Wie wird aus einem Start-up ein Scale-up?

Im Frankfurter TechQuartier.

Die Studie »Scale-ups in Europe: an untapped potential« ist in Zusammenarbeit der Goethe-Universität mit der Innovationsplattform TechQuartier und der Yi Shi Foundation entstanden. Dr. Thomas Funke, Co-Direktor des TechQuartiers, und Research Manager Dominik Zborek haben die Studie federführend erstellt.

UniReport: Herr Funke, Herr Zborek, was macht ein Scale-up zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen, was wäre der Unterschied zu einem »normalen« Start-up?

Thomas Funke/Dominik Zborek: Ein Scale-up ist ein „normales“ Start-up, welches es in die Wachstumsphase geschafft hat. Ein Scale-up weist über mindestens drei Jahre hinweg ein kontinuierliches (jährliches) Durchschnittswachstum über 20 Prozent oder höher auf und hat mindestens zehn Mitarbeiter zu Beginn der Beobachtung. Ein solch schnell wachsendes Unternehmen hat in der Regel ein Geschäftsmodell gefunden und entsprechende Strukturen geschaffen, um das Produkt oder den Service in großer Zahl an den Kunden/die Kundin bringen zu können.

Bislang ist die Erfolgsquote von Scale-ups recht gering, nur 4 Prozent der Start-ups schaffen die Transformation. Wird/kann sich das langfristig ändern?

Start-ups allgemein müssen viel und schnell experimentieren, um ein alternatives Geschäftsmodell zu bereits bestehenden identifizieren zu können. Es ist in der Natur der Innovation, dass hierbei auch ein Scheitern möglich sein muss. Scale-ups hingegen haben einerseits die strukturellen Voraussetzungen für eine Skalierung geschaffen, andererseits aber zuvor bereits ein valides Produkt oder eine Dienstleistung kreiert. Es müssen sich zwar die Grundvoraussetzungen dahingehend ändern, dass Start-ups und Scale-ups leichter operieren können, es werden jedoch niemals alle Start-ups den Weg zum Scale-up gehen können. Durch die experimentelle Struktur von Start-ups werden die überwiegende Mehrheit der Unternehmungen den Markt entweder wieder verlassen oder bleiben auf einem kleinen Niveau. Nur wirklich innovative und gut strukturierte Unternehmen werden es in die Hochwachstumsphase schaffen. Für beide Phasen müssen jedoch die Rahmenbedingungen stimmen.

Zu den externen Erfolgsfaktoren, die Sie in Ihrer Studie untersucht haben, zählen insbesondere ein »vereinfachter Zugang zum gesamteuropäischen Markt« und ein »kohärentes Verständnis der europäischen Start-up-Landschaft«. Sehen Sie auf diesem Gebiet Fortschritte, droht die Gefahr einer partiellen Abschottung des Marktes wie im Falle Großbritanniens?

Im Beispiel der Finanzbranche wurden mit der Kapitalmarktunion bereits Schritte zur Homogenisierung und Vereinheitlichung des gesamteuropäischen Finanzmarktes unternommen. Im Innovationsbereich fehlen solche Anstrengungen bisher. Einzelne Länder versuchen zwar, Start-ups und deren Rahmenbedingungen zu verbessern, es fehlt jedoch an einer gemeinsamen europäischen Kraftanstrengung, einen gesamteuropäischen Markt zu schaffen. Dieser muss sich nicht zwingendermaßen in den Grenzen der Europäischen Union bewegen, sondern vielmehr eine kontinentaleuropäische Start-up-Kultur befördern. Hier geht es insbesondere um eine einheitliche Sprache, Finanzierungsgrundlage und Risikoverständnis, supranationale Förderinstrumente und -strategien, Kooperationserleichterungen zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups über Ländergrenzen hinweg u.v.m.

