Studieren mit Skyline-Blick

Universitätsklinikum Frankfurt; Foto: Lecher
Universitätsklinikum Frankfurt; Foto: Lecher

Bagger, Baugruben und Baukräne prägen derzeit das Bild des Universitätsklinikums am Niederräder Ufer. Dass Campus und Klinik ihr Gesicht verändern, haben sie im Laufe ihrer Geschichte allerdings schon oft getan. „Es ist unglaublich, was man hier entdecken kann, wenn man mit offenen Augen über dieses Gelände geht“, sagt Ralph Demant. Er hat die Hände tief in den Jackentaschen vergraben und schlendert über den Campus.

Während andere Neugierige an den Baustellen stehenbleiben und der Zukunft beim Wachsen zusehen, ist der Blick von Ralph Demant in die Vergangenheit gerichtet. „Hinter der Frauenheilkunde in Haus 15 liegt der sichtbare Teil eines alten Operationsbunkers“, sagt er und deutet auf einen Betonsockel, auf dem derzeit Baucontainer platziert sind. Der 1943 erbaute Bunker diente schon als Lazarett und wurde später als Poliklinik der Chirurgie genutzt. Seit 2012 steht er unter Denkmalschutz.

„Die wenigsten wissen, dass dies ein Bunker ist“, sagt Demant. „Und noch weniger Leute wissen, dass 1972 der RAF-Terrorist Andreas Baader darin behandelt wurde, nachdem er bei seiner Festnahme im Nordend angeschossen wurde.“

Der Campus Niederrad ist für den passionierten Hobbyhistoriker Ralph Demant eine historische Fundgrube, auf die ihn die Tochter seiner Lebensgefährtin aufmerksam machte, die im Klinikum arbeitete. Seitdem stöberte er in Büchern, Archiven und im Internet und erkundete die Vergangenheit des Geländes. Seit einigen Monaten bietet er für interessierte Bürger einen historischen Stadtspaziergang über das Areal an.

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Foto: Dettmar

Stele zu Ehren eines Retters

Mit einer Stele vor dem Hauptgebäude des Universitätsklinikums erinnert die Universität an den beherzten Einsatz des Neuropathologen Philipp Schwartz. Selbst ein Verfolgter, entging er am 23. März 1933 nur knapp der Verhaftung und flüchtete unmittelbar nach Zürich. Hier begründete der Frankfurter Pathologieprofessor die „Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland“. Bei der Einweihungsfeier der Stele am 24. November nannte der Dekan des Fachbereichs Humanmedizin, Prof. Pfeilschifter, Philipp Schwartz eine „Lichtgestalt in der dunkelsten Epoche deutscher Geschichte“.
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Der historische Blick

Die Spuren der Vergangenheit sind auch um das Rosengärtchen herum gut sichtbar. Die Gebäude um die Grünanlage, in denen heute u. a. die HNO-Klinik eingerichtet ist, gehören zur alten Bausubstanz, in der ab dem Ende des 19. Jahrhunderts das städtische Klinikum untergebracht war. Die Stadt Frankfurt hatte sich unter Oberbürgermeister Johannes von Miquel 1881 dafür entschieden, das neue Städtische Krankenhaus in Sachsenhausen zu errichten.

Im Gegensatz zum Röderbergweg, der für den Neubau eines Klinikums auch in Betracht kam, war die Stadt bereits Eigentümer des Geländes am Niederräder Ufer. Die ersten errichteten Krankenhausgebäude waren 1884 das Gebäude für Haut- und Geschlechtskrankheiten, der Isolierpavillon, das Wirtschaftsgebäude und ein Leichenhaus. Es folgten die Verwaltungsgebäude, das Ärztekasino und die Apotheke, die Klinik für Hautkranke, das pathologische Institut, Frauenklinik und Carolinum.

1914 wurde die Frankfurter Stiftungsuniversität gegründet und Klinik und Lehrbetrieb auf dem Gelände verbunden. Dies ist bis heute so. In der Universitätsklinik werden nicht nur Patienten behandelt und Krankheiten erforscht, sondern auch angehende Ärzte ausgebildet. Auf dem Campus Niederrad, der mit dem Gelände des Klinikums verschmilzt, liegen Hörsaalgebäude und Krankenzimmer Haus an Haus.

Die Vereinbarkeit von Klinikbetrieb und Medizinstudium auf dem Gelände zu optimieren war u. a. Teil des Masterplans für die großangelegten Bauarbeiten, die seit 2007 das Bild des Klinikums prägen. Der eigentliche Grund für die Kernsanierung waren Asbestbefunde im Zentralhaus 23, Brandschutzdefizite und die im Laufe der Zeit notwendig gewordene Erneuerung der betriebstechnischen Anlagen.

