Das soziale Rückgrat der Universität

100 Jahre Studierendenwerk Frankfurt am Main

Die Wohnheime des Studierendenwerks sorgen seit 100 Jahren dafür, dass Studierende im Rhein-Main-Gebiet gut und bezahlbar wohnen können.

Die Idee, mit der alles begann, hat auch nach 100 Jahren nichts an Aktualität verloren: Das Studierendenwerk hilft Studierenden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren – auf das Studium. Mensen, Wohnheime, Kitas, Beratungsstellen, Kochkurse u.v.m.: Das Studierendenwerk kümmert sich. Ein Blick in die Vergangenheit bis in die Gegenwart zeigt die bewegte Geschichte – und bewegende Geschichten von Alumni.

Im Jahr 1923 sind Wohnungen und Zimmer rar. Essen, Kleidung, Schreibutensilien und Bücher sind aufgrund der hohen Inflation kaum noch erschwinglich, was ein Studium für viele erschwert und für manche sogar unmöglich macht. Dieser Umstand, der auch heute wieder oder immer noch Realität ist, führte bereits vor 100 Jahren zur Gründung des »Studentenhilfe Frankfurt a/M. e.V.«, aus dem das heutige Studierendenwerk Frankfurt am Main hervorging.

Kompott, Toast Hawaii, Fischstäbchen – Mensa-Gerichte unterliegen Zeitgeist

»Ich fand das Mensa-Essen lecker.«
Heike Borufka, Journalistin & Autorin, Gerichtsreporterin
des Hessischen Rundfunks

1923 übernahm die Studentenhilfe die erste Mensa, im Mai 1924 – in Frankfurt am Main – eröffnete das erste Studierendenwohnheim. Wirtschaftlich rentabel wurde die Mensa allerdings erst im Sommersemester 1935, was neben einer Neuorganisation nicht zuletzt einem geschickt neben dem Eingang der Universität platzierten »Cigarettenverkaufsautomat« zu verdanken war. 100 Jahre später ist aus dem Verein eine Institution mit rund 400 Beschäftigten, einem mittlerweile sechs Hochschulen umfassenden Netz mit 30 Mensen, Cafeterien und Cafés und 34 Wohnheimen mit über 3.700 Plätzen für Studierende geworden. Und nicht nur das: Das Studierendenwerk ist heute eine Service-Einrichtung mit einem umfangreichen Angebot – einem BAföG-Amt mit bearbeiteten Anträgen im fünfstelligen Bereich und einem breiten Beratungsangebot inklusive einer Psychosozialberatung, das jährlich viele Tausend Studierende wahrnehmen.

Gulasch, Partys, Lebenspartner

»Ohne Studium wäre ich niemals die geworden, die ich bin.«
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Politikerin & Bundesministerin a.D.

Zentral beteiligt sind bei dieser Entwicklung neben den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Studierendenwerks natürlich vor allem die Studierenden selbst, die diese Angebote in Anspruch nehmen. In den vergangenen 100 Jahren haben die sechs hessischen Hochschulen, die vom Studierendenwerk unterstützt werden, einige teils prominente Alumni hervorgebracht, die bewegende Ereignisse ihres Lebens unmittelbar mit dieser Institution verbinden. Wir haben einige ehemalige Studierende zu ihren Erfahrungen mit dem Studierendenwerk befragt und die Alumni plauderten für uns exklusiv aus dem Nähkästchen:

»Während meines Studiums Anfang der 90er Jahre aß ich nahezu täglich in der Mensa, denn das gute Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugte mich, gerade weil ich damals BAföG bezog«, so der Facharzt für Innere Medizin, Notfall- und Reisemedizin Dr. Frank Schütz. »Einmal saß ich zusammen mit Kommilitonen beim Essen, und wir sezierten ein halbes Hähnchen und verglichen mit anatomischen Präparaten. Dies führte dazu, dass die fachfremden Studenten plötzlich fluchtartig unseren Tisch verließen.« Mit den Wohnheimen assoziiert der 59-Jährige grandiose Partys, über die allerdings »lebenslange Schweigepflicht« herrsche.

Studierende sind notorisch knapp bei Kasse – heute wie vor 100 Jahren. Die Jobvermittlung ist daher seit jeher fester Bestandteil der Angebote des Studierendenwerks.

Beim heutigen Ehepaar Dr. Sven Köppel und Dr. Antje Peters wiederum spielte nicht ein gewisses Essen, sondern eine Cafeteria eine erhebliche Rolle in ihrer Beziehung zum Studierendenwerk. Vor knapp elf Jahren wollten die frisch liierten Jungphysiker einen Ausflug zum verschneiten Großen Feldberg machen. Der Plan stand schnell fest, wie die beiden verschmitzt erzählen: »Im ‚Darwins‘ am Campus Riedberg holten wir drei Geschirrtabletts, die ja diesen unverkennbaren Aufdruck haben, aber gaben nach dem Essen erstmal nur eins zurück. Denn wir wollten die beiden anderen zum Rodeln benutzen!« Dank der glatten Unterseite nehmen diese Tabletts auf dem Schnee schnell Tempo auf, freuen sich Köppel und Peters noch heute über den Fahrspaß.

