Die Analyse von Stickstoffisotopen bezeugt die älteste bislang nachgewiesene Fotosymbiose in Korallen
Ein Forschungsteam um das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und die Goethe-Universität Frankfurt hat mittels Stickstoffisotopenanalysen nachgewiesen, dass fossile Korallen, die es vor 385 Millionen Jahre in der Eifel und im Sauerland gab, symbiontisch waren. Dies ist der älteste Beweis für Fotosymbiose in Korallen. Die Fotosymbiose könnte erklären, warum prähistorische Korallenriffe trotz nährstoffarmer Umgebung enorme Ausmaße erreichten.
Tropische Korallenriffe gehören zu den artenreichsten Lebensräumen der Erde, weswegen sie auch als Regenwälder der Meere bezeichnet werden. Moderne riffbildende Korallen haben sich im Erdzeitalter der Trias, also vor etwa 250 Millionen Jahren entwickelt. Sie können in Symbiose mit winzigen Organismen, oftmals Algen leben, die Fotosynthese betreiben können. Diese Fotosymbiose ist besonders in nährstoffarmen Gewässern vorteilhaft, da sie die Korallen besser mit Nährstoffen versorgt.
Dass es Korallen schon im Erdzeitalter des Devons vor über 385 Millionen Jahren gab, lässt sich geologisch beispielsweise in der Eifel oder im Sauerland nachweisen. Hier findet man Fossilien der ausgestorbenen Böden- und Runzelkorallen, die in der Fachsprache Tabulata beziehungsweise Rugosa heißen. Denn zur Zeit des mittleren Devons war das Rheinische Schiefergebirge von einem tropischen Meer bedeckt, in dem riesige Riffe wuchsen. Es ist jedoch nicht klar, ob die ausgestorbenen Korallengruppen des Devons in Fotosymbiose lebten oder nicht.
Ein Forschungsteam, geleitet vom Max-Planck-Institut für Chemie, mit Forschenden der Goethe-Universität Frankfurt und des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt, hat nun mit Hilfe von Stickstoffisotopenanalysen nachgewiesen, dass auch einige ausgestorbene Korallen aus der Zeit des mittleren Devons bereits symbiontisch waren. Es ist der bisher älteste gesicherte geochemische Beweis für die Fotosymbiose in Korallen.
Vergleich von symbiontischen mit nicht-symbiotischen Korallen
Der Nachweis gelang den Forschenden, indem sie zunächst Stickstoffisotopenwerte im organischen Material von heutigen symbiontischen und nicht-symbiontischen Korallen verglichen. Stickstoffisotopenwerte, genauer das Verhältnis von schwerem Stickstoff (15N) zu leichtem Stickstoff (14N), eignen sich, um verschiedene Stufen der Nahrungspyramide zu unterscheiden. So können Forschende anhand der Stickstoffisotope zum Beispiel feststellen, ob sich ein Lebewesen vegetarisch oder von Fleisch ernährt. Denn je höher ein Lebewesen in der Nahrungspyramide steht, desto größer ist sein Stickstoffisotopenwert, weil Organismen leichten Stickstoff etwas schneller verstoffwechseln als schweren und damit auch den leichteren ausscheiden.
Bei der Analyse moderner Steinkorallen zeigte sich ein immer gleicher Unterschied: Korallen, die ihre Energie primär aus der Photosynthese symbiontischer Algen beziehen, haben einen niedrigeren Stickstoffisotopenwert als nicht-symbiontische Korallen. Im Gegensatz dazu weisen Korallen, die sich durch aktives Fangen von Plankton ernähren, höhere Stickstoffisotopenwerte auf.
„Der konstante Unterschied in den Stickstoffisotopenwerten entspricht unserer Erwartung und zeigt den typischen Sprung in der Nahrungskette“, sagt der marine Geochemiker Jonathan Jung vom Max-Planck-Institut für Chemie und Erstautor der jetzt im Fachmagazin Nature erschienenen Studie. Denn symbiontisch lebende Korallen stehen in dieser Hierarchie eine Stufe unter nicht-symbiontischen.