Bei dieser Gelegenheit sollte im selben Zuge die Patientenversorgung verbessert und das Areal baulich zum Campuszentrum verdichtet werden. Der erste Bauabschnitt, die Sanierung und Erweiterung des Zentralgebäudes Haus 23, wurde erst Ende Juni 2014 nach sechs Jahren Bauzeit abgeschlossen.

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[vc_toggle title=”Medizinstudium in der Historie” style=”square” el_id=”1446040522748-fab84964-25f2″ css=”.vc_custom_1446052456701{margin-top: 20px !important;}”]Bereits vor der Gründung der heutigen Goethe-Universität wurden in Frankfurt Ärzte ausgebildet. 1812 gründete Karl Theodor von Dalberg eine großherzogliche Universität mit einer medizinischen Hochschule. Im „Lyzeum Carolinum“ mussten Studierende zunächst eine zweijährige Grundausbildung in Geschichte, Philosophie, Mathematik und Naturlehre durchlaufen. Dies sollte sie auf eine Spezialisierung für die juristische oder medizinische Fakultät vorbereiten. Danach erfolgte entweder eine juristische Ausbildung am Sitz des ehemaligen Reichskammergerichts in Wetzlar oder eine medizinisch-chirurgische Ausbildung. Diese war an der Senckenbergischen Stiftung in Frankfurt angesiedelt. Die 1793 von Johann Christan Senckenberg gegründete Stiftung finanzierte neben dem Medizinischen Institut und dem Bau des Bürgerhospitals u.a. auch die erste Frankfurter Anatomie. Der erste Körper, der dort obduziert wurde, war Senckenberg selbst, der bei einem Unfall auf der Baustelle des Bürgerhospitals ums Leben gekommen war. Das „Lyzeum Carolinum“ nahm 1812 den Lehrbetrieb auf, wurde aber bereits zwei Jahre später durch den Vormarsch Napoleons wieder geschlossen. Hundert Jahre später wurde schließlich die Frankfurter Stiftungsuniversität gegründet.[/vc_toggle]

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Qualitätszentrum

„Unser Konzept ist die Konzentration“, sagt Diplomingenieur Hans Dieter Möller, Dezernent für bauliche Entwicklung am Klinikum der Goethe Universität. „Alle somatischen Bereiche des Klinikums werden baulich miteinander verbunden, so dass kein Patient für eine interdisziplinäre Behandlung das Gebäude verlassen muss. Wir sind für eine Medizin der kurzen Wege. Das ist in Deutschland einzigartig.“

Neben der Konzentration der Patientenbehandlung sieht der Masterplan auch vor, dass die Bereiche Forschung und Lehre konzentriert um das Zentralgebäude herum angesiedelt werden. Klar voneinander abgegrenzte Strukturen sollen Patienten, Besuchern und jungen Studierenden die Orientierung auf dem Gelände erleichtern und verhindern, dass sich die einen ungewollt in die Bereiche der anderen verirren.

„Ich finde es sehr bereichernd, dass Klinikbetrieb, Forschung und Lehre auf dem Gelände Hand in Hand gehen“, sagt Hans Dieter Möller. „Den Patienten steht der dynamische Bereich der jungen Studierenden gegenüber. Damit sind die Patienten nicht nur von anderen Kranken umgeben.“

Raum für Studierende

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Anna Allafi; Foto: Melanie Gärtner

Eine der Studierenden ist Anna Allafi, die mit dem Fahrrad über den Campus saust. Sie ist im 9. Semester und hat viel zu tun. „In den ersten vier vorklinischen Semestern war ich jeden Tag hier auf dem Campus“, sagt sie und schließt ihr Fahrrad ab. „Im Moment habe ich weniger Vorlesungen, muss dafür aber viel lernen. Da arbeite ich lieber von zu Hause aus – bei den vielen Baustellen ist es mir auf dem Campus oft zu unruhig.“ Die Bauarbeiten am Universitätsklinikum betreffen auch die Bereiche der Studierenden.

Direkt neben der Bibliothek befindet sich eine große Baustelle. Das Hörsaalgebäude wurde durch einen Interimshörsaal ersetzt und das Studierendenhaus KOMM abgerissen. „Es gab im letzten Jahr kaum Raum für uns“, sagt Anna, die sich zum Lernen entweder nach Hause oder auf einen anderen Campus der Goethe-Universität zurückzieht. „Neben der Bibliothek und dem Lernstudio gab es im letzten Jahr wenig Gelegenheit, sich zum Lernen zusammenzusetzen.