Für die heimliche Leihe bedankten sie sich beim »Darwins«-Team: »Noch vor Mensa-Schluss legten wir beide Tabletts wieder auf das Förderband, natürlich mit einem Weihnachtsgeschenk und einer Flasche Sekt!« Sowieso seien die Mitarbeiter stets gut gelaunt und freundlich gewesen – und das Essen exzellent und erschwinglich. Besonders lecker fanden wir die vegetarischen Wokgerichte, das Sojaragout und den Kichererbseneintopf. Inzwischen lebt das Ehepaar mit den beiden Töchtern in Münster (Westfalen), aber bei jedem Besuch in Frankfurt gehört eine Stippvisite im »Darwins« zum Pflichtprogramm.

Heike Borufka (58) studierte in den 80er Jahren Anglistik, Amerikanistik, Theater- und Filmwissenschaften. Auf dem weitläufigen Campus Bockenheim kannte sie sich bestens aus: »Für mein Hauptfach Anglistik war ich eher im Kettenhofweg, und Amerikanistik war gegenüber; Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften fand im AfE-Turm statt. Da meine beste Freundin Jura studiert hat, habe ich mich allerdings häufiger im Juridicum getroffen, und in unseren freien Stunden waren wir dann auch auf dem Campus, beim KoZ, sowie in den Cafés drumherum.« Als echte Frankfurterin wohnte und aß sie zu Hause. Zu ihrem Bedauern erlebte sie deshalb keine Wohnheimpartys. Mensa-Essen war eine Ausnahme, das sie mochte: Gulasch mit viel brauner Soße, Geschnetzeltes mit Spätzle und Soße isst die umtriebige Reporterin noch heute gerne in Kantinen.

»Das Studierendenwerk trägt einen großen Teil zur Attraktivität des Standorts bei.« Prof. Michael Groß, Germanist und Medienwissenschaftler, Dozent für »Digital Leadership« an der Goethe-Universität

Die heute 80-Jährige Heidemarie Wieczorek-Zeul war von 1998 bis 2009 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, doch auch viele, die nicht auf einer solch großen Bühne agierten, haben ihre Studienjahre an der Goethe-Universität und so manche Anekdoten gut im Gedächtnis. Die Politikerin ist noch heute dankbar, dass sie aufgrund der finanziellen Förderung durch das Honnefer Modell, das dem BAföG vorausging, überhaupt – Englisch und Geschichte auf Lehramt – studieren konnte. Und dass sie 1962 in der Cafeteria ihren Mann kennenlernte, zählt zu ihren schönsten Erinnerungen.

Viel erklären musste Prof. Michael Groß, als er in den 80er Jahren sowohl – Germanistik und Medienwissenschaften – studierte als auch im Schwimmen zahlreiche Rekorde aufstellte und mehrere olympische (Gold-)Medaillen gewann. »Damals war ich bekannt wie ein bunter Hund und wurde oft verwundert gefragt, was ich denn an der Uni mache. Letztlich bin ich ja nur ‚hobbymäßig‘ geschwommen, wenngleich zufälligerweise halt wesentlich schneller als alle anderen.« Heute kann er weitestgehend unbehelligt in der Mensa essen gehen, was er auch immer mal tut, denn seit 2015 hat der ehemalige »Albatros« an der Goethe-Uni einen Lehrauftrag für »Digital Leadership« inne. Er schätzt nicht nur die hohe Qualität der Verpflegung, sondern die insgesamt hochwertige Arbeit des Studierendenwerks, »die dazu beiträgt, die Infrastruktur mit Leben zu füllen und den Standort attraktiv zu machen«.

Heike Jüngst, Sylvia Kobus, Stephanie Kreuzer

Bewegte Geschichte, bewegende Geschichten

In einer brandneuen Chronik wurde die 100-jährige Geschichte des Studierendenwerks Frankfurt am Main zusammengefasst. Diese Chronik ist im Buchhandel erhältlich oder über das Studierendenwerk Frankfurt am Main prsm@swffm.de. Sie können das Buch auch gewinnen. Wir verlosen zehn Exemplare, verbunden mit der Preisfrage: „In welchem Jahr löste Porzellangeschirr das Einweggeschirr in den Mensen ab?“ Die Antwort schicken Sie bis zum 29. Februar 2024 an alumni@uni-frankfurt.de.

In weiteren Erinnerungen schwelgen können Sie im Blog des Studierendenwerks tun.

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