Sprecher nationaler und internationaler Organisationen diskutierten an der Goethe-Uni neue Konzepte von Open Science/Open Access. Das Ziel der Bewegung: die Qualität und Reproduzierbarkeit von Wissenschaft verbessern, Innovation vorantreiben und Effizienz erhöhen.
Es gibt unterschiedliche Formen von Open Science, wie Christoph Bruch vom Helmholtz Open Science Koordinationsbüro erklärte. Diese reichen von Open Access, über Open Source und Open Data bis hin zu Open Science. Bei der letztgenannten Form werden nicht nur Daten, sondern auch Methoden und Reagenzien frei zur Verfügung gestellt.
Richard Gold von der McGill University zeigte in seinem Vortrag auf, wie ein ganzes Institut, das Montreal Neurological Institute (MNI) in Canada, sich für die nächsten fünf Jahre zu einer Open Science Politik verpflichtet. In diesem einzigartigen Experiment wird alles von der Grundlagenforschung bis zur klinischen Forschung der Open Science Politik unterstellt. Das MNI hat sich zu diesem radikalen Schritt entschieden, weil der Fortschritt im Bereich der neurologischen Erkrankungen viel zu langsam ist. Beispielsweise ist in den letzten 30 Jahren kein neues Medikament für Parkinson entwickelt worden.
Richard Gold beschrieb diesen Weg eindrücklich als “Open Road”. Der Weg halte viele Verheißungen bereit und habe Abzweigungen. Das Ziel sei aber am Horizont hinter einem Hügel verborgen. Ob dieses Experiment erfolgreich sein wird und die Wissenschaft im Bereich neurologischer Erkrankungen voran bringt, wird sich 2021 zeigen.
Vertreter von vier Pharmafirmen präsentierten am Nachmittag ihre Ansätze von Open Science. Jochen Maas von Sanofi-Aventis stellte die Kooperation mit dem Fraunhofer Institut in Gießen vor. Die anderen drei Firmen (Bayer, Boehringer Ingelheim und Takeda Pharmaceuticals) sind Mitglieder des SGC, einer internationalen public private Partnerschaft, die jetzt auch einen Standort in Frankfurt hat.
Anke Müller-Fahrnow von Bayer stellte das Pharma Probe Programm vor, eine neuartige Initiative, die ihren Sitz an der Goethe Universität haben wird. Dieses Programm bringt sogenannte Probes, d.h. hochselektive chemische Sonden der pharmazeutischen Industrie im Wert von mehr als 140 Millionen Euro nach Frankfurt. Von hier aus werden sie Wissenschaftlern in aller Welt zu Verfügung gestellt . Die mit den Probes generierten Daten sollen dann in einer öffentlichen Datenbank gespeichert werden. Diese vom SGC ausgehende Initiative stellt, so hoffen die Wissenschaftler, erst den Anfang dar. Andere Firmen sollen folgen.
Gleich mehrere Sprecher betonten, dass die Herstellung von Medikamenten immer teurer wird und immer weniger konzeptionell neue Medikamente auf den Markt kommen. Ein wichtiger Grund ist, dass wir die Krankeitsmechanismen zu wenig verstehen; ein anderer, dass zu wenige Forscher an neuen Targets arbeiten. Die Industrie öffnet daher ihre Schatzkiste und stellt diese wertvollen Wirkstoffe zur Verfügung. Dass dies unbürokratisch geschehen und ohne lange Diskussionen über Patentrechte muss, war eines der Hauptthemen von Aled Edwards, CEO des SGC.
Mark Patterson von eLife zeigte neue Wege der Publikationen in Open Access Zeitschriften und diskutierte mit dem Teilnehmern des Symposiums, warum Open Access Publikationen sich nicht negativ, sondern positiv auf die Karriere auswirken können. Einer der Punkte, bei dem sich alle einig waren: das System der Anerkennung von Wissenschaftlern und ihren Leistungen muss geändert werden. Diese und andere soziologischen Aspekte beleuchtete Birgit Blättel-Mink von der Goethe Universität.
Noch ist es zu früh zu wissen, ob Open Science wirklich den positiven Effekt auf die Gesellschaft hat, den sich alle erwarten. Jedenfalls hofften die Teilnehmer des 1. Frankfurt Open Access/Open Science Symposium – entgegen viel verbreiteter Befürchtungen – dass Open Science auch die Schaffung neuer Wirtschaftsmodelle fördern wird.
Die Autorin: Dr. Susanne Müller-Knapp, Senior Project Manager Chemical Probes, SGC.