Fossilienproben aus dem Sauerland, der Eifel, Westsahara und Marokko
„Auf Basis dieser Erkenntnis konnten wir der Frage nachgehen, welche Nische die Korallen im Devon einnahmen“ so Koautor und Mitinitiator der Studie Simon Felix Zoppe von der Goethe-Universität Frankfurt.
Zu diesem Zweck analysierten die Forschenden fossile Korallen aus dem Sauerland, der Eifel, der Westsahara und Marokko, die teils direkt für die Studie im Gelände gesammelt wurden, teils aus der Sammlung des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt stammen.
Die Schwierigkeit: In den Versteinerungen ist der Anteil an organischem Material, das für die Analyse notwendig ist, verschwindend gering. Ein Team um Alfredo Martínez-García vom Mainzer Max-Planck-Institut hat jüngst jedoch eine neue Messmethode angewandt, die mit Mengen von wenigen Milligramm fossiler zermahlener Korallen auskommt.
Auch bei den Fossilien zeigte sich zwischen einzelnen Korallenarten ein konstanter Unterschied in den Stickstoffisotopenwerten: Typischerweise zeigten die Kolonie-bildenden Korallen der Ordnung Tabulata eindeutig niedrigere Stickstoffisotopenwerte als die zumeist solitären Korallen der Ordnung Rugosa. Hieraus schlussfolgern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass bereits im mittleren Devon bestimmte Korallenarten in Photosymbiose lebten, andere jedoch nicht.
„Diese frühe Photosymbiose könnte erklären, warum die urzeitlichen Riffe trotz nährstoffarmer Umgebung sehr produktiv waren und gigantische Ausmaße hatten“, sagt Alfredo Martínez-García.
Die Studie ist zudem der Startpunkt, den Nährstoffkreislauf des Erdaltertums (Paläozoikum), zu dem das Devon gerechnet wird, detaillierter als bisher zu untersuchen. So kann die Methode bei der Klärung der Frage helfen, inwieweit das Massenaussterben von Korallen und anderen Riffbewohnern gegen Ende des Devons mit dem Nährstoffgehalt der Meere in Zusammenhang steht. „Nun können wir auch die Nahrungsketten an frühen Riffen besser verstehen“, sagt Eberhard Schindler vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Dies wiederum könnte Erkenntnisse liefern, die beim Erhalt heutiger Korallenökosysteme helfen. Zudem hoffen die Forschenden die Nahrungsketten noch weiter zurück in der erdgeschichtlichen Vergangenheit zu analysieren.
Devon
Das Devon ist eine erdgeschichtliche Periode des Erdaltertums bzw. Paläozoikums. Es begann vor etwa 419 Millionen Jahren und endete vor etwa 359 Millionen Jahren. Im Devon rückten die Großkontinente Laurussia und Gondwana näher zusammen und es entstanden riesige Korallenriffe, von denen zahlreiche im heutigen Europa, Nordamerika, Nordafrika, Australien, Sibirien und China fossil erhalten geblieben sind.
Stickstoffisotopenanalyse
Je größer in einer Probe das Verhältnis der unterschiedlich schweren Isotope 15N zu 14N des Stickstoffs (N) ist, desto höher ist die Position eines Tieres in der Nahrungskette. Im Stoffwechsel von Tieren entstehen stickstoffhaltige Abbauprodukte wie Ammonium oder Harnstoff. Die Ausscheidung dieser Stoffwechselprodukte führt zu einem Anstieg des Verhältnisses von „schwerem“ Stickstoff (15N) zu „leichtem“ Stickstoff (14N) im Organismus im Vergleich zu seiner Nahrung. Korallen, die sich von Plankton ernähren, haben daher ein erhöhtes Stickstoffverhältnis gegenüber symbiontischen Korallen.
Publikation: Jonathan Jung, Simon F. Zoppe, Till Söte, Simone Moretti, Nicolas N. Duprey, Alan D. Foreman, Tanja Wald, Hubert Vonhof, Gerald H. Haug, Daniel M. Sigman, Andreas Mulch, Eberhard Schindler, Dorte Janussen, Alfredo Martínez-García: Coral Photosymbiosis on Mid-Devonian Reefs. Nature (2024) https://doi.org/10.1038/s41586-024-08101-9