärken.
Vielfalt und Spezialisierung in Forschung und Lehre wird man sicherlich auch in den »großen Fächern« finden. Warum macht es aber Sinn, dass Fächer von Afrikanistik über Judaistik und Lusitanistik bis hin zur Theaterwissenschaft sich zusammenschließen und auf ihre Sichtbarkeit und Bedeutung hinweisen?
In der derzeitigen Konstellation sind die in der AG an der Goethe-Universität zusammengeschlossenen Fächer ja allesamt geistes- und kulturwissenschaftlich ausgerichtet, das ist schon eine deutliche Gemeinsamkeit, mit vergleichbaren Forschungsinteressen und methodischen Gemeinsamkeiten. Aber vor allem sind es natürlich auch die Studierenden, die in Haupt- und Nebenfach oft die Fächer kombinieren und somit auch manchmal in verschiedenen Zusammenhängen der „Kleinen Fächer“ stecken. Überhaupt ist natürlich die Werbung um Studierende ein gemeinsames Anliegen, das wir auch fächerübergreifend angehen können, denn wir stehen manchmal vor ähnlichen Schwierigkeiten. Die „großen Fächer“ haben natürlich ganz andere Probleme – Probleme, die vor allem auch mit der hohen Zahl der Studierenden und dem schlechten Betreuungsschlüssel zusammenhängen. Wir haben zwar in unseren Fächern auf den ersten Blick ein gutes Betreuungsverhältnis, aber bei genauem Hinsehen gemessen an der Breite der zu vermittelnden Themen und der Aufgaben eine recht dünne Personaldecke.
Wie schätzen Sie denn die beruflichen Perspektiven in den »Kleinen Fächern« ein?
Abiturientinnen und Abiturienten neigen heute oft dazu, vielleicht unter dem Eindruck von sich rasant verändernden Arbeitsmärkten und unsicheren Zukunftsaussichten, bei der Wahl des Studiums eher auf Nummer sicher zu gehen, sie studieren daher lieber ein Massenfach. Ein halbherzig studiertes Mainstreamfach ist aber sicherlich nicht immer der richtige Weg. Dann sollte man lieber seinen Interessen folgen und stattdessen sein Profil stärken. Wir haben im Austausch mit Personalchefs kürzlich vernommen, dass man es durchaus zu schätzen weiß, wenn Studierende nicht einfach nur schnell die Module durchstudieren, sondern den Mut haben, sich ein eigenes Profil und Netzwerke aufzubauen. Ellenbogendenken und Einzelkämpfertum führt heute nicht weiter. Auch im Hinblick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit muss man im Team arbeiten und kooperativ denken können.
Welche Erwartung haben die Vertreterinnen und Vertreter der »Kleinen Fächer« an der Goethe-Universität hinsichtlich der »Kleine-Fächer«-Wochen?
Einerseits natürlich die Hoffnung, dass ein möglichst breites Publikum an möglichst vielen Veranstaltungen teilnimmt. Wer sich in Frankfurt interessiert, ist herzlich eingeladen, vielleicht und hoffentlich auch Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen. Wir möchten gerne ein Bewusstsein dafür schaffen, dass diese sogenannten „Kleinen Fächer“ eben keine Randerscheinungen abbilden. Die Themen, denen sich diese Disziplinen widmen, sind aktuell und brisant. Hinweisen kann man auch darauf, dass die „Kleinen Fächer“ auch beim Einwerben von Drittmitteln vergleichsweise gut dastehen. Man spricht ja heute sehr viel von Diversität; die „Kleinen Fächer“ etwas stärker in den Fokus zu rücken, wäre auch eine Form der Profilbildung für die Universitäten.
Fragen: Dirk Frank
Dieses Interview ist erschienen im UniReport 6.19
Der UniReport 6/2019 steht zum kostenlosen Download bereit unter www.unireport.info/aktuelle-ausgabe
Außerdem liegt die neue Ausgabe des UniReport an sechs Standorten in „Dispensern“ aus: Campus Westend – Gebäude PA, im Foyer / Treppenaufgang; Hörsaalzentrum, Ladenzeile; Gebäude PEG, Foyer; Gebäude RuW, Foyer; House of Finance, Foyer. Campus Riedberg – Gebäude N, Foyer vor Mensaeingang.