Heute fliegt der deutsche Astronaut Alexander Gerst mit dem russischen Kosmonauten Sergei Prokopjew und der US-Astronautin Serena Aunon zur Internationalen Raumstation ISS. Mit an Bord ist EXCISS, das Experiment zur Planetenentstehung von Physikstudierenden der Goethe-Uni. Eine gute Mission und erfolgreiche Tests! Aus diesem Anlass gibt es hier noch einmal den Artikel zum Experiment aus dem UniReport 5.17 zu lesen:
Physiker und Geowissenschaftler der EXCISS-Projektgruppe konnten sich im DLR-Wettbewerb durchsetzen.
Mitte/Ende Oktober wird es ernst. Nicht zum ersten Mal, und nicht zum letzten Mal. Dann schickt das US-amerikanische Weltraum-Unternehmen „NanoRacks“ den kleinen Kasten nach Frankfurt zurück, um den seit einigen Monaten nahezu alle Gedanken der Geowissenschaftlerin Tamara Koch kreisen. In diesen Metallquader, ungefähr 15 cm hoch, 10 x 10 cm breit und tief, ist EXCISS eingebaut, das Experiment, das Koch zusammen mit elf weiteren Studierenden und Promovierenden der Physik und der Geowissenschaften entworfen und gebaut hat.
EXCISS soll im März 2018 auf einem Versorgungsflug zur Raumstation ISS transportiert werden, sodass der deutsche Astronaut Alexander Gerst das Experiment während seiner „Horizons“-Mission durchführen und damit eine wichtige Theorie zur Planetenentstehung überprüfen kann. „NanoRacks“ hat das studentische Experiment einige Wochen zuvor aus Frankfurt erhalten und in Houston, Texas, genau geprüft:
Ist die elektromagnetische Strahlung ausreichend abgeschirmt, so dass sie keinerlei Störungen verursachen kann? Sitzen alle Komponenten so fest, dass sie die Vibrationen beim Raketenstart überstehen werden und nicht abbrechen? Verbunden mit den Änderungswünschen wird „NanoRacks“ jetzt den Metallquader mit seinem kostbaren Inhalt nach Deutschland zurückschicken.
Koch und ihren Kommilitonen bleiben dann rund drei Monate, um darauf einzugehen und den Nachweis zu erbringen, dass nun allen Sicherheitsvorschriften Genüge getan wird. Am Ende dieser Frist, Anfang 2018, wird es ungefähr ein Jahr her sein, dass der Geowissenschaftler Prof. Frank Brenker eine E-Mail mit der Ausschreibung eines Wettbewerbs erhielt, an seine Doktorandin Tamara Koch weiterleitete und außerdem mit einem Aushang auf dem Riedberg-Campus nach Interessentinnen und Interessenten suchte:
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) würde den Studierenden-Wettbewerb „Überflieger“ veranstalten, dessen drei Gewinner-Teams ihre selbst entworfenen und realisierten Experimente jetzt zur internationalen Raumstation ISS schicken dürfen. „Nachdem wir uns dafür entschieden hatten, bei dem Wettbewerb mitzumachen, haben wir uns erstmal zusammengesetzt und überlegt, was wir machen könnten“, erzählt Koch.
„Beim dritten oder vierten Treffen ist dann die Idee entstanden, die das DLR letztlich überzeugt hat.“ Das Team der Goethe-Universität will nämlich die sogenannte Blitzhypothese zur Entstehung von Chondren überprüfen: Chondren sind kleine Gesteinsklumpen, die den Grundstein für bestimmte Meteoriten bilden, und bislang ist nicht geklärt, wie Chondren in der Frühzeit des Sonnensystems entstanden sind – ob durch die Einwirkung von Blitzen, Schockwellen oder Asteroiden.
Astronaut Alexander Gerst führt Frankfurter Experiment auf der ISS durch
„Wir verwenden eine Probenkammer aus Glas, das ist ein T-förmiges Röhrchen, das von einer 2V-Batterie mit elektrischer Energie versorgt wird“, beschreibt Koch das Experiment. „In der Probenkammer herrscht eine sehr dünne Atmosphäre aus Neon; ansonsten sind weder Luft noch andere Gase vorhanden. Außerdem befindet sich noch Staub aus Magnesium-Silikat in der Probenkammer, so wie es ihn auch vor 4,6 Milliarden Jahren bei der Entstehung unseres Sonnensystems gab.
In dieser Probenkammer werden Blitze erzeugt, indem Plattenkondensatoren aufgeladen und anschließend wieder entladen werden. Die Staubpartikel werden mit den Blitzen beschossen, und wir sehen hoffentlich, dass sich die Partikel sehr stark aufheizen und zu Chondren zusammenschließen. Auf der Erde wären solche Experimente nicht möglich, nicht einmal in Falltürmen, wo immerhin für eine begrenzte Zeit Schwerelosigkeit herrscht.
