Herr Prof. Monnet, Sie sind seit 2009 Direktor des vom französischen Außenministerium finanzierten Institut Français d’Histoire en Allemagne (IFHA) hier in Frankfurt und engagieren sich als Vermittler zwischen deutscher und französischer Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Ab 1. September ändern sich nun die Konditionen für die Arbeit Ihres Instituts und auch der Name. Können Sie das kurz erläutern?
Im Herbst wird das Institut in Institut franco-allemand des sciences historiques et sociales umbenannt und eine Kooperation mit der École des Hautes Études en Sciences Sociales (Paris) unterzeichnet, damit erweitern wir nach sechs erfolgreichen Jahren in Kooperation mit der Goethe-Universität den wissenschaftlichen Tätigkeitsbereich und den disziplinären Radius des Zentrums. Neben der bereits etablierten Zusammenarbeit mit den historischen Wissenschaften suchen wir stärker die Kooperation mit den Wirtschaftswissenschaften, der Ethnologie und der Philosophie. Das Institut steht weiter allen Disziplinen zu Dienste, die Kontakte mit Frankreich und seinen Forschern im deutsch-französischen oder europäischen Rahmen aufbauen wollen. Diese Öffnung zeigt sich bereits durch neue Formate, die wir in enger Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität entwickelt haben: ein interdisziplinäres Programm mit den Titel „Saisir l’Europe“ („Europa als Herausforderung“), eine Reihe von Konferenzen unter dem Titel „Europa-Dialoge“ in Zusammenarbeit mit dem Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg und einem deutsch-französischen Forschungsprogramm zur Geschichte der Ethnologie.
Drei Institutionen tragen ab Herbst das Institut – bedeutet das, die französische Regierung reduziert die Mittel, nachdem bereits das Institut Français mit seinem vielfältigen Sprach- und Kulturprogramm durch das stärker auf die Forschung aus- gerichtete IFHA ersetzt wurde? Steigt damit gleichzeitig die finanzielle Beteiligung der Goethe-Universität?
Das französische Außenministerium musste seine finanziellen Verpflichtungen bezüglich der festen Stellen reduzieren, trägt aber weiterhin zur Finanzierung des laufenden Budgets bei. Auch die EHESS und die Goethe-Universität tragen zu den Mitteln bei, für die Goethe- Universität bedeutet das keine größeren Änderungen. Unser Zentrum hat auch weiter den Auftrag, zwischen Wissenschaft und Kultur zu vermitteln – und zwar besonders mit Veranstaltungen für ein weiteres Publikum der Stadt Frankfurt und der Rhein- Main-Region – und damit sind wir ganz in der Tradition der Goethe- Universität, wie sie verstärkt mit dem Angebot der Bürger-Universität gepflegt wird. 2017 ist Frankreich Gastland bei der Frankfurter Buchmesse – das wird ein willkommener Anlass sein, den kulturellen Dialog auf breiter Basis zu bereichern.
Die deutsch-französische Freundschaft gilt als wichtiger Pfeiler für die Europäische Union. Wie spiegelt sich das im Programm Ihres Instituts wider?
Das Ziel ist in der Tat nicht mehr nur die Unterstützung der deutsch-französischen Kooperation, in welcher Art und Weise auch immer, sondern es geht uns darum, diese im europäischen Rahmen zu verorten. Das ist auch der Grund für das Programm „Saisir l’Europe“ und die Veranstaltungsreihe „Europa-Dialoge“, die ich erwähnt habe. Unsere Veröffentlichungen zu Tagungen sind alle, wie auch ihre Teilnehmer, dreisprachig (deutsch, englisch, französisch) und das Programm des Jahres 2014 zur Erinnerung an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 passt sich in einen europäischen Rahmen ein, ja sogar in einen globalen mit der Ausstellung über afrikanische Kolonialsoldaten in deutschen Gefangenlagern von 1914 bis 1918 im Historischen Museum.
Das Institut will vergleichende Ansätze in der deutschen und französischen Geschichtsschreibung vom Mittelalter bis heute voranbringen. Welche Rolle spielt die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte, insbesondere des Zweiten Weltkriegs und der Beziehung zwischen den Nazis und der Vichy-Regierung?
Es handelt sich in der Tat noch um ein ungeschriebenes Kapitel der deutsch-französischen Geschichte. Es gibt aber diesbezüglich keine Tabus. Im Mai hatten wir an der Goethe- Universität eine Diskussion mit einem Überlebenden des Massakers von Oradour-sur-Glane organisiert, das 1944 von einer Division der SS begangen wurde. Am 6. Juli kommt ein junger französischer Forscher, um sein Buch über das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich zwischen 1944 und 1949 vorzustellen. Sie sehen, wir sind an den Themen dran!
