Günstige Bedingungen für Plagegeister

Der Parasitologe Sven Klimpel über die zu erwartende Mückenpopulation und Gefahr von Infektionen.

Aedes albopictus, die Asiatische Tigermücke. Foto: ullstein bild – BSIP/CDC

UniReport: Herr Prof. Klimpel, im Mai und im Juni gab es in Deutschland einige sehr heiße Tage, verbunden mit starken Niederschlägen. Hat das direkte Auswirkungen auf die Mückenpopulation?

Sven Klimpel: Ja – denn der Entwicklungszyklus der Stechmücken ist ans wässrige Milieu (stehende Gewässer) gebunden und beinhaltet die vier verschiedenen Stadien Ei, Larve, Puppe und adulte ( geschlechtsreife) Mücken. Derzeit herrschen in Deutschland ideale Bedingungen für die Eiablage und die Entwicklung von Mückenlarven und -puppen, denn bei den sehr warm-feuchten klimatischen Bedingungen sind Stechmücken sehr aktiv und produzieren besonders schnell Eier. Bei hohen Temperaturen zwischen 20 und 30 °C wird der Stoffwechsel der einzelnen Mückenstadien erhöht, was zu einer schnelleren Entwicklung innerhalb weniger Tage führt.

Im Idealfall dauert daher der Entwicklungszyklus zwischen 10 und 14 Tagen. Die gemeine Stechmücke (= Hausmücke) Culex pipiens (sie ist immer noch die häufigste Stechmückenart in unseren Breiten) legt in ihrer Lebenspanne von rund vier Wochen ca. 150 – 300 Eier auf einmal ab und somit können sich – unter derart tropischen Klimaverhältnissen – mehrere zusätzliche Generationen an Stechmücken in der Zeitspanne entwickeln, was zu einer deutlichen regionalen Zunahme von Mücken führen kann.

In der Rhein-Main-Region liegen die Temperaturen oft höher als in anderen Regionen Deutschlands, wird das Gebiet damit besonders von Mücken bevorzugt?

Prinzipiell ist die Rhein-Main-Region, klimatisch gesehen, ein ideales Gebiet für blutsaugende Arthropoden wie z. B. für Stechmücken. Generell werden wärmere Gebiete von vielen Stechmückenarten bevorzugt, insbesondere auch von den eingewanderten Arten wie z. B. der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) und Asiatischen Buschmücke (Aedes japonicus). Allerdings ist die Rhein-Main-Region an vielen Orten sehr trocken, wodurch den Stechmücken eine essentielle Grundlage für ihre Entwicklung fehlt – nämlich das Wasser. Daher ist das verstärkte Auftreten von Stechmücken auch an bestimmte lokale klimatische Voraussetzungen gekoppelt und daher auch nicht flächendeckend, sondern lokal begrenzt.

Einige invasive Arten wie die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus) und Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) sind bekanntlich auf dem Vormarsch. Gibt es dazu neue Erkenntnisse, wie groß ist die Gefahr, dass diese Arten hier Krankheiten übertragen?

Invasive, nicht indigene Spezies (NIS) gelten als einer der Hauptfaktoren sowohl für die Verdrängung als auch für das Aussterben von einheimischen Arten und stellen daher eine Gefahr für die Biodiversität dar. Die EU-Kommission schätzt die durch NIS entstehenden wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden auf 9,6 –12,7 Milliarden Euro jährlich. Eine der wichtigsten Gruppen im Themenkomplex stellen Stechmücken (Culicidae) dar. Durch die Aufnahme von Blutmahlzeiten können die Weibchen eine Vielzahl von Viren, Bakterien und Parasiten aufnehmen und übertragen.

Dazu zählen zum einen virusbedingte Infektionen, verursacht durch Dengue-, West-Nil- oder Chikungunya-Viren, und zum anderen durch protozoische (einzellige) Parasiten (Plasmodium spp.) hervorgerufene Erkrankungen wie die Malaria. Zudem können Filarien (z. B. Dirofilaria spp. – Hundeherzwurm) oder Bakterien übertragen werden. Derzeit leben ca. 45% der europäischen Bevölkerung in Gebieten, in denen invasive Stechmücken vorkommen. Weltweit sind ca. 3500 Stechmückenarten beschrieben, von denen mittlerweile ca. 50 Arten in Deutschland nachgewiesen sind.

Die absehbar bedeutendste Rolle in Europa spielen invasive (eingeschleppte) Arten wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus) sowie die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti). Aedes japonicus wurde 2008 erstmals in Deutschland nachgewiesen und ist heute in vielen Teilen Deutschlands verbreitet und als Art etabliert. Vektorpotenzial wurde für Aedes japonicus bislang nur im Labor nachgewiesen. Als wichtigerer Vektor ist daher eher die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) anzusehen. Aedes albopictus zählt zu den 100 am stärksten invasiven Arten weltweit.

Auch Aedes albopictus ist mittlerweile in der Lage, stabile Populationen in Deutschland zu bilden und sich weiter auszubreiten. Die Art ist dafür bekannt, eine Viel- zahl verschiedener Erreger zu übertragen, darunter Dengue-, Zika-Virus und den Hundeherzwurm. Allerdings sind Infektionen mit diesen Krankheitserregern momentan in Deutschland noch relativ unwahrscheinlich. Die zur Übertragung durch Stechmücken notwendigen infizierten Wirte sind bislang in Deutschland nur selten und somit kann der Erregerzyklus nicht hinreichend genug geschlossen werden.

