„Noch gute Chancen auf Achtelfinale“: Mathematik-Professor Matthias Ludwig über das deutsche Team

Das Auftaktspiel endete für die deutsche Nationalmannschaft gleich mit einer Niederlage. Nach dem unglücklichen 0:1 gegen den amtierenden Weltmeister Frankreich dürfte die Stimmung bei vielen deutschen Fußballfans wohl im Keller sein. Ist das Achtelfinale bereits in weite Ferne gerückt? Doch Prof. Matthias Ludwig, Mathematik-Didaktiker an der Goethe-Universität, macht den Fans Hoffnung: Noch stünden die Chancen gar nicht so schlecht. Ludwig betreibt mit seinem Team schon seit vielen Jahren das Portal fussballmathe.de, auf dem Lehrkräfte viele Anregungen erhalten, ihre Schülerinnen und Schüler für die Beschäftigung mit Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu begeistern. Aber auch ‚normale‘ Fußballinteressierte können vor und während der EM aktuelle Prognosen abfragen, bereits vorliegende Ergebnisse werden zeitnah eingepflegt.

Nach Ludwigs Prognosemodell liegt aktuell, also nach der Niederlage gegen Frankreich, die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland noch ins Achtelfinale einzieht, bei 78 Prozent. „Vor dem Spiel lag die Wahrscheinlichkeit bei 83 Prozent, also von daher haben sich die Chancen nicht wesentlich verschlechtert“, betont Ludwig. Selbst eine Niederlage gegen den nächsten Gegner Portugal – die Wahrscheinlichkeit beziffert der Mathematiker auf ungefähr 42 Prozent -, bedeutet noch nicht zwangsläufig das Aus. Denn die vier besten Drittplatzierten aus den Gruppen kommen auch noch weiter. „Aber wie ein kluger Fußballer einmal gesagt hat: entscheidend ist auf’m Platz“, lacht Matthias Ludwig und weist nochmal darauf hin, dass es sich bei Prognosen von fussballmathe.de um die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten handelt.

Ludwigs Prognosemodell berücksichtigt drei verschiedene Faktoren: historische Ergebnisse, Elo-Punkte, benannt nach dem Mathematiker Arpad Elo, und schließlich die Mannschaftswerte. Der letztgenannte Faktor ist eine ökonomische Größe: „Zwar ist die Frage, ob Geld Tore schießt, sehr strittig. Aber wir haben durch Untersuchungen in den großen europäischen Ligen Folgendes feststellen können: Wenn man den Wert zweier Mannschaften im Verhältnis zueinander weiß, kann man ungefähr 50 Prozent aller Ergebnisse vorhersagen. Dabei weiß man natürlich nicht, welches einzelne Spiel sich an die Vorhersage hält – das macht es dann wieder spannend.“

Ludwig freut sich, dass die neuen Aufgaben zur EM 2020 auf Fussballmathe.de schon stark von Lehrkräften nachgefragt werden. „Wir haben viele bunte Aufgaben für unterschiedliche Jahrgänge erarbeitet: Wie lange dauert es, einen Fußball zu nähen? Wie groß sind die Entfernungen zwischen den Spielstätten der EM? Wie viele Tickets hätten regulär verkauft werden können?“ Ludwig betont, dass die regelmäßige Datenpflege, das Erarbeiten von Aufgaben und die Beantwortung didaktischer Fragen nur im Team zu stemmen ist. Als wissenschaftliche Mitarbeiter stehen ihm Ken Oehler und Simon Barlovits zur Seite, Jos Fabiunke ergänzt das Team als wissenschaftliche Hilfskraft. Und in den nächsten EM-Wochen werden die Macher von Fussballmathe.de noch viel zu tun haben. Am kommenden Samstag wird sich wieder zeigen, wie gut das Prognosemodell die Partie Deutschland – Portugal berechnet hat, eine Analyse wird zeitnah auf dem Portal zu lesen sein.

fussballmathe.de zur EM 2021 ist ein Projekt des Instituts für Didaktik der Mathematik und Informatik (Goethe-Universität Frankfurt a.M.) in Kooperation mit der Stiftung Rechnen.

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