Etwa 50 junge französische Wissenschaftler bekommen jährlich ein Mobilitätsstipendium. Welche Universitäten kooperieren? Welche Themen stehen auf der Agenda?
Die 50 Stipendiatinnen und Stipendiaten vom Masterstudierenden bis zu Post-Docs kommen von allen französischen Universitäten, nicht nur aus Paris. Sie arbeiten größtenteils über Fragen der Kulturgeschichte, des Transfers, des deutsch-französischen Vergleichs, aber auch Themen aus den Nachbardisziplinen wie Kunstgeschichte und Ethnologie werden bearbeitet.
Und wie schaut es mit deutschen Wissenschaftlern aus, die nach Frankreich gehen wollen?
Wir haben 2014 einen Scholar Guide in elektronischer Form für geisteswissenschaftliche Kontakte deutscher Studenten und Forscher zu Frankreich 2014 veröffentlicht. Der ist auf der Webseite unseres Frankfurter Instituts unter dem Titel „Geschichte machen in Frankreich“ kostenlos abrufbar und beinhaltet viele Tipps zu Institutionen, Stipendien, Aufenthaltsmöglichkeiten: http://ifha.revues. org/7830. Außerdem vermittelt unser Institut Kontakte zu wissenschaftlichen deutschen Institutionen in Frankreich, besonders in Paris, so zum Deutschen Historischen Institut oder zum Deutschen Forum für Kunstgeschichte, das übrigens von Thomas Kirchner, der zuvor Professor für Kunstgeschichte an der Goethe-Universität war, geleitet wird.
Wie steht es eigentlich bei diesen Wissenschaftlern mit den Kenntnissen der jeweiligen Sprache?
Die meisten sind in der Lage, auf Deutsch zu lesen und die deutschsprachigen Archive auszuwerten. Aber es sind nicht alle studierte Germanisten, viele haben Deutsch aufgrund des Forschungsgegenstandes gelernt.
Die Zahl der Deutschstunden in der gymnasialen Mittelstufe französischer Schulen soll halbiert werden, so sieht es die Bildungsreform der sozialistischen Ministerin Najat Vallaud-Belkacem vor. Was bedeutet das langfristig für die deutsch-französische Freundschaft?
Das ist selbstverständlich ein beunruhigendes Zeichen, auch wenn die zweisprachigen Klassen in den Grenzregionen aufrechterhalten werden. Wenn dennoch die Zahl der Deutsch lernenden Schüler in Frankreich sinken sollte (und umgekehrt auch in Deutschland), wäre das ein echtes Problem für die Ausbildung von Führungskräften im deutsch-französischen Bereich. Diese Zusammenarbeit ist eine der intensivsten in der Welt und muss unterstützt werden. Genau deswegen ist ein Institut wie das unsere, auf seinem Level, mit der Verankerung an einer wichtigen und zentralen deutschen Universität, notwendiger denn je.
Können Sie den übertriebenen Respekt vor der Sprache des anderen teilen? So habe ich neulich in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung gelesen: „Die Sprache des jeweiligen Erz-Freundes macht vielen Angst: Die einen schreckt die Grammatik, die anderen hadern mit dem harten respektive weichen Klang. Französisch wie Deutsch gelten als schwer, ja als elitär.“
Die Franzosen haben häufig ein schwieriges Verhältnis, voller Komplexe, zu anderen Sprachen, nicht nur zum Deutschen. Dies gilt es als Erstes zu ändern. Deutsch hatte in Frankreich lange Zeit den Ruf, wie auch Latein, eine schwierige und somit selektiv wirkende Sprache zu sein. Die Herausforderung ist es, klar zu machen, dass man heute, um in Deutschland zu studieren und zu arbeiten, nicht das Deutsch Goethes braucht (auch wenn es noch so bewundernswert und nützlich ist), sondern ein offenes und modernes Deutsch, das ein bisschen dem Englischen ähnelt. Es ist genauso einfach zu lernen, vielleicht sogar noch einfacher, da es logischer und strukturierter ist. Aber dies müssen auch die Deutschen in Frankreich vermitteln.
Und wo haben Sie Ihr hervorragendes Deutsch gelernt, Prof. Monnet?
Ich hatte Deutsch als erste Fremdsprache in der Schule bis zum Abitur und habe in Deutschland zum Teil studiert, promoviert und mich habilitiert in Stuttgart, Frankfurt und Göttingen. Und meine Frau ist eine gebürtige Frankfurterin, das hilft auch!
Die Fragen stellte Ulrike Jaspers.
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Weitere Informationen:
www.ifha.fr
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