Serie Seniorprofessuren / Prof. Bertram Schefold im Interview

Wer sind eigentlich die knapp 30 Seniorprofessorinnen und –professoren an der Goethe-Universität, die sich auch nach ihrer Pensionierung noch in der Lehre engagieren? In einer mehrteiligen Serie werden sie hier vorgestellt. 

Um die Betreuungsrelationen zu verbessern und ein zusätzliches hochqualifiziertes Lehrangebot anbieten zu können, besteht seit Ende 2009 an der Goethe-Universität die Möglichkeit, Seniorprofessuren einzurichten. Pensionierte oder emeritierte Professorinnen und Professoren der Goethe-Universität oder anderer Universitäten mit ausgewiesener Lehrkompetenz kommen für eine Seniorprofessur infrage und können somit auch nach ihrer Pensionierung weiterhin in der Lehre tätig sein. Das Lehrdeputat liegt zwischen vier und acht Semesterwochenstunden und schließt die Verpflichtung zu prüfen ein.

Teil 10 – Prof. Bertram Schefold

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Prof. Bertram Schefold (74) ist seit 2012 Seniorprofessor am Lehrstuhl für VWL (Wirtschaftstheorie, Theoriegeschichte) der Goethe-Universität. Sein Lehrdeputat beträgt acht Semesterwochenstunden.

 

 

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Herr Prof. Schefold, wie kam es zu der Entscheidung für eine Seniorprofessur und was war Ihre Motivation, sich für weitere Lehrjahre an der Goethe-Uni zu entschieden, statt ihre freie Zeit zu genießen?

Wenn es das Angebot der Seniorprofessur nicht gegeben hätte, wäre ich wahrscheinlich an eine andere Universität gegangen, um meine Lebensaufgabe in der Forschung weiter zu verfolgen. Dazu bedarf ich der beständigen Herausforderung im Unterricht, insbesondere den Seminaren, die ich am liebsten als Blockseminare im Kleinwalsertal durchführe, wo man sich auch in einer großen Universität im Laufe einer Woche kennen lernen kann und wandern oder Skifahren das akademische Programm ergänzen.

Gab es Situationen, in denen Sie Ihre Entscheidung bereut haben?

Nicht wirklich. Einerseits lassen sich fachliche Pflicht und persönliches Interesse zuweilen verbinden. So habe ich beispielsweise als Dogmenhistoriker über Goethes wirtschaftliches Handeln als Minister und sein ökonomisches Denken geschrieben und früher einmal als Umweltökonom im Rahmen des Unesco-Projekts „Man and Biosphäre“ über Probleme in schweizerischen Bergtälern, die Begehungen voraussetzten. Andererseits: Konflikte zwischen Pflicht und Neigung und Chancen zu ihrer Überwindung gäbe es, auch wenn ich keine klausurrelevanten Vorlesungen mehr hielte, aber meine Rolle als Emeritus weiterhin ernst nähme.

Büro vs. Homeoffice, Gehalt vs. Rente, junge Kollegen vs. Senioren – wie haben sich die Rahmenbedingungen für Sie verändert?

Ich lehre im selben Umfang wie vorher ein volles Programm, kann aber nicht mehr auf die gleiche Ausstattung zurückgreifen. Dafür, dass ich noch eine habe, bin ich ganz außerordentlich dankbar. Andererseits wurde ich von den Verpflichtungen zur Selbstverwaltung entbunden. Merkwürdigerweise empfinde ich das nicht nur als Vorteil. So sehr es eine Erleichterung ist, sich ganz Forschung und Lehre widmen zu können, vermisst man doch den durch die Selbstverwaltung vermittelten Kontakt zu den jüngeren Kollegen und die mit ihr verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten.

Wenn Sie an Ihre allererste Vorlesung als Dozent zurückdenken und sie mit heute vergleichen: Was hat sich für Sie grundlegend in Ihrer Lehrtätigkeit gewandelt?

Inhalte und Wertungen haben sich mit der Zeit stark gewandelt. Wenn mein junges Selbst meinem gegenwärtigen im Seminar begegnete, käme es wohl zu einer auf manchen Gebieten recht heftigen Diskussion. Die Leidenschaft für deduktives Denken stünde der Erfahrung und vertiefter historischer Kenntnis gegenüber, was schon Aristoteles an sich beobachtete. Dass Vorlesungen heute oft nur gehört werden, um in Klausuren Punkte zu erlangen, statt einem spontanen Interesse zu folgen, bedaure nicht nur ich. Die geplagte Hörerschaft wünscht sich mehr didaktisches Feuerwerk und hantiert gleichzeitig mit Taschentelefonen. Früher hatte man sich dagegen mit allerhand Einwürfen auseinanderzusetzen. Das Wesentliche, das Erleben des wissenschaftlichen Austauschs, bleibt immer gleich.

Wenn Sie an Ihre Zuhörer von heute und damals denken: Wie hat sich das Bild der Studierenden verändert, das Sie wahrnehmen, wenn Sie in den Hörsaal blicken?

Ich habe die 68er Jahre sowohl aus der Perspektive des Studenten wie des Lehrenden erlebt und muss mich zu einer historischen Ungerechtigkeit bekennen: Wir werden von unseren Studierenden viel besser behandelt als wir seinerzeit unsere Professoren traktierten.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

In meinen mittleren Jahren war ich so glücklich, häufiger nach Japan eingeladen zu werden. Heute arbeite ich im Rahmen des Forschungskollegs Bad Homburg über den Vergleich des chinesischen mit dem europäischen Wirtschaftsdenken, von der Antike bis heute, und es lassen sich erstaunliche Kontinuitäten feststellen. Noch mehr beschäftigt mich die Frage, ob ich in meinen schon vor dem Beginn der Frankfurter Tätigkeit begonnen Untersuchungen zur Kapitaltheorie angesichts neuer Ergebnisse noch zu einer Synthese gelange.

Gelingt es Ihnen als Seniorprofessor viel mehr Zeit mit Dingen zu verbringen, die nicht mit Ihrer Profession zu tun haben? Haben Sie in der frei gewordenen Zeit neue Leidenschaften für sich entdeckt?

Die Enkelfreuden sind etwas Neues. Im Übrigen aber: Die Jahre vergehen schneller, die Zeit wird knapper und die Wahl nicht leichter. Es gären immer noch dieselben alten Leidenschaften wie Literatur, Kunst und Reisen, die mit dem wissenschaftlichen Alltag konkurrieren.

Wann ist Schluss?

Über die übliche naseweise Frage habe ich natürlich nachgedacht. Man soll jedenfalls nicht von mir sagen können, ich hätte noch am Amt geklebt, als ich dazu geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage war. Ein Angehöriger der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird auch überlegen, durch welche Institutionen berufs- und aufgabenspezifisch ein gerechter, zeitgemäßer und menschlicher Ausgleich zwischen der Vermeidung von Altersdiskriminierung und den Interessen der nachrückenden Jugend geschaffen werden kann.

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