Museumsmacherin der Zukunft: Ina Neddermeyer im Porträt
Das Museum Giersch der Goethe-Universität (MGGU) hat seit 1. Januar eine neue Direktorin: Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Ina Neddermeyer übernahm zum Jahresbeginn die Leitung des Hauses am Schaumainkai. Ursprünglich als Museum regionaler Kunst eröffnet, erweiterte das MGGU seit der Eingliederung in die Universität 2015 sein Ausstellungsprogramm um Themen aus Forschung und Lehre der Universität. Ina Neddermeyer möchte Kunst und wissenschaftlichen Diskurs noch stärker zusammenbringen und das Haus in der einmaligen Museumsdichte am Mainufer gesellschaftspolitischer ausrichten.
Eine Ausstellung zur Geschichte des Fahrrads mit Humangeografen, Schwarze Löcher und kosmische Galaxien ins Bild setzen mit Astrophysikern – Ina Neddermeyer kann sich vielschichtige Kooperationen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorstellen für das von ihr geführte MGGU: »Ob Bilder, Objekte, Multimedia-Installationen: Es geht darum, gemeinsam mit Fachbereichen oder Instituten entwickelte Ideen in neue Formen der Darstellung und Vermittlung zu übersetzen.« Künstlerische Positionen könnten gewissermaßen als ästhetische Form des Forschens fungieren; Artist Residencies, also Künstlerinnen und Künstler, die vor Ort mit Wissenschaftlern der Goethe- Universität zusammenarbeiten. Die 39-Jährige denkt und arbeitet interdisziplinär. Mit Erfolg: Bevor sie nach Frankfurt kam, leitete sie die Kunstabteilung im interdisziplinär ausgerichteten Zeppelin Museum Friedrichshafen – ein Publikumsmagnet am Bodensee.
Kunst braucht Haltung
Ina Neddermeyer studierte Politik am ebenso renommierten wie legendären »OSI«, dem Otto-Suhr-Institut an der Freien Universität Berlin. »Das war mir aber einfach zu wenig, um die Welt zu verstehen«, erzählt Ina Neddermeyer. Ihre Eltern, der Vater Mathematiker, die Mutter Halbleiterphysikerin, teilen die Dinge eher in »Richtig oder Falsch«, in »Schwarz oder Weiß«. Das läge in der Natur dieser Berufe. Sie liebte es jedoch schon als Kind, die Weltenläufe in all ihren Schattierungen zu betrachten. Deshalb ergänzte sie die Politikwissenschaften um ein Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität und Florenz. »Kunst muss sich mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen auseinandersetzen und umgekehrt«, sagt Neddermeyer. Spannend findet sie es, die Schnittstellen zu finden und über diese etwas Neues zu etablieren.
Kunst im gesamtgesellschaftlichen Kontext verorten
Ina Neddermeyer gehört zu der neuen Generation von Museumsdirektorinnen und -direktoren, die die von ihnen geleiteten Institutionen offener, demokratischer, integrativer und experimenteller führen. »Um ein breiteres Publikum anzusprechen, muss man verstehen, welche gesellschaftspolitischen Themen die Menschen gerade umtreiben. Klimawandel, Kriege, Verkehrswende, Finanzkrise – Ausstellungskonzepte sollte man an die Erlebenswelten der Besucher anbinden. Das erleichtert ihnen den Zugang zu Museen «, davon ist Ina Neddermeyer überzeugt. Die übernächste Ausstellung des MGGU im Winter 2024/2025 etwa befasse sich mit dem Thema »Wohnen«. Darin finde sich jeder wieder. Konzeptionell gehe es darum, Kunstinstitutionen erfahrungsorientierter, technologisch versierter und kulturell polyphoner zu machen, so Neddermeyer. Die Türen zur Kunst im MGGU weit zu öffnen, versteht sie dabei als Teamleistung: »Die Kompetenz, Leidenschaft und das Engagement aller Mitarbeiter*innen hier machen die Qualität unseres Hauses aus.« So passt es zum kooperativen Führungsstil Ina Neddermeyers, dass etwa der Haustechniker während der Frankfurter Langen Nacht der Museen am Schlagzeug seiner Band sitzt. Im Museum Giersch der Goethe-Universität.
Autorin: Heike Jüngst