Astronomie: Erstes Bild des Schwarzen Lochs im Herzen der Milchstraße

Das erste Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße: Sagittarius A*. Bild: EHT-Kollaboration

Astronom:innen veröffentlichen heute das erste Bild des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Milchstraße. Damit zeigen sie auf einzigartige Weise, dass es sich bei dem Objekt tatsächlich um ein Schwarzes Loch handelt. Gleichzeitig geben die Forschungsergebnisse wertvolle Hinweise auf die Funktionsweise solcher supermassiver Schwarzen Löcher, die sich wahrscheinlich in den Zentren der meisten Galaxien befinden. Das Bild wurde von der internationalen Forschungskollaboration „Event Horizon Telescope (EHT)“ gemacht mit Daten eines weltumspannenden Netzes von Radioteleskopen. Theoretische Physiker der Goethe-Universität Frankfurt waren entscheidend bei Interpretation der Daten beteiligt.

Bereits vor einiger Zeit beobachteten Wissenschaftler:innen im Zentrum unserer Milchstraße Sterne, die etwas Unsichtbares, Kompaktes und sehr Massives umkreisen. Dies deutete stark darauf hin, dass dieses unsichtbare Objekt – bekannt als (Sgr A*, englisch ausgesprochen als „Sadge-ay-star“) ein Schwarzes Loch ist. Das lange erwartete und heute veröffentlichte Bild liefert den ersten direkten visuellen Beweis dafür, dass es sich bei dem Objekt tatsächlich um ein Schwarzes Loch handelt.

Obwohl wir das Schwarze Loch selbst nicht sehen können – es ist absolut dunkel – leuchtet das Gas um es herum auf charakteristische Weise: Das Bild von Sgr A* zeigt eine dunkle zentrale Region, den Schatten des Schwarzen Lochs, der von einem hellen, ringförmigen Muster umgeben ist. Dies ist das Licht, das durch die ungeheure Schwerkraft des Schwarzen Lochs abgelenkt wird – das Schwarze Loch hat vier Millionen Mal so viel Masse wie unsere Sonne.

„Wir waren verblüfft, wie gut die Größe des Rings mit den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie übereinstimmt“, sagt EHT-Projektwissenschaftler Geoffrey Bower vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh. „Diese beispiellosen Beobachtungen haben unser Verständnis dessen, was im Zentrum unserer Galaxie geschieht, erheblich verbessert und bieten neue Erkenntnisse darüber, wie diese riesigen Schwarzen Löcher mit ihrer Umgebung in Verbindung stehen.“

Das Schwarze Loch Sgr A* ist 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Am Himmel erscheint es uns daher etwa so groß wie ein Donut auf dem Mond. Um ein Bild dieses Schwarzen Lochs zu machen, verbanden das EHT-Wissenschaftsteam acht Radioteleskope auf der ganzen Erde miteinander zu einem virtuellen Riesenteleskop von der Größe der Erde: dem „Event Horizon Telescope (EHT)“ [1]. Mit dem EHT beobachteten sie Sgr A* über mehrere Nächte hinweg und sammelten viele Stunden lang Daten, ähnlich wie bei einer langen Belichtungszeit mit einer Kamera.

Die gewaltigen Mengen an Daten, die aus den Beobachtungen gewonnen wurden, mussten physiktheoretisch interpretiert werden – eine Aufgabe, der sich ein Forschungsteam um den theoretischen Astrophysiker Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt widmete. Die Forscher:innen simulierten in Supercomputern anhand der bekannten Informationen über Sgr A*, wie ein Schwarzes Loch in einer Betrachtung durch das EHT aussehen könnte. Auf diese Weise generierten die Wissenschaftler:innen Millionen verschiedener Bilder. Die Bilddatenbank verglichen sie mit den Tausenden verschiedenen Bildern, die aus den EHT-Beobachtungen gewonnen wurden, und konnten daraus die Eigenschaften von Sgr A* ableiten.

