In der aktuellen Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins Science berichtet Prof. Cornelius Krellner vom Physikalischen Institut der Goethe-Universität über die Entdeckung einer unkonventionellen Supraleitung bei extrem tiefen Temperaturen. Das zu ihrer Erklärung herangezogene theoretische Konzept eines quantenkritischen Punktes könnte dazu beitragen, auch die Supraleitung bei hohen Temperaturen besser zu verstehen.
Das supraleitende Material, eine Verbindung aus den Elementen Ytterbium, Rhodium und Silizium, wird seit 15 Jahren von Festkörper-Physikern intensiv untersucht. „Die entscheidende Rolle spielen darin die Ytterbium-Atome, da diese magnetisch sind – und zwar aus einem besonders faszinierenden Grund“, erklärt Prof. Krellner. Der Übergang in den magnetisch geordneten Zustand (Phasenübergang) findet nämlich bei so tiefen Temperaturen statt, dass Temperatur bedingte Bewegungen der winzigen atomaren Magnete keine Rolle mehr spielen. Das unterscheidet ihn von allen anderen bekannten Phasenübergängen, wie zum Beispiel dem Erstarren von Wasser zu Eis. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad) dominieren Quantenfluktuationen. Diese sind so stark, dass die Natur versucht, alternative geordnete Grundzustände einzunehmen.
Meilenstein zur Erklärung der Supraleitung
Supraleitung ist ein möglicher kollektiver Zustand, der an so einem quantenkritischen Punkt auftauchen kann. Seit einiger Zeit wird intensiv diskutiert, ob er auch bei den Hochtemperatur-Supraleitern eine Rolle spielt. Insofern ist die Entdeckung von Supraleitung in YbRh2Si2 ein Meilenstein, da in diesem Material die Eigenschaften eines quantenkritischen Punktes besonders gut untersucht werden können. „Wir können damit zeigen, dass das Auftreten von unkonventioneller Supraleitung an einem quantenkritischen Punkt ein genereller Mechanismus ist, auch wenn die entdeckte Supraleitung in YbRh2Si2“, sagt Krellner. Praktische Relevanz wird das Material nicht haben, da der supraleitende Zustand erst bei der extrem tiefen Temperatur von 2 tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt auftritt. Die aufwendigen Messungen bei diesen tiefen Temperaturen hat das Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung in Garching gemacht.
Cornelius Krellner beschäftigte sich bereits vor 10 Jahren während seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden mit YbRh2Si2. Damals züchtete er Einkristalle der Verbindung. Deren Qualität und Größe waren entscheidend, um die Materialeigenschaften überhaupt messen zu können. „Als wir die ersten Hinweise auf Supraleitung sahen, waren wir alle sehr enthusiastisch, und ich habe alles daran gesetzt, noch bessere und größere Einkristalle zu züchten“, erinnert sich Krellner, der seit 2012 das Kristall- und Materiallabor am Physikalischen Institut der Goethe-Universität leitet. Dass es dann noch so lange gedauert hat, bis der endgültige Beweis für unkonventionelle Supraleitung erbracht war, lag daran, dass die Messungen extrem zeitaufwendig sind und erst reproduziert werden mussten. Weiterhin war es notwendig, die Supraleitung mit verschiedenen Messmethoden zu untersuchen, um zu zeigen, dass es sich tatsächlich um unkonventionelle Supraleitung handelt.
Europaweit das einzige Labor für YbRh2Si2-Einkristalle
„Das erste was wir in Frankfurt gemacht haben, war einen entsprechenden Ofen aufzubauen, um Kristalle von YbRh2Si2 auch hier herstellen zu können“, sagt Krellner. Das ist nicht einfach, denn die Kristalle entstehen erst bei sehr hohen Temperaturen von 1500°C, bei denen Ytterbium längst verdampft ist. Krellner und seine Mitarbeiter wenden deshalb ein besonderes Verfahren an: die Hochtemperatur-Schmelzzüchtung in flüssigem Indium.
Mittlerweile forschen Kristin Kliemt und Sebastian Witt im Rahmen ihrer Doktorarbeiten an der Optimierung dieses Verfahrens. „Wir sind momentan die einzigen in Europa, die in der Lage sind Einkristalle von YbRh2Si2 herzustellen“, sagt Krellner nicht ohne Stolz. „Die Veröffentlichung in Science gibt uns zusätzlichen Antrieb, diese Verbindung weiter zu untersuchen.“ Zum Beispiel ist noch sehr wenig über die magnetische Ordnung oberhalb der Supraleitung bekannt und auch die Supraleitung selbst wird in den nächsten Jahren noch umfassend untersucht werden müssen. Dazu wird es auch in Zukunft vor allem auf die reinen und großen Einkristalle aus der AG Krellner ankommen. „Entscheidend ist aber die gut funktionierende Zusammenarbeit mit den experimentellen und theoretischen Physikern, um dem Geheimnis der Supraleitung weiter auf die Spur zu kommen“, so Krellner. Für den Erfolg seiner Arbeit war dies bisher ein wichtiger Baustein – und wird es auch in Zukunft bleiben.
Publikation: E. Schuberth et al., Emergence of Heavy-Electron Superconductivity by the Ordering of Nuclear Spins. Science (2016).