Goethe, Deine Forscher: Arnim Lühken, Chemie-Didaktiker

Am Anfang stand der Zufall: Gerade war der frisch gebackene Diplom-Chemiker Arnim Lühken aus Wiesbaden nach Frankfurt gezogen, um hier Lebensmittelchemie zu studieren. „Da erfuhr ich, dass ich noch ein Semester auf meinen Eintritt in das Hauptstudium zu warten hatte“, berichtet Lühken, außerdem brauchte er auch noch einen Schein in Botanik. Weil ihn Botanik als einzige Veranstaltung für das Sommersemester 1996 nicht ausfüllte, besuchte er einfach noch aus Neugier die Einführungsvorlesung „Grundlagen der Fachdidaktik Chemie“. Und diese begeisterte ihn so sehr, dass er anschließend nicht etwa das Hauptstudium in Lebensmittelchemie, sondern ein Lehramtsstudium in Biologie und Chemie absolvierte. Nach dem ersten Staatsexamen schrieb er am Institut für Didaktik der Chemie seine Doktorarbeit und wandte sich nach Referendariat und zweitem Staatsexamen endgültig der Wissenschaft des Chemie-Unterrichtens zu.

Die Leidenschaft dafür hat Lühken bis heute nicht verlassen. Er ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Didaktik der Chemie und widmet sich in dieser Funktion sowohl angehenden Chemie-Lehrerinnen und -Lehrern als auch einzelnen Bachelor- und Master-Studierenden: „Zum einen bringe ich unseren Studierenden bei, welche Konzepte und Methoden es gibt, Lernenden die Chemie zu vermitteln, und zwar insbesondere durch Experimentalunterricht“, erläutert Lühken, „da herrscht nämlich seit Langem ein breiter Konsens: Im naturwissenschaftlichen Unterricht sollte das Experimentieren im Mittelpunkt stehen.“ Zum anderen gehe es in seinen Lehrveranstaltungen um ganz konkrete Fragen des Unterrichtens, fährt Lühken fort, „so etwa ,Wie gestalte ich eine ganze Unterrichtssunde?‘, ,Was ist ein guter Einstieg in ein Thema?‘, ,Wie stelle ich ein Experiment vor?‘ und ,Wie motiviere ich die Schülerinnen und Schüler, dass sie zu einem chemischen Gegenstand Fragen stellen?‘.“

Aufbau von links nach rechts

Daneben behandelt er praktische, nur scheinbar banale Dinge: „Ein Experiment, das aus verschiedenen Komponenten besteht, beispielsweise eine Destillationsapparatur, sollte immer so aufgebaut werden, dass die einzelnen Schritte aus Sicht der Schüler von links nach rechts angeordnet sind, entsprechend unserer Leserichtung.“ Und Arbeitsblätter mit Versuchsanleitungen müssten nicht nur vollständig sein, das heißt, bis zum letzten Spatel wirklich alle verwendeten Chemikalien und Geräte explizit auflisten. Fast noch wichtiger sei es, die Arbeitsanweisungen altersangepasst zu formulieren: Je jünger die Schüler seien, desto kürzer müssten die Sätze und desto einfacher müsse der Satzbau sein. „Solche Faustregeln hören sich simpel an, aber man muss sie sich einmal klarmachen, vielleicht auch mal üben.“

Lühken beschäftigt sich allerdings nicht nur damit, etablierte Verfahren und bewährte Prinzipien weiterzugeben, sondern trägt auch dazu bei, die Fachdidaktik Chemie weiterzuentwickeln: In ihren Laboren erarbeiten er und die Mitglieder seiner Arbeitsgruppe Schulexperimente, um neue und alltagsbezogene Themen der chemischen Forschung und Technologie in den Chemie-Unterricht zu bringen. Außerdem untersuchen sie jegliche Lehr- und Lernprozesse, die mit dem Fach Chemie verbunden sind, um sie – wo möglich – zu optimieren: Dazu beobachten die Didaktikerinnen und Didaktiker Schulklassen, die zusammen mit ihrer Lehrkraft im Schülerlabor Chemie der Goethe-Universität experimentieren.

„Natürlich ist es schon ein Erfolg, wenn die Kinder und Jugendlichen beim Experimentieren Spaß haben und eine Ahnung von der Faszination chemischer Forschung bekommen“, stellt Lühken klar. „Wir möchten aber im Schülerlabor eine solche Lehr-Lern-Umgebung entwickeln, die es jungen Leuten ermöglicht, interessiert und mit Freude chemische Phänomene zu beobachten und dann auch mit Theorien und Konzepten dahinterzuschauen, um sie zu verstehen.“ Wenn Menschen sich hingegen an ihren Chemie-Unterricht in der Schule erinnerten, dann erhalte er typischerweise den Kommentar ,Ja, das hätte mich eigentlich schon interessiert, aber dann kamen diese ganzen Formeln und Berechnungen, und dann war bei mir Schluss‘, sagt Lühken. „In der Didaktik arbeiten wir daran, wie nachhaltiges Interesse an der Chemie entwickelt und ein grundlegendes Verständnis dieser Naturwissenschaft aufgebaut werden kann.“

Nicht nur in der Schule

Spontan dächten die meisten Menschen bei den Stichworten „Didaktik“ und „Lehr-Lern-Situation“ wohl an den „ganz normalen“ Unterricht an allgemeinbildenden Schulen. „Aber gelehrt und gelernt wird ja in viel mehr Situationen“, stellt Lühken klar. „An Universitäten, Berufsschulen, bei der VHS und an anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung“, zählt er auf, „und sogar, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst vortragen, gleich ob sie das auf einer Fachkonferenz oder vor Laien tun.“ Dass er es mit dieser Vielfalt zu tun hat und dass er als Didaktiker zugleich in Kontakt mit so vielen anderen Wissenschaftsdisziplinen steht – von den Nachbar-Fachdidaktiken Physik, Biologie und Geowissenschaften über Pädagogische Psychologie und Bildungswissenschaften bis hin zu fast jeder anderen Fachdisziplin – fasziniert ihn und sorgt dafür, dass er seine Studienentscheidung aus dem Sommersemester 1996 noch heute als glücklichen Zufall betrachtet.

Stefanie Hense

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