Das Bild von Sgr A* ist das zweite Bild eines Schwarzen Lochs, das von der EHT-Kollaboration veröffentlicht wird. Das erste Bild eines Schwarzen Lochs zeigten die Wissenschaftler:innen 2019, es handelte sich um M87* im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie Messier 87.

Die beiden Schwarzen Löcher sehen sich sehr ähnlich, obwohl das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie mehr als tausendmal kleiner und weniger Masse hat als M87* [2]. „Wir haben zwei völlig unterschiedliche Arten von Galaxien und zwei sehr unterschiedliche Massen von Schwarzen Löchern, aber in der Nähe des Randes dieser Schwarzen Löcher sehen sie sich verblüffend ähnlich“, sagt Sera Markoff, Co-Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrats und Professorin für theoretische Astrophysik an der Universität von Amsterdam in den Niederlanden. „Das sagt uns, dass die Allgemeine Relativitätstheorie im Nahbereich für diese Objekte dominiert und alle Unterschiede, die wir in größerer Entfernung sehen, auf Abweichungen im Material zurückzuführen sein müssen, das die Schwarzen Löcher umgibt.“

Obwohl Sgr A* viel näher an der Erde liegt als M87*, war die Erstellung des Bildes erheblich schwieriger. Der EHT-Wissenschaftler Chi-kwan (‘CK’) Chan vom Steward Observatory und dem Department of Astronomy und dem Data Science Institute der University of Arizona, USA, erklärt: „Das Gas in der Nähe der Schwarzen Löcher bewegt sich mit der gleichen Geschwindigkeit – fast so schnell wie das Licht – sowohl um Sgr A* als auch um M87*. Aber während das Gas Tage bis Wochen braucht, um das größere M87* zu umkreisen, vollendet es eine Umkreisung um das viel kleinere Sgr A* in nur wenigen Minuten. Das bedeutet, dass sich die Helligkeit und das Muster des Gases um Sgr A* schnell änderten, während die EHT Collaboration es beobachtete – ein bisschen wie der Versuch, ein klares Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinem Schwanz nachjagt.“

Die Forscher:innen mussten wegen der Gaswolken, die sich um Sgr A* herumbewegen, ausgeklügelte neue Technologien entwickeln: Denn im Gegensatz zu M87*, wo alle Bilder nahezu gleich aussahen, waren die von Sgr A* sehr unterschiedlich. Das heute veröffentlichte Schwarze Loch von Sgr A* stellt daher eine Art Durchschnitt dieser unterschiedlichen Bilder dar.

Luciano Rezzolla, Professor für Theoretische Astrophysik, Goethe-Universität Frankfurt. Foto: Jürgen Lecher für Goethe-Universität Frankfurt

Dies war nur durch die gemeinsame Arbeit von mehr als 300 Forscherinnen und Forschern aus 80 Instituten auf der ganzen Welt möglich, die die EHT-Kollaboration bilden. Fünf Jahre lang entwickelten sie neue Technologien zur Erstellung des Sgr A*-Bildes, analysierten mit Supercomputern die Daten und stellten eine bislang beispiellose Datenbank simulierter Schwarzer Löcher zusammen, um diese mit ihren Beobachtungen zu vergleichen.

Luciano Rezzolla, Professor für Theoretischer Astrophysik an der Goethe-Universität Frankfurt, erläutert: „Masse und Entfernung des Objekts waren bereits vor unseren Untersuchungen sehr präzise bekannt. Daher konnten wir anhand der Größe des Schattens ausschließen, dass es sich bei Sgr A* um ein anderes kompaktes Objekt wie zum Beispiel einen Bosonenstern oder ein Wurmloch handelt und schlussfolgern: ‚Was wir sehen, sieht definitiv wie ein Schwarzes Loch aus!‘“

