Der Verschwörung auf der Spur

Der japanische Rechtswissenschaftler Koji Adachi forscht in Frankfurt über die Unterschiede in der Strafbarkeit zwischen japanischem und deutschem Recht.

Koji Adachi

Die Fälle, mit denen es Prof. Dr. Koji Adachi zu tun hat, sind abenteuerlich: Komplotte und Vorbereitungen von Morden, Brandstiftungen oder staatsgefährdenden Akten gehören zu seinem täglichen Geschäft – zum Glück alles aus sicherer Distanz vom Schreibtisch aus. Koji Adachi ist Professor für Rechtwissenschaften an der Ritsumeikan Universität in Kyoto und seit April zu Gast am Institut für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität.

Sechs Monate lang wird er in Frankfurt sein, um sich seiner Forschung zu widmen. Der Gegenstand seines Interesses sind die Unterschiede der Strafbarkeit bei dem Komplott bzw. der Vorbereitung von Verbrechen im deutschen und im japanischen Recht. In beiden Gesetzestexten ist es im Gegensatz zum Verbrechen selber schon vor der eigentlichen Tat möglich, sich strafbar zu machen, wenn man auf die Tat hingehend mit anderen zusammenwirkt oder das Verbrechen vorbereitet.

Während das deutsche Strafgesetzbuch in §30 dem Komplott bzw. der Vorbereitung eines Verbrechens einen kurzen, prägnanten Absatz widmet, hat das japanische Parlament 2017 den Gesetzestext diesbezüglich grundlegend überarbeitet. Der Paragraph zur Vorbereitung von terroristischen oder anderen schweren Akten legt im japanischen Recht nun eine lange Liste von 277 Vergehen fest, die als verschwörerisch oder staatsgefährdend gelten.

„Diese Reform ist äußert problematisch, da sie in viele Bereiche eingreift und in einigen Fällen schon das gesprochene Wort strafbar macht“, sagt Koji Adachi. „Die neuen Gesetze wurden seit Erlass zwar noch nicht angewendet, aber dies ist wahrscheinlich nur dem großen Protest geschuldet, den die Reform in der japanischen Bevölkerung ausgelöst hat.“ Die Reform erregte das wissenschaftliche Interesse des Rechtswissenschaftlers.

In seiner aktuellen Forschung geht Koji Adachi nun der Historie, den Unterschieden, aber auch der Effektivität des deutschen und japanischen Passus zu dem Thema nach. Dazu hat er sich ein ganzes Jahr aus dem Lehrbetrieb befreien lassen. Sechs Monate lang forscht er in Frankfurt, sechs weitere Monate will er in Kyoto an dem Buch schreiben, das aus der Forschung entstehen soll. Für diese Forschung in Deutschland zu sein, ist für ihn von großem Vorteil.

In der Bibliothek hat er uneingeschränkt Zugang zu allen relevanten Publikationen zu dem Thema. Die wichtigste Voraussetzung dafür bringt er mit: Koji Adachi spricht fließend deutsch – und das, obwohl seine Zeit in Tübingen nun schon fast zehn Jahre her ist. Damals war er als Gastwissenschaftler für eineinhalb Jahre an der Universität Tübingen und lernte dort auch Christoph Burchard kennen. Dieser ist mittlerweile Professor im Fachbereich Rechtswissenschaften und hat Koji Adachi ans Institut eingeladen.

„Wir sind seit vielen Jahren Freunde“, lacht Adachi. „Ich schätze es sehr, dass ich mich hier mit ihm und den anderen Kollegen so intensiv zu meiner Forschung austauschen kann. Das ist wirklich eine große Hilfe.“ Spannend ist für Koji Adachi der Einblick in den Professorenalltag, den er durch den Austausch mit Christoph Burchard erhält.

„In der Struktur deutscher Institute gibt es Mitarbeiter, die an die Stelle des Professors angegliedert sind“, sagt er. „In Japan gibt es das nicht. Das macht im Alltag einen großen Unterschied, denn ein Professor in Japan hat für seine Arbeit kaum wissenschaftliche Unterstützung – von der Suche nach Finanzierung einmal abgesehen.“ In Frankfurt kann er sich über Unterstützung allerdings nicht beklagen.

Weder von Seiten der Kollegen, mit denen er den wissenschaftlichen Austausch schätzt, noch von Seiten des Instituts, das ihn bei der schwierigen Wohnungssuche in Frankfurt unterstützt hat. Nun hat er eine kleine Wohnung in Bornheim. Zu seinem Büro auf dem Campus Westend läuft er gerne zu Fuß, um sich fit zu halten. Da er vor seinem Aufenthalt schon mehrere Male in Frankfurt war und die touristischen Höhepunkte der Stadt kennt, kann er sich nun voll und ganz auf seine Arbeit konzentrieren.

Und das ist gut, denn Koji Adachi hat viel vor: Das Buch, das aus den Ergebnissen der Forschung entsteht, soll noch in diesem Jahr fertig werden. Für die Finanzierung der Publikation möchte er im kommenden Jahr einen Antrag stellen.

Autorin: Melanie Gärtner

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.19 des UniReport erschienen.

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