Serie Seniorprofessuren / Prof. Manfred Schliwa im Interview

Wer sind eigentlich die knapp 30 Seniorprofessorinnen und –professoren an der Goethe-Universität, die sich auch nach ihrer Pensionierung noch in der Lehre engagieren? In einer mehrteiligen Serie werden sie hier vorgestellt. 

Um die Betreuungsrelationen zu verbessern und ein zusätzliches hochqualifiziertes Lehrangebot anbieten zu können, besteht seit Ende 2009 an der Goethe-Universität die Möglichkeit, Seniorprofessuren einzurichten. Pensionierte oder emeritierte Professorinnen und Professoren der Goethe-Universität oder anderer Universitäten mit ausgewiesener Lehrkompetenz kommen für eine Seniorprofessur infrage und können somit auch nach ihrer Pensionierung weiterhin in der Lehre tätig sein. Das Lehrdeputat liegt zwischen vier und acht Semesterwochenstunden und schließt die Verpflichtung zu prüfen ein.

Teil 13 – Prof. Manfred Schliwa

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Prof. Manfred Schliwa (72) ist seit 2011 Seniorprofessor am Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft der Goethe-Universität. Sein Lehrdeputat beträgt zwei bis vier Semesterwochenstunden.

 

 

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Herr Prof. Schliwa, wie kam es zu der Entscheidung für eine Seniorprofessur und was war Ihre Motivation, sich für weitere Lehrjahre an der Goethe-Uni zu entschieden, statt ihre freie Zeit zu genießen?

Ich wurde 2011 an der Medizinischen Fakultät der LMU München pensioniert. Dort habe ich mich neben meinen Lehrverpflichtungen in der Vorklinik viele Jahre freiwillig an der Lehre im Fachbereich Biologie beteiligen dürfen. Das muss wohl nicht so übel gewesen sein, sodass ich durch eine Kollegin der Fakultät für Biologie an der Goethe-Universität die Chance erhielt, eine Seniorprofessur im Masterstudiengang Zellbiologie (jetzt Physical Biology of Cells and Cell Interactions) anzutreten. Dort beteilige ich mich an Vorlesungen, Seminaren, Praktika und der Betreuung von Semesterarbeiten. Es war eine sehr leichte Entscheidung für mich, weil ich die Begeisterung für mein Fachgebiet zu wecken versuche. Außerdem habe ich in Frankfurt studiert und promoviert – es war also auch eine Rückkehr an die Stätte, der ich den Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn verdanke.

Gab es Situationen, in denen Sie Ihre Entscheidung bereut haben?
Never!

Büro vs. Homeoffice, Gehalt vs. Rente, junge Kollegen vs.Senioren – wie haben sich die Rahmenbedingungen für Sie verändert?

Nicht einschneidend. Ich habe immer auch zu Hause gearbeitet, mit der Pension komme ich gut aus, und meine Kolleginnen und Kollegen waren immer eine Mischung aus jung und alt. Als Seniorprofessor ist man zwar kein Mitglied der Fakultät, aber auch in meiner „Randposition“ werden mir viele Möglichkeiten geboten, am Fakultätsleben teilzuhaben.

Wenn Sie an Ihre allererste Vorlesung als Dozent zurückdenken und sie mit heute vergleichen: Was hat sich für Sie grundlegend in Ihrer Lehrtätigkeit gewandelt?

Meine Erstanstellung als Professor war an der University of California Berkeley. Die Anforderungen waren sehr hoch und ich war unerfahren. Ein Kollege, gebürtiger Brite, bezeichnete meine erste Vorlesung als „somewhat stiff“. Und das von einem Briten. Es muss also ziemlich hölzern gewesen sein. Aber schon im zweiten Jahr hatte ich mir die amerikanische Lockerheit besser zu eigen gemacht und habe seitdem ständig versucht, mich zu verbessern. Ein gravierender Unterschied zu meinen Anfangsjahren sind die Methoden der audiovisuellen Präsentation. Powerpoint – richtig eingesetzt – verschafft ungeheure Freiheiten gegenüber Dia und Wandtafel.

