Trump nicht mehr zu stoppen?

Trump spricht in Youngstown/Ohio, 14. März 2016. Foto: ullstein bild – Reuters/Aaron P. Bernstein
Trump spricht in Youngstown/Ohio, 14. März 2016. Foto: ullstein bild – Reuters/Aaron P. Bernstein

In der aktuellen Ausgabe des UniReport analysieren Politologen der Goethe-Universität den umstrittenen Republikaner Donald Trump und seine Chancen, Präsidentschaftskandidat zu werden.

Auch in Europa beobachtet man seine spektakulären Auftritte bei den amerikanischen Primaries mit Argusaugen. Denn aus einem Außenseiter, den selbst Experten nicht auf der Rechnung hatten, ist ein klarer Favorit für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner geworden. Donald Trump, Milliardär, Immobilien-Tycoon und medialer Selbstdarsteller, polarisiert die Öffentlichkeit – und das ganz bewusst, mit markigen Parolen und Aussagen, die er gerne auch wieder dementiert.

„Als Amerikaner ist es wirklich peinlich zu beobachten, wie Trump sich aufführt. Er hat bislang alle Regeln gebrochen, die bei den Primaries gelten – er ist sozusagen einzigartig in der amerikanischen Geschichte“, sagt der amerikanische Politikwissenschaftler Peter Volberding, zur Zeit Gastwissenschaftler an der Goethe-Uni. Wie sind aber die politischen Unkorrektheiten Trumps gegen Frauen, Homosexuelle und Migranten zu erklären?

„In den USA wird die Political Correctness mit der progressiven Elite an den Universitäten in Verbindung gebracht. Denen wird der Vorwurf gemacht, man könne heute nicht mehr ‚die Wahrheit‘ sagen. Trump vermittelt den Eindruck, er rede als Außenseiter im Polit-Establishment Klartext, wobei er meines Erachtens nicht wirklich von seinen rassistischen, frauenfeindlichen und xenophoben Sprüchen überzeugt ist.“

Auch der Politologe Markus Siewert sieht Trump vor allem als Populist ohne ernstzunehmendes politisches Programm: „Er operiert mit Meinungen, Gefühlen und Platitüden. Damit spricht er vor allem eine Wählerschaft an, die gefühlte und echte Ängste im Angesicht von Modernisierung und Globalisierung besitzt.“

Showdown auf dem Parteitag?

Bei den Demokraten dürfte Hilary Clinton die Präsidentschaftskandidatur kaum noch zu nehmen sein, ihr Konkurrent Bernie Sanders scheint den Vorsprung nicht mehr aufholen zu können. Nicht ganz so eindeutig, aber dennoch mit relativ deutlichem Abstand zu seinen beiden letzten verbliebenen Konkurrenten Ted Cruz und John Kasich, führt Donald Trump das Feld bei den Republikanern an.

Kasichs Chancen werden für sehr gering erachtet, Cruz ist wahrscheinlich der letzte ernstzunehmende Konkurrent Trumps, jedoch für gemäßigte Republikaner nicht gerade ein Wunschkandidat. „Cruz steht als radikaler evangelikaler Fundamentalist wesentlich weiter rechts als Trump, der in Sachen Abtreibung, Krankenversicherung und Sozialstaat sogar links vom Mainstream steht“, erklärt der Politologe Prof. Hans- Jürgen Puhle.

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Fundstück

Trump und der (relative) Reichtum

Von Donald Trump, jenem amerikanischen Bauunternehmer, der sich zwar nicht mit seinen Wolkenkratzern, dafür aber mit einer Lebensmaxime – ‚lunch is for losers‘ – unsterblich gemacht hat, die den Geist des Kapitalismus trefflich auf eine Formel bringt, ist eine bemerkenswerte Anekdote überliefert. Als er seinerzeit mit einer Freundin durch die Straßen New Yorks spazierte, sah er einen Bettler am Straßenrand sitzen.

Dabei ging ihm auf, wie reich mancher Arme doch ist. Zwar ging es dem Mann elend, denn er hatte nichts außer dem Wenigen, was er bei sich trug. Rein rechnerisch gesehen jedoch war er im Vergleich mit Trump unendlich begütert. Denn der hatte sich gerade verspekuliert und stand mit satten zwei Milliarden Dollar in der Kreide. Der Ärmste der Armen war Trump deswegen aber nur rein rechnerisch.

Denn auch ein Pleitier ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Geschäftsmann, der nicht nur Freundinnen hat, die ihn trösten, sondern in der Regel auch mächtige Freunde, die ihm wieder auf die Beine helfen werden – wie es im Falle Trumps denn auch geschah.“

Aus: Martin Seel: Geld hat keine Tugend. Eine anthropologische Betrachtung. In: Forschung Frankfurt 2/2012, S. 42 – 45 [PDF].