Die Frankfurter Physiktheoretiker nutzten fortgeschrittene numerische Codes und führten umfangreiche Berechnungen durch, um die Eigenschaften des Plasmas zu bestimmen, das vom Schwarze Loch aufgesaugt wird (Akkretion). Rezzolla: „Wir haben drei Millionen synthetischer Bilder errechnet mit unterschiedlichen Akkretions- und Strahlungsemissionsmodellen. Außerdem haben wir Varianten berücksichtigt, die durch unterschiedliche Betrachtungswinkel des Schwarzen Lochs zustande kommen.“

Letzteres war nötig, weil sich das Bild eines Schwarzen Loch radikal ändern kann, je nachdem, aus welchem Winkel es betrachtet wird. „Unsere beiden Bilder von Sgr A* und M87* sind auch deshalb sehr ähnlich, weil wir aus einem nahezu identischen Blickwinkel auf die beiden Schwarzen Löcher sehen“, sagt Rezzolla.

„Um zu verstehen, wie das EHT ein Bild von Sgr A* produziert hat, kann man sich zum Beispiel ein Foto von einem Berggipfel vorstellen, das auf Basis eines Zeitrafferfilms erstellt werden soll“, meint Rezzolla. „Im Zeitrafferfilm wird der Gipfel die meiste Zeit über sichtbar sein, aber immer wieder wird er auch von Wolken verdeckt. Wenn man aus den vielen Einzelbildern ein Durchschnittsbild macht, ist der Gipfel allerdings deutlich zu sehen. Ähnlich ist es bei Sgr A*: Die Daten des EHT haben zu tausenden von Bildern geführt, die aufgrund ihrer Merkmale in vier Klassen gruppiert wurden, aus denen jeweils Durchschnittsbilder errechnet wurden. Das Endergebnis ist das erste deutliche Bild des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße.“

Dass nunmehr Bilder von zwei Schwarzen Löchern sehr unterschiedlicher Größe vorliegen, ermöglicht es den Forschenden, Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Schwarzen Löchern zu verstehen. Die Forschenden testen mit den neuen Daten bereits Theorien und Modelle, um besser vorhersagen zu können, wie sich Gas in der Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher verhält. Man nimmt an, dass dieser Prozess eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Entwicklung Galaxien spielt.

„Jetzt können wir die Unterschiede zwischen diesen beiden supermassereichen Schwarzen Löchern untersuchen, um wertvolle neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie dieser wichtige Prozess funktioniert“, sagt EHT-Wissenschaftler Keiichi Asada vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh. „Wir haben Bilder von zwei Schwarzen Löchern – eines am oberen und eines am unteren Ende der supermassereichen Schwarzen Löcher im Universum – so dass wir bei der Untersuchung des Verhaltens der Schwerkraft in diesen extremen Umgebungen viel weiter vorankommen können als jemals zuvor.“

Die Forschungen mit dem EHT gehen weiter: Eine große Beobachtungskampagne im März 2022 schloss mehr Teleskope ein als je zuvor. Die laufende Erweiterung des EHT-Netzwerks und bedeutende technologische Upgrades werden es Wissenschaftler:innen ermöglichen, bald weitere eindrucksvolle Bilder sowie Filme von Schwarzen Löchern zu machen.

Eine Reihe von Wissenschaftler:innen sind im Rahmen der EHT-Kollaboration mit der Goethe-Universität Frankfurt assoziiert. Zusammen mit Prof. Luciano Rezzolla haben Dr. Alejandro Cruz Orsorio. Dr. Prashant Kocherlakota und Kotaro Moriyama sowie Prof. Mariafelicia De Laurentis (Universität Neapel), Prof. Christian Fromm (Universität Würzburg), Prof. Roman Gold (Universität Süd-Dänemark), Dr. Antonios Nathanail (Universität Athen), und Dr. Ziri Younsi (University College London) wesentliche Beiträge zur theoretischen Forschung in der EHT-Kollaboration geleistet.

