UniReport: Frau Professor Ciesek, Sie selber suchen in Ihrer Forschung unter anderem nach wirksamen Medikamenten gegen Covid-19. Was können Sie da berichten?
Sandra Ciesek: In Kooperation mit dem Fraunhofer Institut haben wir zwischenzeitlich fast 6000 verschiedene Wirkstoffe untersucht und konnten einige Medikamente finden, die bereits zugelassen sind und gegen SARS-CoV-2 in Zellkultur wirken. Im nächsten Schritt müssen wir nun herausfinden, wie diese Medikamente antiviral wirken und ob sie auch einen Effekt in mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen haben.
Für Aufsehen hat die von Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Blutspendedienst entwickelte Methode gesorgt, mit der die Testkapazitäten zum Nachweis von SARS-CoV-2 um ein Vielfaches erhöht werden können. Findet die Methode schon in der Praxis Anwendung?
Wir haben gemeinsam mit den Kollegen vom Blutspendedienst eine Methode entwickelt, mit der man viele Proben gleichzeitig testet und dabei Reagenzien und Arbeitszeit spart. Geeignet ist diese Methode aber nur, wenn die zu erwartende Anzahl an positiven Ergebnissen gering ist. Daher wird sie hauptsächlich dann genutzt, wenn viele Menschen gleichzeitig untersucht werden, von denen man davon ausgeht, dass wenige tatsächlich infiziert sind. Beispiele sind etwa das Screening, zum Beispiel von Pflegeeinrichtungen, und hier wird diese Methode auch eingesetzt.
Weltweit wird zum SARS-CoV2-Virus geforscht, fast täglich erreichen uns neue Forschungsergebnisse. Viele Menschen hoffen durch die vielen Meldungen auf einen baldigen Durchbruch bei Impfstoff und Medikamenten – sollte man die Hoffnungen lieber dämpfen?
»Die Gefahr durch dieses Virus ist jetzt nicht geringer als Anfang März«
Prof. Sandra Ciesek
Auch wir hoffen darauf, dass bald ein Wirkstoff zur Verfügung steht, von dem wir wissen, dass er sowohl sicher als auch wirksam darin ist, schwere Verläufe zu verhindern oder das Outcome dieser Verläufe zu verbessern. Bisher fehlen uns noch die Daten, um das beurteilen. Es gibt aber eine ganze Reihe von Kandidaten. Auch wird es vermutlich noch einige Monate dauern, bis wir erste Ergebnisse von größeren Impfstoffstudien haben, die ja mit ganz unterschiedlichen Ansätzen bereits laufen. Es gibt keinen Grund, die Hoffnung auf effektive Wirk- und Impfstoffe aufzugeben, man braucht aber auf jeden Fall bis dahin noch Geduld.
Durch die Lockerungen der Maßnahmen ist das öffentliche Leben wieder etwas erwacht, es finden dadurch aber auch mehr Begegnungen statt, die einige Virologen durchaus kritisieren. Wie schätzen Sie das ein?
Wir können nicht genau sagen, welche der Maßnahmen wie effektiv darin waren, die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Da macht es schon Sorgen, wenn jetzt viele dieser Maßnahmen gleichzeitig gelockert werden – die Auswirkungen können wir kaum vorhersehen. Gleichzeitig sehe ich natürlich auch die Notwendigkeit, ein „normales“ Leben so rasch es geht wieder zu ermöglichen. Die wirtschaftliche Grundlage vieler Menschen hängt davon ab. Das müssen wir aber überlegt und vorsichtig angehen und uns weiterhin an die ganz grundlegenden Dinge halten. Dazu gehört zum Beispiel, voneinander Abstand zu halten, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, wenn das nicht möglich ist, und eine gute Handhygiene. Denn die Gefahr durch dieses Virus ist jetzt nicht geringer als Anfang März.
Die Fragen stellte Dr. Dirk Frank.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.20 des UniReport erschienen.