Auf der ISS wird Alexander Gerst das Verhalten der Staubpartikel mit einer Kamera aufzeichnen – dort herrscht für unser Experiment ein einzigartiges Umfeld“, fasst Koch den Clou von EXCISS zusammen. In der ersten Runde des Wettbewerbs hatte das Team der Goethe-Universität eine ähnliche, wissenschaftlich angemessene Beschreibung seiner Idee eingereicht, zusammen mit einer Schaltskizze des Experiments.
In der zweiten Runde hatte das DLR-Raumfahrtmanagement einen zweitägigen Auswahlworkshop veranstaltet, auf dem die Gruppe um Koch ihre Idee einer Fachjury vorstellte und mit Hilfe eines detailgetreuen Modells aus dem 3D-Drucker erläuterte. Für die umfangreichen Funktions- und Sicherheitstests an der EXCISS-Apparatur musste bei „NanoRacks“ statt des Modells natürlich der echte, funktionsfähige Prototyp des Experiments vorliegen.
Damit er termingerecht hergestellt werden konnte, war Teamwork in der Gruppe unerlässlich: Als Gruppenleiterin war und ist Koch dafür zuständig, Aufgaben zu verteilen, Arbeitsschritte zu organisieren und zu koordinieren, Finanzierungsanträge und Sicherheitsformulare auszufüllen, mit den US-amerikanischen Partnern – NanoRacks und seinem Schwesterunternehmen DreamUp – zu kommunizieren.
Umfangreiche Vorbereitungen
Daneben haben sich die beiden Physiker der Gruppe um die Elektronik des Experiments gekümmert – vom Computer, der den Ablauf der einzelnen Versuchsschritte steuert, bis zur Erzeugung der Blitze, deren Auswirkungen studiert werden sollen. Unterdessen mussten einige Geowissenschaftler die Optik-Anforderungen des Experiments erfüllen:
In welcher Vergrößerung muss der EXCISS-Versuch von der Kamera aufgenommen werden, und welche Linsen sind dafür bei dem Optik-Hersteller Zeiss zu bestellen? Kann die Kamera die 100 Mikrometer (1/10 Millimeter) großen Staubpartikel aus Magnesium-Silikat überhaupt noch einzeln registrieren? Wobei es solche möglichst gleichmäßig großen Partikel ja nicht im Supermarkt um die Ecke zu kaufen oder im Internet zu bestellen gibt; das Magnesium-Silikat war in der Arbeitsgruppe Kristallographie synthetisiert worden und lag zunächst in Form von gepressten Pellets vor.
Die drei Geowissenschaftler, deren Aufgabe die Probenpräparation war, mussten diese Pellets klein mörsern, um nach zweimaligem Sieben diejenigen Partikel zurückzubehalten, die mindestens 80 und höchstens 100 Mikrometer groß waren. Andere Mitglieder der EXCISS-Projektgruppe waren für die mit Neon gefüllte Probenkammer aus Glas verantwortlich und arbeiteten mit einem lokalen Unternehmen für Lichtwerbung und Illumination zusammen.
Wieder anderen Gruppenmitgliedern oblag es, den EXCISS- Computer, der sich auch in dem Metallkasten befindet, so zu programmieren, dass er mit dem Zentralrechner der ISS kommunizieren und Alexander Gerst darüber im All auf das Experiment zugreifen kann. Bis der Projektgruppe alle Bauteile und Komponenten des Experiments zur Verfügung standen, bis alles zusammengelötet und in den Metallquader eingebaut war, und bis sichergestellt war, dass alle Schaltkreise genauso funktionierten, wie sie sollten, war es im Sommer und Spätsommer schon einmal ernst und stressig geworden – das fertige und funktionsfähige Experiment musste schließlich rechtzeitig bei „NanoRacks“ in Houston vorliegen.
Bis Ende Oktober von dort die Rückmeldung kommt und es wieder ernst wird, bleibt Koch und den anderen Mitgliedern der EXCISS- Gruppe eine kurze Atempause, bevor sie zum Endspurt ansetzen und auf das Feedback von „NanoRacks“ eingehen. Wo der Start des Versorgungsflugs erfolgt, der EXCISS sowie die studentischen Experimente aus Stuttgart und Duisburg-Essen mit zur ISS nimmt, wo es also endgültig ernst wird – in Florida oder Virginia – steht noch nicht fest. Eines steht allerdings fest: Studierende der Goethe-Universität werden live dabei sein. „Für vier von uns übernimmt das DLR die Reisekosten“, berichtet Koch, „und für die anderen müssen wir uns noch was einfallen lassen.“
[Autorin: Stefanie Hense]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 5.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.