Studie: Wie Wortwahl der EZB den Finanzmarkt beeinflusst

Studie an der Goethe-Universität zeigt: Kommunikation der EZB hat einen starken Einfluss auf Finanzmärkte

Acht Mal im Jahr legt die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins fest und verkündet diesen mittels Pressemitteilung und Pressekonferenz. Eine Studie von Professor Christian Wagner (Wirtschaftsuniversität Wien, WU) und Professor Maik Schmeling (Goethe-Universität Frankfurt) zeigt, dass nicht nur der Leitzins an sich, sondern auch die Art und Weise der Kommunikation der EZB Auswirkungen auf den Finanzmarkt haben.

Die wichtigste Aufgabe der EZB besteht darin, stabile Preise im Euroraum zu gewährleisten, indem sie größere Schwankungen im Geldwert vermeidet und die Inflationsrate nahe zwei Prozent hält. Dafür braucht sie unter anderem den Leitzins, der sowohl die Basis für Transaktionen im Finanzmarkt abgibt als auch die Konditionen für Sparen und Kredite bildet. Senkt die EZB den Leitzins, dann wird Sparen weniger attraktiv, Kredite hingegen werden günstiger. Etwa alle sechs Wochen legt die EZB den aktuellen Leitzins fest und veröffentlicht ihre Zinsentscheidung um 13:45 Uhr in einer kurzen Mitteilung. Um 14:15 Uhr folgt dann eine Pressekonferenz, in der die Zentralbank die Zinsentscheidung begründet und auch ihre Einschätzung zu weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen erläutert.

In einem aktuellen Forschungsprojekt haben Christian Wagner (WU Wien) und Maik Schmeling von der Goethe-Universität untersucht, ob sich die Art, wie die EZB ihre Geldpolitik kommuniziert, auch in den Preisen von Vermögenspreisen wie z.B. Aktien widerspiegelt. Dabei kam heraus: Wenn der „Ton“ der EZB sich ändert, hat dies einen signifikanten Effekt auf die Preise von Finanzinstrumenten. Formuliert die EZB positiver, dann steigen die Kurse von Aktienindizes, gleichzeitig fallen die Preise von Derivaten, die zur Risikoabsicherung dienen. „Eine positivere Wortwahl scheint die Risikobereitschaft von Markteilnehmern und -teilnehmerinnen zu erhöhen und somit zu steigenden Aktienkursen zu führen“, so Maik Schmeling von der Goethe-Universität. Die Autoren konnten außerdem zeigen, dass ein optimistischerer Ton der EZB ein Indikator für günstigere wirtschaftliche Entwicklungen ist. Anhand der Tonänderungen ließen sich künftige Leitzinsänderungen prognostizieren, d.h. aus der Art und Weise, wie die EZB mit dem Markt kommuniziert, könnten Rückschlüsse auf ihre künftige Zinspolitik gezogen werden.

Insbesondere mit Blick auf das Agieren von Zentralbanken sind die Studienergebnisse relevant, weil sie zeigen, dass Notenbanker durch ihre Wortwahl die Erwartungen und die Risikobereitschaft von Akteuren am Markt beeinflussen können. Die Kommunikation einer Zentralbank stellt somit ein eigenständiges Instrument der Geldpolitik dar. Für Marktteilnehmer und -teilnehmerinnen bedeuten unsere Ergebnisse, dass ein genaues Hinhören beim Ton der EZB zusätzliche Anhaltspunkte für Anlage-und Finanzierungsentscheidungen geben kann. Die Studienautoren analysierten den Ton der EZB und generierten eine Zeitreihe von Ton-Änderungen, jeweils von einer Pressekonferenz zur nächsten. Dadurch konnte man sehen, wie sich die Kurse von Aktienindizes und die Preise anderer Finanzinstrumente mit dem Ton der EZB ändern. Für ihre Analyse nutzten Wagner und Schmerling hochfrequente Kursdaten, die im 1-Minuten-Intervall zur Verfügung standen. So konnten sie die Preisentwicklungen genau ab Beginn der Pressekonferenz verfolgen. Außerdem kontrollierten die Autoren in ihrer Analyse die Höhe der Leitzinsänderung und andere „hard facts“, die im Zuge der Pressekonferenz veröffentlicht werden, wie z. B. Wachstums-und Inflationsprognosen. 

Maik Schmeling ist seit Mai 2018 Professor für Finance am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Vorher war er von 2013 bis 2018 Professor of Finance an der Cass Business School, City, University of London. In seiner Forschung beschäftigt sich Maik Schmeling mit verschiedenen Fragestellungen im Bereich internationaler Finanzmärkte, z.B. Risikoprämien auf Devisen- und Geldmärkten, dem Zusammenhang von Geldpolitik und Assetpreisen und der Erwartungsbildung auf Finanzmärkten. Schmeling publiziert in international renommierten Zeitschriften wie dem „Journal of Finance“, dem „Journal of Financial Economics“ oder der „Review of Financial Studies“.

Informationen: Maik Schmeling, Professor für Finance, Abteilung Finanzen, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Campus Westend, schmeling@finance.uni-frankfurt.de

Quelle: Pressemitteilung vom 7. November 2019

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