Science, not Silence: Wie man einen schwierigen Diskurs wieder zum Leben erweckt [Rückblick]

Leidenschaftliche Diskussion über die Frage, wer wie worüber in der Universität sprechen darf.

Sind Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit an den Universitäten gefährdet? Darf nicht mehr oder nur noch eingeschränkt über bestimmte Themen gesprochen werden?

Präsidium und Studierende der Goethe-Universität hatten im Rahmen der Reihe »Diskursraum – Wissenschaft in Geschichte und Gesellschaft« einen Diskussionsabend im Bibliothekszentrum Geisteswissenschaften organisiert. Im so genannten »Fish-Bowl«-Format war das Publikum eng eingebunden und konnte so die Möglichkeit nutzen, eigene Ideen und Anmerkungen einzubringen.

Die von Kyra Beninga (AStA) und Linde Storm (Präsidialabteilung) moderierte Diskussion startete mit dem Input des Wissenschaftssoziologen Prof. David Kaldewey (Universität Bonn). Er stellte fest, dass in Deutschland mit dem Blick auf amerikanische Colleges die studentische Protestkultur vorschnell kritisiert würde, ohne sich näher mit deren Themen zu befassen (s. auch das Interview mit Kaldewey). Allerdings, so Kaldewey, sei die verwendete Semantik von „safe spaces“ und anderen Begriffen unterkomplex und zu wenig reflektiert im Hinblick auf Denktraditionen.

Die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Christiane Thompson (Goethe-Universität) richtete in ihrem Input den Blick auf umfassende ökonomische und kulturelle Transformationen der letzten Jahre, die auch die Universitäten verändert hätten. Denken bedürfe nach Kant eines Publikums, das Gegenargumente äußert. Die Kritik habe sich heute hin zu einer „ressentimentgeleiteten Kommentierungspraxis“ verändert.

Zur Kritik sollte heute auch die Nichtlösbarkeit eines Disputs dazugehören. Christina Engelmann, Philosophin an der Goethe-Universität, erinnerte daran, dass für die Meinungsfreiheit das kommunikative Klima entscheidend sei; Studierende hätten in universitären Gremien nicht die gleiche Teilhabe, daher äußerten sie ihren Protest auch jenseits davon.

Der Rechtswissenschaftler Prof. Klaus Günther (Goethe-Universität) gab zu bedenken, dass es oft Strukturen gebe, die der Selbstermächtigung der Akteure in der Auseinandersetzung entgegenstünden. Günther wies auf den berühmten Frankfurter Tomatenwurf des Jahres 1968 hin; dieser sei zwar ein nichtdiskursiver Protest der Frauen gegen die Männer gewesen, aber „diskursiv anschlussfähig“, als „Vorwegnahme eines Arguments“.

Im weiteren Verlauf wurde mit dem Publikum unter anderem über das Prinzip des Wettbewerbs an der Universität diskutiert; strittig war, ob das beste Argument immer das Ergebnis eines fairen Wettbewerbs sei oder nur das „Produkt eines Machtkampfes“.

Auch die Auseinandersetzung um den Hamburger Ökonomieprofessor und AfD-Gründer Prof. Bernd Lucke war Thema. Der Umgang mit Lucke sei vielleicht nicht optimal gewesen, so eine Einschätzung, aber könne als Protestform gesehen werden, die immerhin das Thema AfD auf die Agenda gesetzt habe.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 6.19 des UniReport erschienen.

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