Ich hatte das Glück, in meinem Büro in Berkeley ein Repro-Gerät zur ständigen Verfügung zu haben, sodass ich mittels eines Schnell-Umkehrfilms (von dem ich eine große Rolle aus Deutschland mitgebracht habe – in den USA gab es diesen Film nicht) in einer Stunde ein Dia herstellen konnte. Oft habe ich auf dem Weg zur Vorlesung das noch feuchte Dia quasi im Fahrtwind getrocknet. Das war schon ein enormer Vorteil gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen, um spontane Einfälle auch kurzfristig noch visuell umzusetzen. Aber heute ist das noch viel einfacher. Im Übrigen sind die wichtigsten Anforderungen an Lehrende immer noch die gleichen: Begeisterung wecken, Neugier anstacheln, Fragen provozieren.

Wenn Sie an Ihre Zuhörer von heute und damals denken: Wie hat sich das Bild der Studierenden verändert, das Sie wahrnehmen, wenn Sie in den Hörsaal blicken?

Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen den Studierenden in Berkeley der 80er Jahre und denen in Frankfurt heute. Sie sind lernbegierig und zielstrebig – es handelt sich in beiden Fällen um Fortgeschrittene, die bereits konkrete Vorstellungen von ihrem weiteren Weg entwickelt haben. Eine weitere Parallele, die mich begeistert, ist die Internationalität. Unser Frankfurter Studiengang hat Teilnehmer aus vier Kontinenten und findet ausschließlich in Englisch statt. Da fühle ich mich sauwohl. Er ist hervorragend organisiert und bietet den Teilnehmern hochklassige Kurse. Einen Unterschied sehe ich zu meiner eigenen Studiengeneration: wir waren doch etwas aufmüpfiger.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Ich habe nach meiner Pensionierung an der LMU München kein eigenes Labor und keine eigenen wissenschaftlichen Projekte mehr, aber ich bin interessierter Berater der hervorragenden letzten wissenschaftlichen Mitarbeiterin (mittlerweile an der TU München). So ist mein Hauptprojekt tatsächlich die Verbesserung meiner Lehre. Dazu verfolge ich weiterhin die neuesten Entwicklungen in meinem Fachgebiet und darüber hinaus.

Gelingt es Ihnen als Seniorprofessor viel mehr Zeit mit Dingen zu verbringen, die nicht mit Ihrer Profession zu tun haben? Haben Sie in der frei gewordenen Zeit neue Leidenschaften für sich entdeckt?

Die Pensionierung hat natürlich mehr Freiräume eröffnet. Schon seit vielen Jahren studiere und sammle ich wissenschaftliche Literatur des 16. bis 19. Jahrhunderts. Mittlerweile habe ich eine ansehnliche Sammlung der Originale meines Fachgebiets Zellbiologie. Immer wieder staune ich darüber, zu welchen Leistungen sie mit ihren begrenzten Mitteln in ihrem geistigen Umfeld imstande waren. Bereits Newton schrieb in einem Brief an Robert Hooke (ein Pionier der Mikroskopie): „If I have seen farther it is because I am standing on the shoulders of giants“. Das gilt nach wie vor.

Wir vergessen allzu leicht die Leistungen der Pioniere, auf denen heutige Entwicklungen aufbauen. Die Beschäftigung mit dieser älteren Literatur führte mich auch dazu, Reparaturen und Buchbindearbeiten selbst vorzunehmen. Daraus habe ich viel gelernt. Darüber hinaus ist Sport sehr wichtig (ich spiele immer noch in einer Mannschaft Tennis), ebenso wie Konzerte (Jazz, Klassik, experimenteller Rock). Reisen spielen eine untergeordnete Rolle – ich habe die Nase voll vom Fliegen.

Wann ist Schluss?

Hoffentlich noch nicht so bald.

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