Er gilt als Urgestein unter Frankfurts Partymachern: Hans Romanov, übrigens ein Alumnus der Goethe-Uni, hat schon viele Clubs und Veranstaltungen in Frankfurt gemacht: Dazu zählen der Ostklub, das Rotary in Offenbach, aber auch der Yachtclub am Main. Der gebürtige Berliner arbeitet nebenbei als Ruderlehrer. Am 25. Januar 2016 ist er zu Gast bei der Frankfurter Bürgeruni.
Herr Romanov, wie würden Sie sich selbst bezeichnen: Unternehmer, Eventmanager, Clubmacher …?
Am liebsten als Klubmacher – mit K! Den Begriff Event mag ich nicht.
Frankfurt wird von außen meist mit Banken assoziiert, mit dem Flughafen und auch mit seinen Museen. Aber hat Frankfurt auch ein subkulturelles Gesicht?
Ja, hat es, aber dafür muss man schon etwas in die Tiefe gehen, sich durchfragen, Magazine und Portale lesen, wobei mancher Club und Szeneort vielleicht auch gar nicht genannt und entdeckt werden möchte.
Sie kommen ursprünglich aus dem (cooleren) Berlin – was hat Sie nach Frankfurt gezogen in den 80er Jahren, wie war Frankfurt damals?
Ich bin ziemlich genau seit 30 Jahren in der Stadt. Es gab damals eigentlich keinen besonderen Grund für den Umzug. Ich war als in Berlin-Wedding Aufgewachsener auch nie so auf meine Heimatstadt fixiert, fand die Stadt auch nicht als cool, das ist wohl eher die Zuschreibung von Zugezogenen. Ich habe damals in Frankfurt zwar niemanden gekannt, fand aber die damals bereits vorhandenen Hochhäuser sehr spannend.
Frankfurt rühmt sich ja, die ersten Techno-Diskotheken der Republik gehabt zu haben, bald wird es auch ein Techno-Museum geben: Ist das vielleicht der Soundtrack einer technokratischen Stadt, im Unterschied zum punkig-krachigen Hamburg und Berlin?
Ja, klar, schon der Begriff „Techno“ ist ja von einem Frankfurter kreiert worden – DJ Talla 2XLC (Andreas Tomalla), der damals einen Club mit Electro Body Music EBM betrieben hat, nannte diesen „Techno Club“. Der Ursprung der elektronischen Musik in Deutschland liegt allerdings in Düsseldorf. Als es dann aber mit „Bumm-Bumm“ richtig losging, war Frankfurt sicherlich der Mittelpunkt in Deutschland.
Wo lagen Ihre Anfänge, wie war Ihr Einstieg in Frankfurt?
Ich bin ja von Beruf Masseur und habe anfangs auch in dem Bereich gearbeitet. Mitte der 80er Jahre war nicht viel los in Frankfurt, die Clubs konnte man an einer Hand abzählen. Dazu zählten das Cooky’s, der Sinkkasten, die Batschkapp, natürlich auch das Dorian Gray im Frankfurter Flughafen. Daher reifte in mir eine Idee: etwas für ‚in der Woche‘ zu machen. Ich habe damals in 1986 eine befreundete Rockband namens Steven Café als Manager betreut. Mit denen machte ich dann mal ein Konzert auf einem Schiff der Weißen Flotte, mit Rahmenprogramm, u. a. mit Orientalischem Bauchtanz. Das war dann quasi die Geburtsstunde meiner Tätigkeit als Klubmacher.
Wie würden Sie die Subkultur in dieser Zeit beschreiben?
Das kulturelle Angebot in der Szene war Ende der 80er Jahre noch überschaubar: Annette Gloser betrieb die Galerien „Muttertag“ und „Fruchtig“; die Filmemacherin Anja Czoska hat die Stadt unsicher gemacht, Künstler wie Michael Riedel gründeten die „Freitagsküche“. Frankfurt war für Außenstehende keine attraktive Stadt. Denn obwohl man sich weltoffen gab, musste eine Batschkapp am Samstag zur besten Feierzeit schon um 1 Uhr schließen! Nur wenige Clubs damals verfügten über eine Nachtkonzession.
Wann setzte eine Änderung ein?
