Es gibt nur wenige große Zentren der Afrikaforschung in Deutschland. “Berlin ist sehr rege”, räumt Prof. Dr. Thomas Bierschenk ein, “aber die dortigen Aktivitäten sind nicht besonders koordiniert. In Bayreuth ist die Afrikaforschung traditionell ein besonderer Schwerpunkt. Die Universität dort ist deutschlandweit, wahrscheinlich sogar europaweit das größte Zentrum für Afrikaforschung. Aber mit unserer Kooperation können wir nun durchaus mithalten”, betont der Professor am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). “Unsere Zentren in Frankfurt und Mainz sind für sich schon bedeutend, zusammen sind wir groß.”
Bierschenks Terminplan ist eng. Als Professor und Dekan des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der JGU hat er viel zu tun. Dennoch nimmt er sich gern Zeit für ein Gespräch über die im Mai 2016 gegründete Kooperation Afrikaforschung Rhein-Main. In rasantem Tempo lässt er verschiedenste Aspekte des Zusammenschlusses Revue passieren, denn es gibt einiges zu berichten.
“Die Idee für eine Kooperation mit Frankfurt besteht bereits seit Jahren.” Prof. Dr. Raimund Kastenholz vom Institut für Ethnologie und Afrikastudien der JGU hatte Pläne in dieser Richtung ausgearbeitet. “Aber sie scheiterten an institutionellen und organisatorischen Hindernissen.” Mit der strategischen Allianz der Rhein-Main-Universitäten jedoch waren diese Hindernisse aus dem Weg. Und nicht nur das: Die TU Darmstadt kam auch mit ins Boot. “Die Frankfurter Kolleginnen und Kollegen kennen wir natürlich längst”, sagt Bierschenk. “Und die Darmstädter sind für uns eine überraschende Bereicherung.”
Der junge Zusammenschluss hat schnell Gestalt gewonnen – und das gleich auf mehreren Ebenen. “Ein ganz konkretes Projekt ist die Besetzung zweier Professuren in Frankfurt und Mainz, die mehr oder weniger gleichzeitig frei wurden. Es gab eine Doppelausschreibung mit gemeinsamer Stellenanzeige.” Im Bereich der Afrikawissenschaften verfügen beide Standorte lediglich über eine Linguistik-Professur. “Das ist bei über 3.000 verschiedenen afrikanischen Sprachen nicht gerade viel. Deswegen wollen wir uns ergänzen. Die Frankfurter konzentrieren sich auf die empirische Sprachwissenschaft, wir besetzen eine Professur für Soziolinguistik. Beide sollen einen gemeinsamen Studiengang entwickeln. So können wir über die Kooperation ein viel vollständigeres Angebot in den Sprachwissenschaften machen.”
Bierschenk kann sich vorstellen, dass dieses Modell weiter Schule macht in der Afrikaforschung Rhein-Main: “Sowohl in Frankfurt als auch in Mainz steht ein Generationswechsel bevor.” In den kommenden Jahren werden einige Professuren neu zu besetzen sein. “Das könnten wir ähnlich nutzen.”
Schon von der Struktur her liegt es nahe, dass sich die Afrikaforschung in Mainz und in Frankfurt einander gut ergänzen. “Die Frankfurter haben einen eher kleinen Kernbereich in der eigentlichen Afrikaforschung, dafür beschäftigen sich verschiedenste andere Fächern sehr stark mit dem Thema. Sie gründeten das Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung, um diese Aktivitäten zu koordinieren.”
In Mainz wiederum ist der Kernbereich stark: “Mit über 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Institut für Ethnologie und Afrikastudien eines der größten universitären Afrikazentren im sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich in Deutschland. An der JGU sind zwar auch einige andere Fächer der Afrikaforschung sehr aktiv, aber das Zentrum bleibt unser Institut.“
Darmstadt nimmt noch mal eine besondere Position ein: “Die Kollegen sind in der Stadtplanung und der Technikgeschichte stark. Wir können gut kooperieren, wenn es zum Beispiel um die Entwicklung oder die Soziologie afrikanischer Städte geht.”
Im Mittelpunkt der Kooperation steht vor allem die Forschung. Mehr gemeinsame Studiengänge, studieren in Mainz, Darmstadt und Frankfurt gleichzeitig – all das kann sich Bierschenk zwar durchaus vorstellen. “Aber besonders wichtig sind gemeinsame Forschungsprojekte”, stellt er klar. So bereitet eine Gruppe von Forscherinnen und Forschern an allen drei Standorten gerade einen gemeinsamen DFG-Antrag für ein Projekt zur Ökologie afrikanischer Savannen vor.
Zudem ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte Frankfurter Projekt AFRASO – Africa’s Asian Options eben um zwei Jahre verlängert worden. “Es ist eine der ganz großen Initiativen im Moment. Sie beschäftigt sich mit den Bezügen zwischen Afrika und Asien.” Bierschenk hat eine Ausdehnung des Projekts vor Augen. “Wir könnten verschiedenste Süd-Süd-Beziehungen untersuchen. Wir könnten zum Zentrum für transregionale Afrikaforschung werden.”
Inhaltlich hat die JGU mit ihrem Institut für Ethnologie und Afrikastudien und den anderen an Afrika interessierten Wissenschaften viel zu bieten und kann wertvolle Impulse geben. “Schauen Sie sich für den Anfang doch einfach mal unsere Sammlungen an: Das Archiv für die Musik Afrikas, kurz AMA, ist weltweit ziemlich einzigartig. Etwas Vergleichbares gibt es allenfalls in den USA”, so Bierschenk. Ähnliches gelte für die Jahn-Bibliothek für afrikanische Literaturen. “Und unsere Ethnografische Sammlung könnte der Grundstock für ein Museum sein.” Mainz spielt zweifellos eine wichtige Rolle in einem der größten Zentren für Afrikaforschung in Europa.