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Wäre Trumps Triumph bei den Primaries noch abzuwenden? Puhle weist auf einige noch anstehende Vorwahlen im April, Mai und Anfang Juni in großen Staaten hin, in denen Trump nur bedingt punkten dürfte, sodass eine runde Mehrheit an Delegiertenstimmen nicht unbedingt für ihn zu erwarten sei. Falls Trump aber im Juli 2016 mit einer satten Mehrheit in den Parteitag der Republikaner einzieht, könnte seine Nominierung dann aber den Verlust traditioneller republikanischer Wähler im eigentlichen Präsidentschaftswahlkamp nach sich ziehen, meint Puhle.

Falls Trump in den Primaries nicht die Mehrheit der Stimmen für sich gewinnen kann, könnte es auf dem Parteitag sogar zu einer Zerreißprobe in der Partei kommen, mit dem Effekt, dass wichtige Teile des Establishments der Republikaner einen eigenen Kandidaten aufstellen. „Da Trump kein Mensch für Kompromisse ist und seine Gegner ihn unbedingt vermeiden wollen, wäre das wahrscheinlichste Ergebnis die Spaltung der Partei“, so Puhle.

Einen Kandidaten „von außen“ ins Rennen zu schicken, wäre schwierig, schätzt Markus Siewert: „Paul Ryan, Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus und ‚Retter‘ im Führungsstreit der Republikaner im Kongress und Vizepräsidentschaftskandidat 2012, hat bereits deutlich gemacht, diese Rolle nicht nochmal zu übernehmen.“ Ein Putsch gewissermaßen hinter verschlossenen Türen gegen Trump wäre fatal, argumentiert Peter Volberding, weil dadurch Trumps Kampagne gegen das Establishment in Washington eine Bestätigung finden würde.

Trump gegen Clinton?

In einem wahrscheinlichen Duell Trump gegen Clinton mögen viele Beobachter der Demokratin eine haushohe Überlegenheit attestieren. Doch Peter Volberding ist da vorsichtig: „Beide Kandidaten haben jenseits ihrer Parteien vergleichsweise schlechte Zustimmungswerte in der Bevölkerung“, sagt er, weshalb er von einer 50:50-Situation ausgeht. Clinton könnte zudem von Affären wie der mit ihren privaten Mails geschwächt werden, Trump hingegen könnte auch klassisch demokratische Wähler aus Michigan, Pennsylvania oder Ohio für sich gewinnen.

„Im Hauptwahlkampf wird die Parteiidentifikation bei den Wählern sehr hoch sein, daher wird es auf die unabhängigen Wähler ankommen“, ergänzt Markus Siewert. Und falls Trump wirklich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden würde? „Um ‚seine‘ Politik durchzusetzen, wäre ein Präsident Trump in erheblichem Umfang auf den Kongress angewiesen.

Hier stehen die Chancen zudem für die Demokraten nicht schlecht, sogar die Mehrheit in beiden Kammern wiederzuerlangen“, erklärt Siewert. International rechnet Hans-Jürgen Puhle eher mit „wenig leadership“, auch wenn ein Opportunist wie Trump sich vermutlich wohl an den Realitäten orientieren würde. „In jedem Fall wird das europäisch-amerikanische Verhältnis mehr davon abhängen, wie die Europäer sich zusammenraufen können, als davon, wer amerikanischer Präsident wird.“

Bei seinen europäischen Partnern werde Trump nicht auf allzu viel Gegenliebe stoßen, vermutet Markus Siewert. Die Ankündigung einer aggressiven Außenpolitik und seine Kritik am Freihandel dürfte für Spannungen sorgen, ganz zu schweigen von Trumps Kommunikationsstil: „Seine Verhandlungstaktik nach dem Motto my-wayor- highway wird weder bei Merkel und Cameron noch bei Renzi und Hollande gut ankommen.“

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Prof. Dr. Hans-Jürgen Puhle ist Professor (em.) für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität. Von 1990 bis 2009 war er Mitglied im Direktorium des Zentrums für Nordamerika-Forschung (ZENAF).
Puhle hat sich in einem aktuellen Aufsatz mit Populismus beschäftigt: Populismus: Form oder Inhalt? Protest oder Projekt?, in: ders., Protest, Parteien, Interventionsstaat. Organisierte Politik und Demokratieprobleme im Wandel, Göttingen 2015, S. 91 – 117.

Markus Siewert, M.A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Schwerpunkt Methoden der Qualitativen Empirischen Sozialforschung im Institut für Politikwissenschaft. Gegenwärtig ist er visiting doctoral student am Europäischen Hochschulinstitut (EUI) Florenz.

Peter Volberding ist amerikanischer Politikwissenschaftler und promoviert an der Harvard University; er ist Gastwissenschaftler an der Goethe-Universität. [/dt_call_to_action]

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.16 des UniReport erschienen [PDF]

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