Die Arbeiten wurden vom European Research Council unterstützt.

Publikationen: First Sagittarius A* Event Horizon Telescope Results. I. The Shadow of the Supermassive Black Hole in the Center of the Milky Way. Astropysical Journal Letters (2022), DOI: 10.3847/2041-8213/ac6674 https://iopscience.iop.org/article/10.3847/2041-8213/ac6674

Alle l0 Publikationen in den Astrophysical Journal Letters: Event Horizon Telescope Collaboration, Astrophysical Journal Letters (2022)

Youtube-Playlist Black Hole

Weitere Animationen zum „Making of“ des Bilds vom Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße auf der Playlist Black Hole der Goethe-Universität

Fußnoten

[1] Die einzelnen Teleskope, die im April 2017, als die Beobachtungen durchgeführt wurden, am EHT beteiligt waren, sind: das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA), das Atacama Pathfinder EXperiment (APEX), das IRAM 30-Meter-Teleskop, das James Clerk Maxwell Teleskop (JCMT), das Large Millimeter Telescope Alfonso Serrano (LMT), das Submillimeter Array (SMA), das UArizona Submillimeter Telescope (SMT), das South Pole Telescope (SPT). Seitdem hat das EHT das Grönland-Teleskop (GLT), das NOrthern Extended Millimeter Array (NOEMA) und das 12-Meter-Teleskop der UArizona auf dem Kitt Peak in sein Netzwerk aufgenommen.

ALMA ist eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Südsternwarte (ESO; Europa, stellvertretend für seine Mitgliedsstaaten), der U.S. National Science Foundation (NSF) und den National Institutes of Natural Sciences (NINS) von Japan, zusammen mit dem National Research Council (Kanada), dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST; Taiwan), dem Academia Sinica Institute of Astronomy and Astrophysics (ASIAA; Taiwan) und dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI; Republik Korea), in Zusammenarbeit mit der Republik Chile. Das gemeinsame ALMA-Observatorium wird von der ESO, der Associated Universities, Inc./National Radio Astronomy Observatory (AUI/NRAO) und dem National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) betrieben. APEX, eine Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie (Deutschland), dem Onsala Space Observatory (Schweden) und der ESO, wird von der ESO betrieben. Das 30-Meter-Teleskop wird von IRAM betrieben (die IRAM-Partnerorganisationen sind MPG [Deutschland], CNRS [Frankreich] und IGN [Spanien]). Das JCMT wird von der Ostasiatischen Sternwarte im Auftrag des Nationalen Astronomischen Observatoriums von Japan, der ASIAA, der KASI, des Nationalen Astronomischen Forschungsinstituts von Thailand, des Zentrums für astronomische Megawissenschaften und von Organisationen in Großbritannien und Kanada betrieben. Das LMT wird von INAOE und UMass betrieben, das SMA wird vom Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian und ASIAA betrieben und das UArizona SMT wird von der Universität von Arizona betrieben. Das SPT wird von der Universität von Chicago betrieben, wobei die Universität von Arizona spezielle EHT-Instrumente bereitstellt.

Das Greenland Telescope (GLT) wird von der ASIAA und dem Smithsonian Astrophysical Observatory (SAO) betrieben. Das GLT ist Teil des ALMA-Taiwan-Projekts und wird zum Teil von der Academia Sinica (AS) und MOST unterstützt. NOEMA wird von IRAM betrieben und das 12-Meter-Teleskop auf dem Kitt Peak wird von der University of Arizona betrieben.

[2] Schwarze Löcher sind die einzigen uns bekannten Objekte, bei denen die Masse mit der Größe skaliert. Ein Schwarzes Loch, das tausendmal kleiner ist als ein anderes, ist auch tausendmal weniger massereich.

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Liebe Alumni und Freunde der Goethe-Universität, als Physikerin stehen einem viele Wege offen. Ich habe mich für den Brückenbau innerhalb

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