Freigabe von Cannabis auf Rezept – ein Fortschritt?

Dr. Bernd Werse vom Centre for Drug Research (CDR)

Ärzte können künftig schwerkranken Patienten Cannabis verschreiben. Das hat der Bundestag im Januar einstimmig beschlossen. Dazu drei Fragen an Bernd Werse vom Centre for Drug Research (CDR) an der Goethe-Universität.

UniReport: Herr Dr. Werse, die Gesetzesänderung zum Cannabis-Gebrauch: ein richtiger Schritt aus Ihrer Sicht?

Bernd Werse: Ja, es ist ein richtiger Schritt und vor allem auch ein großer Schritt: Denn vorher war es überhaupt nicht möglich, Cannabis-Präparate von der Krankenkasse bezahlt zu bekommen. An Cannabis-Blüten, die ja vielen Erkrankten wirklich helfen, konnte man nur durch ein aufwändiges Verfahren mit Sonderantrag kommen – das ist jetzt komplett weggefallen.

Sie setzen sich als Sozialwissenschaftler für einen pragmatischen Umgang mit Drogen ein. Wo sehen Sie Nachholbedarf, was müsste noch kommen?

Was für mich nicht nur bei Cannabis, sondern im Prinzip bei allen Drogen der wichtigste Aspekt ist: Konsumenten sollten entkriminalisiert werden. Dass es eine verbindliche Regelung für geringe Mengen geben muss, jemand also nicht mit dem Strafrecht bedroht wird, wenn er sich nur maximal selbst schädigt. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen übrigens auch, dass es keinen negativen Effekt auf die öffentliche Gesundheit hat, wenn man Cannabis legal verfügbar macht. Hinzu kommt, dass es sich ohnehin um eine bereits recht verbreitete Droge handelt. Dafür hätte es viele positive Effekte, wie zum Beispiel die Entlastung der Strafverfolgung oder auch zusätzliche Steuern, mit denen man wieder Prävention und Behandlung finanzieren könnte.

Schaut man in die USA, dann ist dort in einigen Bundesstaaten eine richtige Cannabis-Industrie entstanden. Wäre das auch hier denkbar?

Ja, durchaus, wobei es ja im Augenblick eine Kontroverse darüber gibt, ob man die medizinische Nutzung von Cannabis von der Freizeit- Nutzung getrennt sehen muss. Richtig ist, dass es schwerkranke Menschen gibt, die Cannabis sehr dringend benötigen. Es gibt aber auch einen Zwischenbereich von weniger schweren Krankheiten, bei denen Cannabis zum Einsatz kommt. Und da kann der Übergang zum Freizeitgebrauch fließend sein. Das hat in den USA möglicherweise den Weg für die Cannabis-Legalisierung geebnet.

Die Fragen stellte Dirk Frank.

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Das Centre for Drug Research (CDR) wurde 2001 als Einrichtung der sozialwissenschaftlichen Drogenforschung gegründet. Es ist dem Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität angegliedert. Das CDR verknüpft empirische Forschung mit akademischer Lehre. Es finanziert sich ausschließlich über Drittmittel. Mit dem seit 2002 durch die Stadt Frankfurt geförderten Monitoring-System Drogentrends (MoSyD) werden Entwicklungen im Bereich des Konsums psychoaktiver Substanzen und neue Konsumtrends in Frankfurt am Main erfasst und analysiert. Außerdem ist das CDR erfolgreich bei der Einwerbung von weiteren Drittmitteln, z. B. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Förderprogramme der Europäischen Union. Schwerpunkte in diesem Zusammenhang sind die sozialen und kulturellen Eigenschaften des Drogenhandels und das noch junge Thema „Neue psychoaktive Substanzen“. www.uni-frankfurt.de/cdr

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