Bei den internen Erfolgsfaktoren betonen Sie »weiche« Aspekte wie menschliche Schlüsselkompetenzen, transparente Mitarbeiterführung und Nähe der Gründer zum operativen Gründungsgeschehen. Lässt sich ein modernes Unternehmen also nur noch mit flachen Hierarchien und mit einem Höchstmaß an Gestaltungskraft seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen? Stehen Scale-ups damit insgesamt für die Veränderung der Unternehmenskultur?

Agilität spielt bereits heute in der Wettbewerbsfähigkeit eine große Rolle: Die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen reagieren zu können, entscheidet im Zweifel über den Fortbestand der Unternehmung. Stark standardisierbare Geschäftsfelder, wie z. B. Förderung von Ressourcen, werden weiterhin mit entsprechenden Hierarchien und gefestigten Strukturen Erfolg haben. In Bereichen, in welchen jedoch bereits kleine Trends (technologisch oder gesellschaftlich) eine Gefährdung des Geschäftsmodells bedeuten, müssen die Unternehmen entsprechend schnell reagieren können. Hierbei ist eine agile Organisation von immensem Vorteil, da sie sich entsprechend schneller auf die neuen Gegebenheiten einstellen kann.

Das Fehlen einer »Kultur des Scheiterns« in Deutschland wird ja öfter beklagt; spielen nicht konkrete Existenzängste in einem unübersichtlichen Markt und in politisch unruhigen Zeiten dabei auch eine gewichtige Rolle?

Eine Kultur des Scheiterns steht einer individuellen Existenzabsicherung nicht diametral gegenüber. Vielmehr geht es um eine Stigmatisierung von gescheiterten Unternehmungen und Gründern: Jene, welche das Risiko auf sich genommen und experimentiert haben, werden noch zusätzlich durch Verachtung und Herabwertung gestraft. Eine zukunftsgerichtete Unternehmerkultur jedoch lässt Raum für ebenjene Versuche. Auch etablierte Unternehmen sehen sich konstant Marktveränderungen gegenüber und müssen sich anpassen. Ein Beispiel hierfür sind forschungsintensive Branchen, wie z. B. die Pharmabranche, welche sich nicht auf ihren vergangenen Erfolgen ausruhen kann, sondern fortwährend neue Präparate und Anwendungsfelder identifizieren muss.

Wie ist die Lage im Wirtschaftsraum Frankfurt Rhein-Main, wie steht er im Vergleich mit anderen Zentren in Deutschland und Europa da?

Frankfurt Rhein-Main ist beim Thema Scale-ups noch etwas hinterher. Einerseits hängt dies mit der vergleichsweise noch geringen Menge an Start-ups zusammen (ca. 400 derzeit), andererseits mit der Kooperationswilligkeit etablierter Unternehmen. Die Region zeichnet sich durch ebenjene Kooperationspotenziale aus: Etablierte Unternehmen und innovative Jungunternehmungen können gemeinsam an den Produkten und Lösungen für morgen arbeiten. Es ist also einerseits ein Zahlenspiel (es braucht mehr Start-ups, um mittelfristig auch Scale-ups hervorbringen zu können) und eine Frage des wirtschaftspolitischen Umfeldes, welches auch entsprechende Risikobereitschaft einschließt. Frankfurt Rhein-Main und Deutschland allgemein haben noch eine Lücke, was die Finanzierung von Wachstumsprojekten betrifft. Vielen etablierten Start-ups fehlt es an ebenjener Anschlussfinanzierung, welche ihnen den Schritt vom Start-up zum Scale-up ermöglicht. Hier braucht es eine gemeinsame Anstrengung zur Schließung dieser Lücke und zur Hebung des vorliegenden Potenzials, idealerweise auf internationaler Ebene über den Kontinent hinweg, um wettbewerbsfähig gegenüber den USA und China zu bleiben.

Die Fragen stellte Dirk Frank

Die Studie Scale-ups in Europe: an untapped potential online: unter http://scaleupsineurope.techquartier.com

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.19 des UniReport erschienen.

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