Lars Schweizer über die Frage, wie M&A-Transaktionen erfolgreich sein können und warum externe Berater meist keine große Hilfe dabei sind.
Gibt es Erkenntnisse über den durchschnittlichen Erfolg von Firmenübernahmen?
Es kommt darauf an, wie man den Erfolg misst. Je nach Ansatz kommt man zu dem Ergebnis, dass zwischen 40 und 70 Prozent der Übernahmen scheitern. Die große Spanne liegt an den unterschiedlichen Herangehensweisen. Manche beurteilen Übernahmen danach, ob der Aktienkurs seit dem Tag der Ankündigung des Mergers gestiegen oder gefallen ist. Das funktioniert aber nur, wenn man von effizienten Kapitalmärkten ausgeht und kurzfristige Effekte sowie gesamtwirtschaftliche Entwicklungen aus den Kursen herausrechnet. Eine weitere Möglichkeit ist es, Unternehmenszahlen wie Return on Equity oder Return on Investment im Zeitablauf zu untersuchen. Da es bei der Bilanzierung viel Spielraum gibt, ist die Aussagekraft dieses Ansatzes aber auch nicht einwandfrei.
Die genausten Ergebnisse erhält man, wenn man die verantwortlichen Manager in den Unternehmen befragt. Denn entscheidend für die Beurteilung einer M&A-Transaktionen ist letztlich, ob die damit verbundene Zielsetzung erreicht worden ist: Die einen möchten Synergien heben und Kosten reduzieren, andere in einen bestimmten Markt neu eintreten oder sich im Bereich Forschung und Entwicklung verbessern. Ob die individuelle Zielsetzung erreicht wurde oder nicht, kann man aber letztlich nur durch eine Befragung in Erfahrung bringen. Einen korrekten Vergleichswert, nämlich wie sich die beiden Unternehmen ohne die Transaktion weiterentwickelt hätten, erhält man allerdings auch auf diese Weise nicht.
Gibt es Unterschiede je nach Branche oder Größe der Unternehmen?
Kleinere Unternehmen sind im Schnitt etwas erfolgreicher, weil die Komplexität der Transaktion geringer ist. Unterschiedliche Erfolgsquoten je nach Branche finden wir nicht. Dagegen spielen Distanz und Kultur eine Rolle: Grenzüberschreitende Übernahmen sind in der Regel problematischer als solche innerhalb eines Landes.
Die Furcht der Mitarbeiter vor einer Übernahme durch ein U.S.-Unternehmen oder einen chinesischen Großkonzern ist also meist berechtigt?
Man muss da differenzieren. Die zunehmend zu beobachtende M&A-Aktivität von Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländern in Industrieländern trifft zwar zumeist auf viel Skepsis im Vorfeld. Oftmals sind die Mitarbeiter des übernommenen Unternehmens aber im Nachhinein überrascht, wie gut die Zusammenarbeit läuft. Der Hintergrund ist, dass solche Übernahmen in der Regel den Eintritt in den Markt zum Ziel haben. Es stellen sich also keine Fragen nach Konsolidierung und Entlassungen, sondern man möchte im Gegenteil investieren und ausbauen.
Was müssen Unternehmen bei Übernahmeprozessen beachten? Kann man „Übernehmen lernen“?
Eine Vielzahl empirischer Studien zeigt, dass Unternehmen, die über Akquisitionserfahrung verfügen, tendenziell höhere Erfolgsaussichten haben. Die Frage ist aber natürlich, wie ein solcher Lernprozess im Unternehmen implementiert wird. In einer aktuellen Publikation* können wir zeigen, dass es ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, den Bereich M&A an einer zentralen Stelle im Unternehmen zu verankern und dort das Wissen um die Abläufe und Routinen zu bündeln. Entscheidend ist zudem, dass eine solche zentrale Abteilung die Transaktion von Anfang bis Ende strukturiert begleitet. Das ist häufig nicht so. Oft entwickeln die einen die Strategie, die anderen nehmen die Bewertung vor, wieder andere kümmern sich um die Integration. Da gehen viele Informationen an den Schnittstellen verloren und zudem wird der nächste Schritt oft nicht mitgedacht. Zum Beispiel muss man die Probleme der Integration schon bei der Bewertung berücksichtigen: Lassen sich die Synergien, die ich berechne und bewerte, praktisch überhaupt realisieren? Wer den M&A-Prozess als Gesamtprozess versteht und zentral begleitet, wird langfristig deutlich erfolgreicher sein.
Wie verbreitet ist eine solche spezifische M&A-Abteilung?
Früher war eine solche Einrichtung eher selten, inzwischen setzt sie sich mehr und mehr durch. In unserer Befragung von Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum von 2009 hatte nur rund 60 Prozent eine spezifische M&A-Abteilung oder ein entsprechendes Team in der Strategieabteilung. Natürlich hängt das auch stark von der Größe des Unternehmens ab. Bei einem Mittelständler, der ein oder zwei Mal in der Unternehmensgeschichte eine andere Firma übernimmt, macht eine eigene Abteilung keinen Sinn. Da sollte eher auf externe Berater zurückgegriffen werden.
Wie erfolgreich sind Transaktionen, die mit externen Beratern durchgeführt werden?
Wir haben in unserer Befragung keine signifikanten Ergebnisse dafür gefunden, dass externe Berater einen positiven Einfluss auf den M&A-Erfolg haben. Das liegt vermutlich daran, dass Berater zwar einen solchen Prozess gekonnt managen können, dass ihnen aber das interne Know-How fehlt, um die Transaktion langfristig erfolgreich umzusetzen. Der Knackpunkt bei einer Transaktion liegt nämlich letztlich nicht im Bereich der Strategie oder Bewertung, sondern in der Integration. Da können Externe nur bedingt unterstützen, da sie die unternehmensinternen Prozesse nicht kennen und die Probleme, die potenziell auftreten, nicht antizipieren können. Oft sind die Berater bei der Umsetzung auch gar nicht mehr beteiligt. Daher heißt es gerne, dass M&A in der Beratersprache für „Machen und Abhauen“ steht, während es für das Unternehmen heißt: „Machen und Ausbaden“. Das bedeutet im Klartext: Eine interne Abteilung wird eine potenzielle Transaktion von Beginn an realistischer beurteilen, weil sie zum einen eher um die Umsetzungsprobleme weiß und zum anderen diese auch nicht verschweigen wird, da sie sich nicht im Laufe der Transaktion verabschieden kann.
Die Fragen stellte Muriel Büsser.
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Lars Schweizer ist seit 2007 Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Strategisches Management an der Goethe-Universität Frankfurt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A), strategische Allianzen und strategisches Management.
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Autorin: Muriel Büsser