
Anita Djafari; Foto: Privat
Frau Djafari, Sie leiten Litprom e. V., einen Literaturverein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Literatur aus vermeintlich rückständigen Regionen wie Afrika, Asien und Lateinamerika in den Fokus zu rücken. Warum ist das in Zeiten der Globalisierung immer noch wichtig?
Begonnen hat alles mit der Gründung der »Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e. V.« im Jahr 1980. Das war eine Zeit, in der man noch nicht viel wusste von Literatur aus sogenannten Entwicklungsländern. Und man konnte als Ehrengast damals »Schwarzafrika« sozusagen als Land einladen. Das ist heute, nach fast 40 Jahren, natürlich und gottseidank undenkbar. Wir wissen in Zeiten der Globalisierung und einem gewissen Fortschritt sehr viel voneinander und trotzdem immer noch zu wenig. Deshalb ist unsere Aufgabe, Literatur aus diesen Ländern bzw. deren Wahrnehmung mit vielfältigen Mitteln zu fördern, noch lange nicht obsolet. Im Gegenteil: In Zeiten wachsender Fremdenfeindlichkeit und Rückkehr zu Nationalismus ist es umso wichtiger, Verständnis und – als Voraussetzung – etwas mehr Kenntnis über andere Kulturen zu vermitteln. Literatur eignet sich dafür ganz hervorragend.
Das Herzstück von Litprom ist die Förderung von Übersetzungen. Das Auswärtige Amt unterstützt diese Arbeit. Brauchen diese Kontinente literarische »Entwicklungshilfe«?
Nun, diese »Entwicklungshilfe« findet ja hier statt. Das einzigartige Förderprogramm des Auswärtigen Amts unterstützt ja deutsche Verlage bei Übersetzungskosten, damit mehr verlegt und gewagt werden kann. Insofern ist es nur eine indirekte Unterstützung der Literaten aus den genannten Regionen.
Jeden Herbst während der jährlichen Buchmesse blickt die Welt nach Frankfurt, mittendrin Anita Djafari. Pflichtübung oder Herzensangelegenheit?
Nach so vielen Jahren in der Buchbranche kann ich mir einen Oktober ohne Buchmesse gar nicht vorstellen. Das ist beides, Pflicht natürlich, aber auch absolut Herzensangelegenheit.
Vergangenen Herbst wurden Sie auf der Buchmesse 2016 als BücherFrau des Jahres ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen das?
Das bedeutet mir sehr viel, da ich zum einen überzeugte Netzwerkerin und auch im Netzwerk der BücherFrauen aktiv bin. Aber viel mehr freue ich mich über die weitreichende Anerkennung, die unsere Arbeit bei Litprom dadurch erfahren hat. Wir haben damit eine breite Öffentlichkeit erreicht und neue Interessenten gewonnen. Das ist schön.
An der Goethe-Universität studierten Sie Germanistik und Anglistik auf Lehramt während politisch bewegter Zeiten in den 70er Jahren. Wie hat das Studium Ihren späteren beruflichen Werdegang geprägt?
Es waren vor allem die Anglistik und das Studium bei Professor Riemenschneider, der uns mit der postkolonialen Literatur vertraut gemacht hat. Das war damals etwas absolut Neues. Wir arbeiten heute noch zusammen, er ist ebenfalls Mitglied bei Litprom und erstellt z. B. Gutachten für unsere Übersetzungsförderung. Mein ehemaliger Kommilitone Frank Schulze-Engler ist sein Nachfolger und leitet den Bereich NELK in der Anglistik an der Goethe-Universität. Auch mit ihm arbeiten wir zusammen.
Welche Anstöße gab Ihnen die Universität? Die Studentenbewegung?
Ja, die Zeiten waren sehr bewegt. Manchmal zu sehr (lacht). Für mich als post 68erin war die Frauenbewegung immens wichtig. Wir haben hier Selbstvertrauen gelernt und in den Seminaren Kritikfähigkeit. Manchmal gab es aber, besonders durch die K-Gruppen, übertriebenen Dogmatismus, der einen auch behindert hat. Auf jeden Fall wurde man politisiert, und das schadet ja auf keinen Fall.
Nach der Uni verlief Ihr Leben bunt: Übersetzerin. Lektorin. Buchhändlerin. Gründerin der heute renommiertesten Sprachschule Perus, ACUPARI. Managerin von Gastlandauftritten im Auftrag der Buchmesse. Mögen Sie es, Grenzen, Konventionen zu überwinden?
Da gibt es aber ganz andere, viel buntere Lebensläufe. Ich bin ja – fast – immer bei den Büchern und der Literatur geblieben. Aber innerhalb dieses Bereichs habe ich tatsächlich viel ausprobiert und bin schließlich an einer Stelle gelandet, wo ich all diese Erfahrungen gebrauchen kann.
Sie lebten mit Ihrem Ehemann, einem gebürtigen Iraner, drei Jahre in Cusco, Peru. Welche Erfahrungen konnten Sie aus dieser Zeit mit nach Deutschland nehmen und hier gut gebrauchen?
Na ja, ich konnte vorher kein Spanisch … Ich glaube, der Aufenthalt in einem Land der sogenannten Dritten Welt – Peru war damals in einer schweren ökonomischen Krise und vom Terrorismus des Leuchtenden Pfads gebeutelt – führt schon dazu, dass man alles ein bisschen besser einordnen kann in dieser globalisierten Welt. Und dass man einen Umgang damit finden muss, wenn nicht alles nach Plan läuft. Wir mussten dort viel improvisieren, allerdings liegt mir das auch, und ich kann es auch in meinem Alltag ganz gut anwenden.
Demnächst beginnen die großen Sommerferien. Welchen »Schmöker« empfehlen Sie für den Urlaub?
Da erlauben Sie mir bitte, dass ich einfach auf unsere Litprom-Bestenliste »Weltempfänger« verweise, die vierteljährlich mit sieben Lese-Tipps erscheint: www.litprom.de/beste-buecher.
[Die Fragen stellte Heike Jüngst]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 36 des Alumni-Magazins Einblick erschienen.