1990 dann wollten einige Leute mit den sogenannten „Nachttanz- Demos“ etwas gegen die Tristesse tun: Nachts um 12 lief man im Pulk mit Musikinstrumenten und begleitet vom Straßentheater Antagon und Transparenten durchs Bahnhofsviertel. Die Polizei trauten ihren Augen nicht, als sie unseren Zug in der Moselstraße zum ersten Mal sah. Auf den Transparenten stand: „Wir wollen Bier auch bis vier!“ Mit den Demos fing dann allmählich eine Öffnung des Nachtlebens an. Eine Folgeveranstaltung war die „Nacht der Clubs“. Die Vielfalt, über die Frankfurt heute im Kunstbetrieb und im Nachtleben verfügt, die Zahl der vielen jungen Leute, die Bars und Galerien betreiben, ist schon beeindruckend.
Sie gelten als jemand, der keinen festen Club hat, sondern eher frei flottierend seine Veranstaltungen an verschiedenen Orten macht.
Ich habe auch feste Läden betrieben, wie z. B. den Ostklub. Die anderen Clubs, die eher temporär liefen, waren oft ‚illegal‘, in Gegenden, die heute gar nicht mehr existent sind, wie z. B. im Westhafen, der seitdem komplett neu bebaut worden ist. Die Lagerhallen, in denen damals Teppichhandel betrieben wurde, sind verschwunden. Dort mietete ich eine Halle an. Der Club lief meist in Verbindung mit Ausstellungen, z. B. mit Künstlern wie Nikolaus List oder Stanley Xaver Stone, die heute schon etwas bekannter sind. Es gab in den 90er Jahren auch jede Menge Orte, die nicht bespielt wurden, leer standen oder gerade erst im Entstehen waren. Das war gewissermaßen eine Gründerzeit des Frankfurter Undergrounds.
Die Entwicklung der Szenekultur lief also in gewisser Weise parallel zu Frankfurts Aufstieg als Finanzmetropole ab.
Ich denke, dass das eine das andere bedingt hat. Es wurde auf einmal über Frankfurt in überregionalen Zeitungen und Magazinen geschrieben, z. B. über die Partys in den Hochhaus- Baustellen. Die „Hybriden“, ein Veranstalter-Kollektiv, machten damals im gerade im Bau befindlichen Messeturm eine Party im 35. Stock! Auch im Rohbau des MMK schmissen die Hybriden mit Kunst-Studenten eine Party. Man dachte plötzlich bei Frankfurt nicht mehr nur an Tristesse und Kriminalität. Es hat allerdings in der Geschichte der Stadt immer schon solche Neuanfänge gegeben: In den 50ern war es die Musik, vor allem der Jazz in den amerikanisch geprägten Clubs, in den späten 60ern war es der politische Protest.
War denn der neue Aufbruch Ende der 80er Jahre auch politisch motiviert?
Ich sehe meine Veranstaltungen nicht als politisch an. Was sollte auch die Message sein? Es ging und geht aber schon um die Etablierung einer neuen, anderen Kultur in Frankfurt. Damit will ich aber nicht sagen, dass meine Klubs prinzipiell die besseren sind. Es gibt eben auch andere Orte zum Ausgehen, die eher das allgemeine Publikum ansprechen, die genauso ihre Berechtigung haben.
Frankfurt ist eine Stadt, die sich fortlaufend wandelt, damit droht aber immer auch das Alte und Vertraute zu verschwinden – ein Nachteil für die Subkultur, die ja gerne das Alte recycelt?
In Frankfurt wird (manchmal zu viel) viel und häufig abgerissen. Andererseits entsteht auch pausenlos etwas Neues, das ist das Schöne. Merkwürdigerweise gefällt es den Menschen dann irgendwie auch. Beim Neuen wünschte man sich vielleicht, dass es etwas schneller Patina ansetzte.
Ihre eigenen Läden habe Sie teilweise relativ schnell wieder aufgegeben – gehört das Flüchtige zur Szene dazu, auch im Unterschied zur etablierten Konsumkultur?
