Waschbärspulwurm: Waschbär-Parasiten überleben jahrelang in der Umwelt und sind potenzielle Krankheitserreger

Frankfurter Forschende zeigen im Rahmen des Verbundprojektes ZOWIAC (Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren) in einer im „International Journal for Parasitology“ erschienenen aktuellen Studie, dass der Waschbärspulwurm, Baylisascaris procyonis, in Europa besonders gute klimatische Bedingungen vorfindet, um zu überdauern. Besonders im Hinblick auf immer weiter ansteigende Waschbär-Populationen innerhalb von europäischen Städten und den globalen Klimawandel könnte dies zukünftig zu einem Problem für die Gesundheit von Mensch und Tier werden.

Das Frankfurter Forschungsteam hat herausgefunden, dass steigende Temperaturen bis zu einem gewissen Hitzegrad die Entwicklungsrate des Waschbärspulwurms beschleunigen. Foto: Robin Stutz

Durch die klimatischen Veränderungen und die kontinuierliche Ausbreitung des Waschbären in Europa und insbesondere in Deutschland, wächst nicht nur der Prädationsdruck auf heimische Arten, sondern es treten auch neue Gesundheitsrisiken auf. „So kann beispielsweise der parasitische Waschbärspulwurm Baylisascaris procyonis unter bestimmten Bedingungen auch für Menschen gefährlich werden und stellt eine derzeit unzureichend untersuchte Zoonose – eine Übertragung von Infektionskrankheiten von Tier zu Menschen oder umgekehrt – dar“, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (S-BiKF) und der Goethe-Universität Frankfurt und fährt fort: „Unsere aktuellen Forschungsergebnisse zeigen, dass die Ei-Entwicklung des Spulwurms außerhalb seines Wirtes stark von der Temperatur abhängig ist. Bei Temperaturen zwischen 10 und 30 Grad Celsius entwickeln sich die Eier optimal, bei Temperaturen über 35 Grad kommt es zu Entwicklungsstörungen.“

In ihrer Untersuchung haben Klimpel und sein Team die embryonale Entwicklung des Waschbärspulwurms detailliert analysiert und dabei herausgefunden, dass steigende Temperaturen bis zu einem gewissen Hitzegrad die Entwicklungsrate beschleunigen. „Dies könnte insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels zu einer beschleunigten Vermehrung und somit auch zu einer stärkeren Verbreitung des humanpathogenen Parasiten führen“, so Klimpel.

Im Darm eines ausgewachsenen Waschbären können – ohne wesentliche Beeinträchtigung des Säugers – über 200 Exemplare der Spulwurmart Baylisascaris procyonis leben. Daraus resultieren Millionen von mikroskopisch kleinen Wurmeiern im Kot der Waschbären, in denen sich innerhalb weniger Tage bis Wochen infektiöse Larvenstadien entwickeln. Im Darm ihrer Zwischenwirte – meist kleine Tiere, wie Nager oder Vögel – schlüpfen die Larven aus den Eiern, können die Darmwand durchdringen und sich in unterschiedlichen Organen oder Gewebe einnisten. Im Darm des Waschbären entwickeln sich die Larven zu geschlechtsreifen adulten Spulwürmern. Die sogenannten Latrinenplätze der Waschbären – ihre bevorzugten Kotstellen – sind oft stark mit den Eiern des Spulwurms kontaminiert. Da der Waschbär zunehmend auch städtische Gebiete besiedelt, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen und Haustiere mit den infektiösen Eiern in Kontakt kommen können. „Unsere Studie verdeutlicht, dass eine weitere Ausbreitung und wachsende Populationsdichte von Waschbären dazu führt, dass auch der Waschbärspulwurm flächendeckend auftritt“, ergänzt Klimpel.

Die Eier des Waschbärspulwurms sind den klimatischen Bedingungen vor Ort ausgesetzt und können durch zu hohe oder zu niedrige Temperaturen in ihrer Entwicklung gestört oder ganz abgetötet werden und somit nicht das für weitere Wirte – Mensch, Nutz- und Haustiere – infektiöse Stadium erreichen. Haben die Embryonen das Larvenstadium erreicht, sind die derzeitigen Temperaturen in Europa jedoch nicht ausreichend, um die Larven in den Eiern des Waschbärspulwurms effektiv abzutöten. „Studien belegen, dass Temperaturen unter minus 15 Grad Celsius oder über 60 Grad Celsius für längere Zeiträume notwendig sind, um die Eier zu zerstören. Solche extremen Bedingungen sind jedoch in Europa selten“, erklärt Erstautor der Studie Robin Stutz von S-BiKF und der Goethe-Universität Frankfurt. Die meisten europäischen Winter bieten keine ausreichende Kälteperiode und auch in heißen Sommern werden punktuelle Temperaturen von über 60 Grad, die zur Abtötung der Eier führen könnten, quasi nicht oder nur sehr selten erreicht. „Zudem bieten die Latrinenhaufen, in denen die Eier abgelegt werden, Schutz vor extremen Temperaturen, was die Überlebensfähigkeit der Eier zusätzlich erhöht“, fügt Stutz hinzu.

Andere Studien belegen, dass selbst in wärmeren Regionen mit sehr heißen Sommertemperaturen, wie im US-amerikanischen Texas, die erforderlichen 60 Grad Celsius nicht lange genug erreicht werden, um die Eier effektiv abzutöten. Angesichts der zukünftigen klimatischen Bedingungen in Europa erwarten die Forschenden, dass die Zahl der infektiösen Eier in unserer Umwelt mit der zunehmenden Verbreitung der Waschbär-Population ansteigen wird. Diese Entwicklung stelle ein bisher nur unzureichend erforschtes Gesundheitsrisiko für Menschen und Tiere dar, heißt es in der Studie. „Die infektiösen Larven in den Eiern des Waschbärspulwurms können zahlreiche weitere Säugetiere, darunter auch Nutz- und Haustiere, sowie den Menschen befallen, wodurch es zu Schädigungen der Organe und des zentralen Nervensystems kommen kann“, führt Stutz aus.

„Als sehr spezifischer Endoparasit ist die regionale Verbreitung von Baylisascaris procyonis stark vom Ausbreitungsverhalten der Waschbären abhängig. Eine intensive Überwachung sowie gezielte Managementstrategien zu der invasiven Art sind daher unerlässlich, um die Verbreitung des Parasiten und die damit verbundenen Risiken einzuschätzen und präventiv vorgehen zu können. Seit nunmehr 90 Jahren breiten sich Waschbären ungebremst in Deutschland und den umliegenden europäischen Ländern aus – die deutschen Populationen gehören heute neben denen in den nordamerikanischen Ursprungsgebieten zu den größten der Welt. Wir sollten zeitnah Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung des Waschbären und seine zoonotischen Parasiten aufzuzeigen, zu überwachen und zu kontrollieren“, schließt Klimpel.

Quelle: Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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