Die alte Wäscherei, in der das Studierendenhaus übergangsweise untergebracht wurde, war zwar super für Partys, aber tagsüber kein angenehmer Aufenthaltsort.“ Auch wenn die Baumaßnahmen den Alltag auf dem Campus im ersten Moment erschweren, werden sie in Zukunft doch dafür sorgen, dass sich die Studienbedingungen verbessern. Die Baustelle zwischen Haus 9 und 10, die in unmittelbarer Nähe zur Bibliothek für Unruhe sorgte, wird zukünftig das Medikum beherbergen.

In dem Lernund Prüfungszentrum werden Studierende in authentischen Lernsituationen und direkt auf dem Campus auf den klinischen Betrieb und auf den Umgang mit dem Patienten vorbereitet werden können. Statt dem Interimshörsaalgebäude wird ein neu entstehendes Audimax in Zukunft 550 Studierenden, also einem ganzen Jahrgang, Platz bieten. Das modernisierte Wirtschaftsgebäude mit Patienten- und Mitarbeiterküche wird einen Speisesaal mit Außensitzbereich und eine Cafeteria haben.

Das neue KOMM-Zentrum für die Studierenden wurde bereits fertiggestellt und im Juli eingeweiht. Das Gebäude wird derzeit noch eingerichtet, soll aber auf dem Campus mehr Raum für studentisches Leben wie Bücherflohmärkte oder kulturelle Aktivitäten bieten. „Es ist wirklich toll, dass der Neubau des Hauses nun doch so schnell ging“, sagt Anna, die es sich mittlerweile auf einem Sofa im KOMM gemütlich gemacht hat. „Das wird richtig schön hier. Jetzt haben wir wieder einen Ort, an dem man sich ungezwungen zusammensetzen kann.“

Cityklinik

Neben der unmittelbaren Nähe zum Mainufer und dem begehrten Blick auf die Frankfurter Skyline ist es vor allem die zentrale Lage, die den Standort am Niederräder Ufer so attraktiv macht. „Das Uniklinikum ist hervorragend in die städtische Versorgung eingebunden“, sagt Hans Dieter Möller. „Vom Hauptbahnhof sind es mit der Straßenbahn nur etwa zehn Minuten Fahrtzeit. Das ist für Patienten wichtig, besonders aber auch für Studierende, die aufgrund der Wohnraumsituation pendeln müssen.“

Der Campus mit der privilegierten Lage soll in Zukunft nicht nur durch die Umbauten aufgewertet werden. Auf dem Platz des ehemaligen Parkplatzes vor dem Zentralgebäude wird eine Grünanlage entstehen. „Es soll auf dem Gelände einen öffentlichen Raum geben, an dem man sich gerne aufhält“, sagt Hans Dieter Möller. „Dieser Bereich wird die Möglichkeit bieten, dass sowohl Patienten, Mitarbeiter und Studierende sich begegnen und austauschen können.“

Stätte der Begegnung

Carolina Roldán; Foto: Melanie Gärtner
Carolina Roldán; Foto: Melanie Gärtner

Mehr Raum für Begegnung ist auch etwas, worüber sich Dr. Carolina Roldán sehr freut. Die Wissenschaftlerin aus Chile ist auf dem Weg ins Carolinum, dem Zentrum für

Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Erst vor wenigen Wochen hat sie hier die Disputation ihrer Doktorarbeit bestritten. 2008 forschte sie in Frankfurt mit einem Stipendium zur wissenschaftlichen Aus- und Fortbildung in Deutschland über Schluckmuster und arbeitete danach an der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik an ihrer Promotion.

„Als ich noch neu in Frankfurt war, hatte ich Schwierigkeiten, mich auf dem Campus zu orientieren. Die verschiedenen Fakultäten liegen so verstreut“, sagt sie. „Wenn man hier studiert hat, ist das sicher anders. Dann durchläuft man verschiedene Abteilungen und kann viele Kontakte knüpfen.“ Die Zahnärztin hat in ihrer Laufbahn international bereits an Universitäten wie der Universidad de Chile in Santiago oder der Cairo University in Ägypten gearbeitet.

„Für meinen Forschungsansatz ist ein interdisziplinärer Austausch sehr wichtig“, sagt sie. „Ich finde es daher großartig, dass es in Zukunft auf dem Campus mehr Raum geben soll, in dem man Kollegen aus anderen Fachbereichen begegnen kann.“ [Autorin: Melanie Gärtner]

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Infos zum historischen Rundgang über das Gelände des Klinikums: www.historischer-stadtspaziergang-frankfurt.de

Dieser Artikel ist in der Ausgabe (6-14) des UniReport erschienen: [PDF-Download]

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