Buch zur Geschichte der Freundesvereinigung – Ein Interview mit dem Autor Michael Maaser.
„Stifter werden Freunde“ lautet der Titel des „Erinnerungs- und Gedenkbuchs“, das der Leiter des Universitätsarchivs, PD Dr. Michael Maaser, im Auftrag der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität geschrieben hat. Die erweiterte Chronik beleuchtet das besondere Verhältnis von Bürgerschaft und Universität in Frankfurt in den vergangenen 100 Jahren mit allen ihren Kontinuitäten und Brüchen. Diese Geschichte der Freunde illustriert in Wort und Bild, wie die Vorsitzenden der Vereinigung – überwiegend „führungserfahrene und starke Unternehmer“ – auf ihre unterschiedliche Art zum Wohl der Universität agiert haben. Allen gemeinsam war das Bestreben, Brücken zwischen Bürgern und Universität zu schlagen und die Universität und ihre Projekte in Forschung und Lehre finanziell zu unterstützen.
Um die Jahrhundertwende und zu Beginn des 20. Jahrhundert lag es im Trend, dass sich das Bildungsbürgertum für die Universitäten in seiner Stadt interessierte und Freundeskreise etablierte. Worin unterscheidet sich die Frankfurter Initiative von den Aktivitäten in Bonn, Göttingen, Freiburg, Gießen und anderswo?
Der Titel „Stifter werden Freunde“ verrät bereits die Pointe meines Buches: Freunde der Universität gibt es in Frankfurt bereits vor der Eröffnung der Universität. Die sorgen sich als Stifter um die Universitätsgründung. In anderen Städten erfolgt erst die Inauguration der Universität, dann finden sich Freundeskreise. In Frankfurt ist es umgekehrt: zuerst der Freundeskreis, dann die Universität.
2014 hat die Goethe-Universität ihren 100. Geburtstag gefeiert – vier Jahre später steht nun das Jubiläum bei der Freundesvereinigung an. Wie kam es dazu, dass die Stifter der Universität erst nach Ende des Ersten Weltkriegs 1918 offiziell einen Verein gegründet haben?
Das war eher eine formale Sache. Offizielle Gründung heißt Eintrag in das Vereinsregister der Stadt Frankfurt. Der erfolgte Ende November 1918.
Die Mehrzahl der Stifter und Mäzene hatte jüdische Wurzeln, dies spiegelt sich auch in der Zusammensetzung der Freundesvereinigung wider. Wie bestimmend waren die großbürgerlichen Familien?
Betrachten Sie die Verwandtschaftsverhältnisse der alten Frankfurter Bürgerfamilien, die ja auch untereinander heiraten und im Grunde eine eigene Gruppe innerhalb der Stadtgesellschaft bilden, dann stellen Sie fest, dass es immer wieder die gleichen Familien sind, die sich für die Universität engagieren: wie die Familien Merton, Weinberg, Hauck und Metzler. Die Frankfurter Universität ist und bleibt, bei allen Brüchen, die es in ihrer Geschichte gibt, eine Angelegenheit der Bürger. Das macht sie so besonders.
Eine zentrale Figur ist Henry Oswalt, dessen im Januar dieses Jahres verstorbene Enkel Michael Hauck das Erscheinen dieses Buches finanziell ermöglicht hat. Was hat Oswalt bewegt, sich sowohl für die Gründung der Universität als auch der Freundesvereinigung stark zu machen?
Henry Oswalt war einer der Väter der Universität Frankfurt. Er blieb immer im Schatten von Franz Adickes und Wilhelm Merton. Das wollte er auch so. Aber im Gegensatz zu Adickes und Merton begleitete Oswalt nicht nur die Entstehung und erlebte die Gründung der Universität, sondern gestaltete auch ihren Ausbau mit. Er erfand die Freunde und Förderer, seine Idee von „Bürgerschaft und Universität“ ist heute noch das Credo der Freundesvereinigung.
