CERN: Erste Teilchenkollisionen im ALICE-Experiment nach dreijähriger Umbaupause

Zehn Jahre lang haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 30 Ländern den Umbau des ALICE-Detektors am Teilchenbeschleuniger CERN in Genf vorbereitet. Drei Jahre dauerte es, bis die Forschenden alle neuen Komponenten in den riesigen Detektor eingebaut hatten. Jetzt hat der neue ALICE-Detektor die ersten Daten geliefert. Das Forschungsziel: Die Erkundung eines extrem heißen und dichten Materiezustands, wie er im Universum Mikrosekunden nach dem Urknall vorherrschte – ein Quark-Gluon-Plasma. Die Daten zeigen, dass der Umbau, der unter anderem von Prof. Harald Appelshäuser von der Goethe-Universität geleitet wurde, erfolgreich war.

Der ALICE-Detektor zeichnet unter anderem die Spuren der Teilchenschauer auf (blaue Linien), die durch die Kollisionen der schweren Atomkerne entstehen. Die ersten Messdaten zeigen: Der Umbau war erfolgreich. Bild: ALICE-Kollaboration.

Die rund 2000 Forschenden am ALICE-Experiment wollen einen besonderen Materie-Zustand untersuchen: das Quark-Gluon-Plasma. Es entsteht, wenn Blei-Atomkerne aus dem großen LHC-Beschleuniger am CERN mit sehr großer Energie aufeinanderprallen und sich für einen kurzen Moment in ihre elementaren Bestandteile auflösen. In dieser heißen und dichten Materiesuppe können sich Quarks und Gluonen, die sonst in den Protonen und Neutronen des Atomkerns eingeschlossen sind, frei bewegen. Mit ALICE lassen sich die Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas erforschen und wie sich daraus unser Universum, wie wir es heute kennen, entwickelt hat.

Die Genauigkeit der ALICE-Ergebnisse war bisher durch die Anzahl der Kollisionen begrenzt, die am LHC stattfanden und von ALICE aufgezeichnet werden konnten. Um die Zahl der Teilchenkollisionen zu steigern, wurden sowohl der LHC als auch die Detektoren des ALICE-Experiments in den letzten drei Jahren erheblich umgebaut und verbessert. Die Vorbereitungen hierfür fanden unter anderem an der Goethe-Universität statt und dauerten insgesamt zehn Jahre.

Im Rahmen einer dreitägigen Pilotstrahlzeit hat der umgebaute Detektor nun eine erfolgreiche Generalprobe für die ab 2022 geplanten und bis 2030 andauernden Messkampagnen absolviert. Harald Appelshäuser, Professor am Institut für Kernphysik der Goethe-Universität und Projektleiter des Teildetektors TPC (engl. Time Projection Chamber) ist begeistert: „Jetzt ist es endlich so weit: Nach 10 Jahren Vorbereitungszeit haben wir die ersten Kollisionen gesehen und alles hat funktioniert. Dies ist ein wichtiger Meilenstein für die gesamte ALICE Kollaboration.“

Eine besonders hohe Herausforderung stellt die enorme Datenmenge dar, die das Experiment beim Betrieb nach dem Umbau aufzeichnen wird. Allein der TPC Detektor erzeugt einen Datenstrom von mehr als einem Terabyte pro Sekunde, die in Echtzeit mit Hilfe von effizienten Mustererkennungsmethoden prozessiert werden müssen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das eigens am Experiment aufgebaute Rechencluster EPN (engl. Event Processing Nodes) mit 250 Servern, in denen sowohl konventionelle CPUs als auch spezielle Grafikprozessoren (GPUs) zum Einsatz kommen. Das EPN-Projekt steht unter der Leitung von Prof. Volker Lindenstruth vom Frankfurt Institut for Advanced Studies (FIAS) an der Goethe-Universität.

Projekte dieser Größenordnung wie das ALICE-Experiment am LHC erfordern eine enge und koordinierte nationale und internationale Zusammenarbeit. Allein aus Deutschland sind Wissenschaftler:innen der Universitäten Frankfurt, Heidelberg, München, Münster und Bonn sowie dem GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt beteiligt. Sie sind in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten sogenannten ErUM Forschungsschwerpunkt organisiert, wobei ErUM für die entsprechende Förderlinie Erforschung von Universum und Materie des BMBF steht.

Prof. Harald Appelshäuser, Sprecher des ErUM-FSP T01 ALICE, betont: „Ohne die nachhaltige Förderung im Rahmen der BMBF Verbundforschung wären solche wissenschaftlichen Spitzenprojekte an internationalen Großforschungsanlagen mit weltweit einmaligen Forschungsmöglichkeiten wie dem CERN nicht möglich.“

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