Besteht z. B. bedingt durch den (Fern-)Tourismus oder die Globalisierung eine gesteigerte Gefahr, neuen Krankheitserregern, Parasiten und deren Überträgern gefährliche Zugänge in unseren geographischen Breiten zu ermöglichen?

Neben infizierten Personen, die Erreger aus den betroffenen Urlaubsgebieten mitbringen können, können auch die Vektoren durch (Fern-)Tourismus und globalen Handel (z. B. mitgebrachte Pflanzen, Handel mit Altreifen) versehentlich nach Deutschland eingeschleppt werden. So sind die in Deutschland gemeldeten Fälle von Krankheiten wie Dengue- und Zika-Fieber „Reisemitbringsel“ von Touristen aus den betroffenen Regionen (z. B. Südamerika, Asien, Afrika). Dabei kann die Rhein-Main-Region als Verkehrs- und Tourismusknotenpunkt (Flughafen, Autobahnen) eine wichtige Rolle spielen.

Derzeit besteht jedoch in unseren Augen keine gesteigerte Gefahr einer z. B. gefährlichen Virusübertragung (Arboviren) von Stechmücken auf den Menschen in Deutschland – wir forschen sehr aktiv über diesen Themenkomplex. Unter anderem arbeiten wir in mehreren durch die EU, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft geförderten Großprojekten über die Verbreitung, Auswirkungen und Gefahren, die von Stechmücken (u. a. einheimische und invasive Arten – wie Asiatische Tigermücke und Asiatische Buschmücke) ausgehen. Arboviren sind durch Arthropoden (Mücken, Zecken) übertragene (arthropod-borne) Viren. Verschiedene Viren nutzen Stechmücken entweder als Wirt oder als Transportmittel, als einen so genannten Vektor, um von einem Wirtsorganismus zu einem anderen zu gelangen.

Die Krankheitserreger werden dabei von der weiblichen Stechmücke mit einer Blutmahlzeit aufgenommen und beim nächsten Stich über den Speichel weitergegeben. Die durch sie verursachten Krankheiten stellen durchweg Zoonosen (vom Tier auf den Menschen übertragbare Krankheiten) dar, zirkulieren also in der Natur permanent in wild lebenden Tieren wie z. B. Vögeln, Fledermäusen oder Nagern. Gelegentlich kommt es aber zur Infektion von Hausund Nutztieren sowie des Menschen und dabei auch zu mehr oder weniger großen Epidemien. Die Krankheitsbilder können sehr unterschiedlich sein und reichen von grippeartigen Symptomen über Enzephalitiden bis hin zu hämorrhagischen Fiebern mit tödlichem Ausgang.

In jüngerer Zeit, insbesondere im Zuge des Klimawandels, wird zunehmend die Möglichkeit der Übertragung von Arboviren, wie z. B. West-Nil-, Tahyna- oder Sindbis-Virus, aber auch die Übertragung bestimmter Würmer (Dirofilarien) auch in unseren Breiten diskutiert und erforscht. Innerhalb der nächsten Jahre werden wir einen Überblick über die Artenverteilung der Stechmücken (in Deutschland und Europa) erhalten und wissen, welche Viren sie beherbergen und übertragen können. Derartig abgesicherte Daten sind essentiell, da sie es ermöglichen, einen potentiellen Ausbruch einer Infektionskrankheit rechtzeitig zu erkennen und daher präventive Maßnahmen ergreifen zu können.

Wie schätzen Sie das Risiko ein, sich hier in Deutschland mit dem Zika-Virus zu infizieren?

Zika-Viruserkrankungen sind seit 2016 in Deutschland meldepflichtig. Im Jahr 2016 wurden 23 Fälle gemeldet, 2017 waren es bisher 15 (Stand 21.6.2017 – Quelle: RKI). Das Zika-Virus, das zu den Arboviren gehört, kann durch Stechmücken (z. B. der Tigermücke) übertragen werden. Damit in Deutschland ein nennenswertes Risiko bestehen würde, müssten neben etablierten größeren Populationen der Tigermücken auch infizierte Personen (die den Erreger in sich tragen) in größerer Anzahl vorkommen. Diese Konstellationen liegen derzeit in Deutschland nicht vor und somit ist das Risiko einer Übertragung aus unserer Sicht verschwindend gering.

Können Sie als Biologen etwas dazu sagen, wie man sich gegen Mückenstiche schützen kann?

Viele gängige Produkte scheinen nicht ihren Zweck zu erfüllen. Generell helfen längere Kleidung und Moskitonetze, respektive unter dem Motto „nur eine Tote Stechmücke ist eine gute Stechmücke“ sollte man Mücken auch ruhig ganz klassisch mit der Hand erlegen, sofern man gestochen wird. Im eigenen Garten empfiehlt es sich, offene, stehende Wasseransammlungen zu vermeiden (Regentonnen abdecken, Blumentopfuntersetzer leeren). Mückenschutzmittel, die für die Tropen empfohlen werden wie „No-Bite“, bieten zuverlässigeren Schutz als gängigere Produkte, können jedoch bei übermäßiger Anwendung zu Hautreizungen führen.

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Sven Klimpel ist Professor für Integrative Parasitologie und Tierphysiologie am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität an der Goethe-Universität.
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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.

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