Reinhart Koselleck-Projekt über eine Million Euro für Geowissenschaftler der Goethe-Universität
Wie sich durch die Analyse der Karbonat-Zusammensetzung bestimmter Gesteine exakte Rückschlüsse auf die Temperatur vergangener Erdepochen ziehen lassen, untersuchen die Geowissenschaftler um Prof. Jens Fiebig von der Goethe-Universität. Eine kürzlich von ihnen entwickelte Methode könnte es künftig erlauben, vergangene Erdoberflächentemperaturen viel zuverlässiger zu bestimmen. Diese Methode soll nun zunächst validiert und dann auf vergangene Erdepochen angewendet werden, in denen der Gehalt des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre höher war als heute. Das Forschungsvorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Reinhart Koselleck-Projekt mit mehr als einer Million Euro gefördert.
Kalk besteht aus Kalzium und Karbonatgruppen, die sich wiederum aus den Elementen Sauerstoff (chemisches Symbol: O) und Kohlenstoff (chemisches Symbol: C) zusammensetzen. Sauerstoff und Kohlenstoff kommen in der Natur in verschiedenen Modifikationen vor, die sich in ihrer Masse unterscheiden und als Isotope bezeichnet werden. Wenn sich Kalk in Korallenriffen oder Tropfsteinen bildet, werden mit abnehmender Temperatur zunehmend Karbonatgruppen aus dem Wasser abgeschieden, die ein schweres Sauerstoffisotop (18O) enthalten. Diese Temperaturabhängigkeit wurde – seit ihrer Entdeckung Ende der 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts – dazu verwendet, die Entwicklung der Erdoberflächentemperatur im Verlaufe der Erdgeschichte zu rekonstruieren. Oftmals lässt sich mit Hilfe einer solchen Analyse jedoch nicht eindeutig auf den exakten Einfluss der Temperatur während der Kalkentstehung schließen, denn auch die 18O-Menge des Wassers und der Mechanismus der Karbonatentstehung (Mineralisationskinetik) beeinflussen die Häufigkeit dieser Karbonatgruppe.
Ein wesentlicher Fortschritt in der Klimarekonstruktion wurde Anfang der 2000er-Jahre am California Institute of Technology erzielt. Den Wissenschaftlern gelang es, die Häufigkeit von Karbonatgruppen zu bestimmen, die zwei schwere Isotope enthalten, 13C und 18O, sogenannte „clumped isotopes“. Die Häufigkeit dieser Karbonatgruppe ist ebenfalls abhängig von der Kristallisationstemperatur des Karbonats, aber unabhängig vom 18O-Gehalt des Wassers. Eine Fehlerquelle dieses Thermometers bestand aber weiterhin in der Tatsache, dass die Mineralisationskinetik auch die Häufigkeit der „clumped isotopes“ beeinflussen kann.
Prof. Jens Fiebig und seinem Team am Institut für Geowissenschaften der Goethe-Universität ist es im vergangenen Jahr erstmals gelungen, die Häufigkeit einer weiteren Karbonatgruppe zu bestimmen, welche ebenfalls zwei schwere Isotope enthält, nämlich zweimal 18O. Mit der Häufigkeitsanalyse dieser beiden sehr seltenen, jeweils zwei schwere Isotope enthaltenden Karbonatgruppen kann nun erstmals der Einfluss der Mineralisationskinetik sichtbar gemacht und von dem Einfluss der Temperatur getrennt werden. Mit der ‘dual clumped isotope‘-Methode zur Karbonatanalyse halten die Forscher nun womöglich eine Art Thermometer in den Händen, mit dem sie die Erdoberflächentemperaturen vergangener Erdzeitalter in bislang unerreichter Genauigkeit rekonstruieren könnten.
Prof. Jens Fiebig: „Die Unterstützung der DFG ermöglicht es uns, unser neues Verfahren weiter zu validieren und gegebenenfalls die Erdoberflächentemperaturen vergangener Erdepochen hochgenau zu bestimmen. In einem ersten Schritt werden wir nun die exakte Temperaturabhängigkeit der Häufigkeit der neu messbaren Karbonatgruppe bestimmen, um anschließend sämtliche natürliche Karbonatarchive wie zum Beispiel Korallen, Tropfsteine und Muscheln mit bekannter Entstehungstemperatur auf ihre Mineralisationskinetik zu untersuchen. Auf diese Weise wollen wir Archive identifizieren, die für eine Rekonstruktion vergangener Erdoberflächentemperaturen besonders geeignet sind. In einem letzten Schritt sollen dann die genauen Erdoberflächentemperaturen für verschiedene Hoch-CO2-Intervalle der Vergangenheit ermittelt werden. Durch die exakte Rekonstruktion von Temperaturen der Erdgeschichte zu Zeiten, in denen der CO2-Gehalt der Atmosphäre deutlich höher war als heute, lassen sich eventuell auch moderne Klimamodelle verbessern und die Folgen des menschengemachten Klimawandels präziser vorhersagen.“
Mit Reinhart Koselleck-Projekten eröffnet die Deutsche Forschungsgemeinschaft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich durch besondere wissenschaftliche Leistungen ausgewiesen haben, die Möglichkeit, in hohem Maße innovative und im positiven Sinn risikobehaftete Projekte durchzuführen. Die Förderung erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren.
Weitere Informationen zur Entwicklung des erdgeschichtlichen Thermometers der Frankfurter Geowissenschaftler finden Sie hier.