Gravitationswellen könnten Existenz des Quark-Gluon-Plasmas beweisen

Montage aus Computersimulation der verschmelzenden Neutronensterne (links) und dem Bild einer Schwerionenkollision, die die Verbindung von Astrophysik und Kernphysik verdeutlicht. Bild: Lukas R. Weih & Luciano Rezzolla (Goethe-Universität Frankfurt) (right half of the image from cms.cern)

Der modernen Teilchenphysik zufolge ist Materie im Inneren verschmelzender Neutronensterne so dicht, dass sie aufgelöst in ihre Elementarteilchen vorliegen könnte. Dieser Materiezustand, das sogenannte Quark-Gluon-Plasma, könnte ein bestimmtes Muster in Gravitationswellen hervorrufen. Dies haben Physiker der Goethe-Universität und des Frankfurt Institute for Advanced Studies jetzt mithilfe von Supercomputern berechnet.

Neutronensterne gehören zu den dichtesten Objekten im Universum: Wäre unsere Sonne mit ihrem Radius von 700.000 Kilometern ein Neutronenstern, so wäre ihre Masse in einer nahezu perfekten Kugel mit einem Radius von rund 12 Kilometern zusammengepresst. Wenn zwei Neutronensterne miteinander kollidieren und zu einem hypermassiven Neutronenstern verschmelzen, so wird die Materie im Kern dieses neuen Objekts unvorstellbar heiß und dicht. Physikalischen Berechnungen zufolge hätte dies zur Folge, dass sich Hadronen wie zum Beispiel Neutronen und Protonen – aus diesen Teilchen setzt sich die Materie in unserer Umgebung zusammen – in ihre Bestandteile Quarks und Gluonen auflösen und ein Quark-Gluon-Plasma bilden. 

2017 wurde erstmals entdeckt, dass verschmelzende Neutronensterne ein Signal in Form einer Gravitationswelle verursachen, die auf der Erde detektiert werden kann. Aus der Gravitationswelle lässt sich nicht nur etwas über Gravitation lernen, sondern auch über das Verhalten von Materie unter extremen Bedingungen. Bei der ersten Entdeckung solcher Gravitationswellen 2017 wurden diese allerdings nicht über den Verschmelzungszeitpunkt hinaus aufgezeichnet. 

Dort setzt die Arbeit der Frankfurter Physiker an. Sie simulierten in einem Computermodell verschmelzende Neutronensterne und das Produkt dieser Verschmelzung, um die Bedingungen zu untersuchen, unter denen ein Übergang von Hadronen zu einem Quark-Gluon-Plasma stattfinden könnte und wie sich dies auf die entstehende Gravitationswelle auswirken würde. Das Ergebnis: In einer bestimmten, späten Phase der Existenz des verschmolzenen Objekts fand ein Phasenübergang zu einem Quark-Gluon-Plasma statt und hinterließ ein klares und charakteristisches Muster im Gravitationswellensignal.

Professor Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität ist überzeugt: „Wir haben ein im Vergleich zu bisherigen Simulationen neues und wesentlich klarer zu detektierendes Muster in den Gravitationswellen entdeckt. Wenn sich dieses Muster in den Gravitationswellen findet, die wir von künftigen Neutronenstern-Verschmelzungen empfangen, haben wir einen deutlichen Beweis für die Entstehung eines Quark-Gluon-Plasmas im heutigen Universum.“

Simulation: Kurz nach der Verschmelzung zweier Neutronensterne bildet sich im Zentrum des neuen Objekts ein Quark-Gluon-Plasma (grün). Rot, gelb: gewöhnliche Materie, hauptsächlich Neutronen. Bild: Lukas R. Weih & Luciano Rezzolla (Goethe-Universität Frankfurt)

Video:
Visualisierung einer Neutronensternverschmelzung

Diese Simulation zeigt die Dichte gewöhnlicher Materie, hauptsächlich Neutronen, in den Farben Rot und Gelb. Kurz nachdem die beiden Sterne verschmelzen, verfärbt sich das extrem dichte Zentrum nach Grün, was die Bildung des Quark-Gluon-Plasmas anzeigt.

https://www.youtube-nocookie.com/watch?v=rj-r-YA9d6E&t=1s

Publikation: Post-merger gravitational-wave signatures of phase transitions in binary mergers; Lukas R. Weih, Matthias Hanauske, Luciano Rezzolla, Physical Review Letters DOI 10.1103/PhysRevLett.124.171103 https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.124.171103

Relevante Artikel

ALICE Solenoid Magnet vor dem Einbau der Detektoren (Volker Lindenstruth/Goethe-Universität)

Entscheidende Rolle bei der Urknallforschung

Erforschung der Teilchenphysik am CERN erhält renommierten US-amerikanischen Breakthrough Prize – Rund 50 Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität unter den Ausgezeichneten Der

Ein Namensschild als Geschenk: An der Platzeinweihung für die Frankfurter Physikerin Gisela Eckhardt nahmen unter anderen teil Groß-Cousin Alfred Leonhardt, Groß-Cousine Beate Fischer-Economides (2.v.l), Uni-Präsident Enrico Schleiff, Ortsvorsteher Thomas Gutmann, die Präsidentin des Physikalischen Vereins Dorothée Weber-Bruls und der Leiter der Privaten Hochschulförderung Andreas Eckel (r.) (Foto: Lars Christian)

Zweite Frau neben Lise Meitner

Die Alumna der Goethe-Uni Gisela Eckhardt gibt einem Platz im Stadtteil Bockenheim ihren Namen. Damit setzt die Stadt der Frankfurterin

Öffentliche Veranstaltungen
01 Lucía Garbín Batanero: „A Tale of Two Eras“. 02 Amandine Dupont: „Frankfurt“. 03 Seita Suzuki: „Dizzying Dreams – The carousel of chaos“.

Prämierte Perspektiven

Vor einem Jahr hat das Global Office einen Fotowettbewerb für „incoming students“ – also Austausch- und Gaststudierende – ins Leben

Hochdurchsatzanalyse: Ein Pipettierroboter bereitet Proben für die Proteinanalyse vor. Nach chromatographischer Auftrennung werden massenspektrometrisch die Molekularmassen bestimmt. Foto: Uwe Dettmar

Ein Werkzeugkasten für neue Arzneistoffe

Neue Substanzbank soll Forschung und Arzneimittelentwicklung beschleunigen Viele Medikamente basieren auf Kleinmolekülen. Sie entfalten ihre heilende Wirkung im Körper, indem

Roland Hardenberg, Foto: Jennifer Markwirth

100 Jahre Frobenius-Institut in Frankfurt

Internationales Zentrum für kulturanthropologische Forschung feiert Jubiläum Das Frobenius-Institut für kulturanthropologische Forschung an der Goethe-Universität ist mit seinen Archiven und

Dr. Ah Jung Heo, Postdoc im Labor Đikic, forscht daran, wie krankheitsrelevante Proteine gezielt abgebaut werden könnten. Foto: Peter Kiefer

Krankmacher gezielt entsorgen

Wie durch Umprogrammierung von Zellen schädliche Proteine abgebaut und Krankheiten bekämpft werden können Das kleine Protein Ubiquitin kommt in den

Das Collier mit dem sprechenden Titel »Engineered Antibody« von 2016. Foto: Foto: Anna Dumitriu

Antikörper-Amulette

Biotech-Schmuck von Anna Dumitriu Ein herzförmiger, mit Saphiren besetzter goldglänzender Anhänger an einer breiten Schleife aus cremefarbener Seide, die um

You cannot copy content of this page