Geschäftsleute wissen, dass es ökonomisch eigentlich keinen Sinn macht, einen Laden für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum zu betreiben. Aber ich mag dieses ‚Nomadenhafte‘: Dinge wieder zu beenden und abzuschließen. Die Filmemacherin Anja Czoska hat mal versucht zu ergründen, wie viele Clubs ich bereits betrieben habe: Sie kam ungefähr auf die unglaubliche Zahl 26! Filmen konnte sie diese letztendlich nicht, weil es die Locations größtenteils gar nicht mehr gibt. Freunde und Gäste sprechen mich oft auf vergangene Klubs von mir an. Dann sage ich in der Regel: Es wird bald was Neues geben, und wenn es nur einmal in der Woche stattfindet (als Klub-im-Klub).
Wie finden Sie denn geeignete Orte für Ihre Clubs?
Ich setze mich einfach aufs Rad und besuche dann „Unorte“ – denn die gibt es der Gentrifizierung zum Trotz immer noch, selbst im Stadtzentrum! Beispielsweise an der Ost- Zeil, wo einst das Lola Montez war. Letzte Nacht war ich noch am Osthafen unterwegs. Man muss dann nur den Vermieter ausfindig machen. Bei mir ist es nie so, dass ich zuerst eine Idee habe und dann dafür ein Gebäude suche. Es ist genau umgekehrt: Erst sehe ich ein Objekt und dann entstehen Überlegungen, was man da machen kann.
Einer Ihrer letzten Läden war das „Neglected Grassland“ …
… das in einer versteckten 60er-Passage in der Innenstadt liegt, sehr verschroben. Zuerst dachte jeder: Wie furchtbar! Aber die Gäste darauf zu bringen, was das Besondere an einem Ort wie diesem ist, macht mir großen Spaß.
Sie erwecken vergessene und unterschätzte Orte wieder zum Leben und arbeiten gegen die Uniformität des Mainstreams an: Ärgert Sie nicht manchmal der Ausverkauf der Szene?
Nein, das ärgert mich überhaupt nicht, ich sehe das eher als eine Bestätigung. Ich betrachte mich aber auch nicht als Erfinder, da gibt’s Vorbilder in New York. Ich finde es gut, dass Leute wie Ata Macias (wie auch andere), der auch den Club Robert Johnson in Offenbach betreibt, im Bahnhofsviertel neue Konzepte für Clubs entwickeln, oft auch an Orten, an denen ich auch schon tätig gewesen bin.
Was würden Sie sich als Partymacher wünschen, wo könnte und sollte die Stadt Subkultur unterstützen?
Die Stadt hat, bedingt durch ihre Wirtschaftsfixierung, in der Vergangenheit bei vielen jungen Menschen mit Ideen das Potenzial nicht gesehen – die sind dann schließlich nach Berlin oder Hamburg abgewandert. Meine Projekte wären wohl nie zustande gekommen, wenn ich auf Förderung hätte gesetzt bzw. warten müssen. Die Mühlen der Verwaltung mahlen einfach zu langsam. Ich habe aber auch nie auf eine Unterstützung seitens der Stadt geschielt, Förderung von Subkultur wäre in gewisser Weise auch ein Widerspruch in sich selbst. Wobei die Stadt mich nach 27 Dienstjahren ruhig auch mal in Form eines Preises würdigen könnte (lacht).
Was sind Ihre nächsten Pläne, wollen Sie uns das schon verraten?
Ich habe einen Blick auf Objekte, die quasi auf mich zukommen – sobald ich eines sehe und ausgehandelt wird, kann es wieder losgehen. [Die Fragen stellte Dirk Frank]
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Termin-Hinweis
»Zu etabliert, um cool zu sein? Frankfurt und seine Subkultur.«
Podiumsgäste: Hans Romanov, Klubmacher; Klaus Walter, Radiomoderator, DJ und Journalist; Carolina Romahn, Leiterin des Kulturamtes Frankfurt.
Moderation: Christoph Scheffer, hr-iNFO.
25. Januar, 19:30 Uhr, Haus am Dom, Frankfurt am Main.
Diskussionsabend im Rahmen der Frankfurter Bürger-Uni-Reihe „Wie lebt Frankfurt?“
Die weiteren Termine:
14.12.2015, „Wird Frankfurt seinem Integrationsanspruch gerecht? Miteinander oder nebeneinander“
1.2.2016, „Wofür engagiert sich Frankfurt? Private versus öffentliche Verantwortung“
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 6-2015 des UniReport erschienen [PDF-Download]
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