Der weltweite Klima- und Landnutzungswandel führt dazu, dass einzelne Vögel nicht mehr so weit gen Süden ziehen – so auch die beinahe ausgestorbenen Schreikraniche. Ältere Vögel initiieren die kürzere Reise.
Da soll noch einer sagen, dass Alter unflexibel macht – zumindest bei Schreikranichen ist dies nicht der Fall. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität, des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums, der University of Maryland, der International Crane Foundation und des U.S. Geological Survey untersuchten Daten zu den Aufenthaltsorten von 175 Schreikranichen (Grus americana) im Zeitraum von 2002 bis 2016. In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Nature Communications“ berichten sie, dass die Kraniche ihre Überwinterungsgebiete in die Nähe ihrer Brutgebiete verlagerten und somit ihre Zugrouten verkürzten.
Initiatoren dieser Veränderung sind nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler die älteren, erfahreneren Vögel in den einzelnen Fluggruppen. „Die neuen Standorte werden zuerst von Gruppen ausgewählt, zu denen auch ältere Vögel gehören“, erläutert die am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und der Goethe-Universität tätige Claire Teitelbaum, Hauptautorin der Studie. Dabei konnten die Forscher nachweisen, dass sich die älteren Vögel zuvor schon einmal in der Umgebung des neuen Winterquartiers aufgehalten hatten. Im Mittel verringerte sich der Abstand zwischen Brutgebiet und Überwinterungsgebiet pro Lebensjahr des ältesten Vogels in einer Gruppe um 40 Kilometer.
Die älteren Schreikraniche einer Gruppe initiieren nicht nur das Abkürzen des Winterzugs, sondern geben dieses Verhalten auch an jüngere Vögel weiter. Während 2006 noch keiner der ein Jahr alten Schreikraniche den Winterzug abkürzte, taten dies 2015 bereits 75 % der einjährigen Schreikraniche.
Auch von anderen Zugvogelarten ist bekannt, dass sie aufgrund des Klimawandels Winterquartiere wählen, die näher an den Brutgebieten liegen. Das spart Energie und ermöglicht ihnen eine frühere Rückkehr in ihre Brutgebiete. Bei den Kranichen wird dieses Verhalten durch den zunehmenden Anteil an Ackerland in den nördlichen Winterquartieren gefördert. Zudem verzeichnen diese Gebiete einen höheren Klimawandel bedingten Temperaturanstieg. Getreide ist eine wichtige Futterquelle, die jedoch nur zugänglich ist, wenn kein Schnee liegt. Das Team vermutet daher, dass ein Zusammenspiel von Klimawandel und veränderter Landnutzung es den Kranichen erleichtert, weiter nördlich zu überwintern.
„Unsere Studie zeigt, dass Tierarten ihr Migrationsverhalten ändern und neue Aufenthaltsorte suchen können. Wahrscheinlich nützt ihnen dabei ihr Langzeitgedächtnis und die Fähigkeit aus Erfahrung zu lernen“, erklärt der Ko-Autor der Studie, Prof. Thomas Müller, der am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum forscht und an der Goethe-Universität lehrt.
Die Wissenschaftler verwendeten Daten aus einem Zuchtprojekt, bei dem in menschlicher Obhut großgezogene Schreikraniche im Norden der USA 2001 ausgewildert wurden. Die jungen Kraniche lernten die Flugroute in den Süden einmalig, indem sie einem Ultra-Leichtflugzeug nachflogen, das von einem Piloten im Kranichkostüm gesteuert wurde.
Interessanterweise kürzen die ausgewilderten Vögel mittlerweile ihre Zugwege deutlich mehr ab, als die einzige noch existierende Wildpopulation von Schreikranichen, die im Winter von Nord-Kanada an die texanische Küste zieht. „Möglicherweise hat die am Anfang noch junge Population der ausgewilderten Schreikraniche mehr Potenzial für Innovationen wie die Verkürzung der Zugwege geboten. Im Gegensatz zu den in der Studie betrachteten Schreikranichen dürfte es für viele Populationen und Arten sehr viel schwieriger sein sich an Landnutzungs- und Klimawandel anzupassen”, resümiert die Ko-Autorin Sarah Converse, Ökologin am U.S. Geological Survey.
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Publikation: Teitelbaum, C.S., Converse, S.J., Fagan,W.F., Böhning-Gaese, K.B., O’Hara, R.B., Lacey, A.E. und Mueller, T. (2016): Experience drives innovation of new migration patterns of whooping cranes in response to global change. Nature Communications, doi: 10.1038/NCOMMS12793.
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