Sie beschreiben die erfrischende intellektuelle Atmosphäre in den 1920er Jahren. Auf welcher Weise partizipierten die Freunde der Universität an diesen inspirierenden, durchaus kontroversen Diskussionen?
Bemerkenswert ist, dass sich die Stimmung der 1920er-Jahre auf die Freundesvereinigung überträgt und sie es wagt, auch avantgardistische Projekte zu fördern. Sie unterstützte zum Beispiel die Berufung Franz Oppenheimers auf die erste ordentliche Professur für Soziologie an einer deutschen Universität oder finanzierte den Stern-Gerlach-Versuch mit, dieses wegweisende und grundlegende Experiment zur Quantenmechanik.
Die Entwicklung der Freundesvereinigung machen Sie an den wichtigen Akteuren, insbesondere am Engagement der Vorstandsmitglieder, fest. Gab es in den zurückliegenden 100 Jahren nach Wechseln im Vorstand auch richtungsweisende Veränderungen?
An der Spitze des Vereins standen immer starke Persönlichkeiten, heute sagt man „Führungskräfte“ dazu. Jeder Vorsitzende – und bisher führten nur Männer den Verein – prägte die Vereinigung auf seine Art. Vorstände oder Beiräte dienten ihnen eher als Netzwerk, das sie für ihre Vereinsarbeit nutzen konnten. Ja, meinem Buch liegt die Annahme zugrunde, dass die Vorsitzenden die Vereinspolitik bestimmten.
In all den Jahren haben die Freunde der Universität Forschungsvorhaben ebenso unterstützt wie auch infrastrukturelle Maßnahmen, gab es auch Hilfen für die stetig wachsende Zahl von Studierenden?
Zunächst mal zu den Studierenden: Wir können uns heute schwer vorstellen, dass Studierende von Anfang an sowohl an der Universität als auch an der Freundesvereinigung beteiligt waren. So waren die „Frankfurter Universitätszeitung“, später der „Diskus“ zunächst Projekte der Studierenden in Kooperation mit den Freunden und eher konservativ ausgerichtet. Kein Fest nach 1950, bei dem nicht die Studierenden die Hauptrolle gespielt hätten. Erst im Verlauf der 1960er-Jahre – die Universität muss jetzt mit einer Masse von Studierenden fertig werden – ändert sich das. Jetzt konzentrierte sich die Vereinigung darauf, Qualität in der Quantität zu fördern, so hat es zumindest einer ihrer Vorsitzenden einmal formuliert. Konkret bedeutete das, hervorragende Nachwuchswissenschaftler finanziell zu unterstützen und auszuzeichnen. Hilfen für Studierende waren kein Thema; das kam erst in den vergangenen Jahren auf, seitdem die Freundesvereinigung bei der Finanzierung der Deutschland-Stipendien mitwirkt.
Sie deuten in Ihrem Buch an, dass es in den 1960er und 1970er Jahren zu einer gewissen Entfremdung zwischen der bürgerlichen Stadtgesellschaft und der Universität kam, Dazu trug besonders die Studentenbewegung bei, wie es der Rechtshistoriker Prof. Michael Stolleis 2014 bereits in einem Beitrag in Forschung Frankfurt detailreich analysierte. Das Ende der Kooperation von AStA und Freundesvereinigung bei der vielbeachteten Zeitschrift „Diskus“ scheint mir in diesem Zusammenhang bezeichnend.
Die Studentenbewegung ist nicht der Hauptgrund, dass Freunde und Förderer nicht mehr mit den Studierenden kooperierten. Der Hauptgrund ist der nicht kontrollierbare Anstieg der Immatrikulierten, der die Universität, zumindest in der Sichtweise einiger Beteiligter, zur „Massenuniversität“ verkommen ließ.
Edelgard Timm, Renate von Metzler – wie brachten sich die wenigen Frauen im Vorstand der Freundesvereinigung ein?
Die Frauen in der Freundesvereinigung waren zuerst einmal die Ehefrauen, die selbst nicht Mitglied waren, aber am Vereinsleben teilnahmen und das Engagement ihrer Männer mittrugen und unterstützten. Heute reißen die Frauen im Vorstand mit Hands-on-Projekten die Männer mit, das beste Beispiel dafür ist Renate von Metzler.
Im Universitätsarchiv, das Sie seit 15 Jahren leiten, gibt es umfangreiches Quellenmaterial auch zur Freundesvereinigung. Standen Sie eher vor dem Problem, zu viele Quellen sichten zu müssen; oder gab es bei Ihren Recherchen auch Themen, zu denen die Materiallage eher dünn war und Sie gern mehr Hinweise gefunden hätten? Können Sie Beispiele nennen?
Für die ersten 50 Jahre sprudeln die Quellen nicht so stark wie nach dem Krieg. Das hängt aber auch damit zusammen, dass der Führungsstil und das Kommunikationsverhalten sich geändert haben. Vor dem Krieg und auch in der Zeit des Nationalsozialismus wird vieles nur mündlich verhandelt und ganz bewusst nicht schriftlich fixiert. Darauf gibt es in den Quellen Hinweise. Das ist auch nichts Besonderes. Trotzdem ärgerlich, weil ich gerne mehr Details erfahren hätte, zum Beispiel, wie Arthur von Weinberg nach 1933 von Universität und Verein behandelt wurde. Erst ab den 1950er-Jahren beginnt man, alles ausführlich zu dokumentieren, und es entstehen Aktenberge. Konkret hätte ich gerne mehr über einzelne Akteure erfahren, zum Beispiel zu Edelgard Timm, sie war Rechtsanwältin in Frankfurt und als erste Frau im Vorstand, oder Erwin Selck, der gemeinsam mit Rektor Platzhoff den Verein während der Nazi-Zeit ab 1937 praktisch alleine steuerte.
Inwieweit haben Sie Zeitzeugen in Ihre Arbeit eingebunden?
Ich erhielt viele Hinweise und habe mit zahlreichen Freundinnen und Freunden gesprochen. Alle Informationen, die ich mündlich bekam, dienten mir als Hinweise. Ich prüfte sie anschließend noch anhand der gedruckten oder ungedruckten Quellen. Zu der Gegenwart, konkret zu den Amtszeiten Hilmar Kopper und Wilhelm Bender, muss ich gestehen, fehlt mir die Distanz. Ich hätte gerne das Buch um die Jahrtausendwende enden lassen. Jetzt bietet das Schlusskapitel „Bis zur Gegenwart“ einen Ausblick, und ich erfülle hier zumindest meine Chronistenpflicht.
Sind Sie bei Ihren Recherchen auf etwas absolut Unerwartetes gestoßen? Wie schaut es mit kuriosen Funden bei Schriftstücken und Bildmaterial aus?
Kuriositäten gibt es eine ganze Reihe, man lese nur die Abschnitte über die Tombolas, mit denen der Verein in der Nachkriegszeit Geld für den Wiederaufbau der Universität sammelte. Für mich war es auch eine wichtige Erkenntnis, wie eng doch die Universität und die Freundesvereinigung in den ersten 30 Jahren ihres Bestehens mit der IG Farbenindustrie verbunden waren. Über diese Beziehung sollten wir künftig nachdenken und forschen.
[Das Interview mit Michael Maaser führte Ulrike Jaspers]
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Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum erschienen:
Michael Maaser, Stifter werden Freunde,
Die Geschichte der Freundesvereinigung der Goethe-Universität Frankfurt,
Frankfurt 2018, Henrich Editionen, ISBN 978-3943407-99-0,
Preis 14,95 €, (VFF-Mitglieder erhalten das Buch kostenlos).
Homepage der Vereinigung von Freunden und Förderern »
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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.18 des UniReport in gekürzter Version erschienen.