Goethe, Deine Forscher: Verena Kuni, Kunstwissenschaftlerin

Stillstand ist nichts für sie. „Forschung befindet sich immer im Prozess, sie ist nichts Statisches“, sagt die Kunst-, Medien- und Kulturwissenschaftlerin Verena Kuni, die als Professorin am Institut für Kunstpädagogik den Schwerpunkt „Visuelle Kultur“ vertritt, also die Kultur, die durch Bilder und Medien vermittelt wird. „Mein Fach vereint Ansätze aus Kunsttheorie und Kunstgeschichte, aus Medien-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften“, hebt Kuni hervor; „aus dem Zusammenwirken dieser Disziplinen entsteht eine beträchtliche Dynamik.“

Von Beginn an feststehende Ziele ihrer Forschung will sie deshalb nicht formulieren: „Ich gehe den vielen kleinen und einigen großen Fragen nach, die sich mir auf ein Vorhaben hin stellen“, erläutert Kuni. Aus der intensiven Beschäftigung mit dem Komplex „Werkzeuge und das, was man mit ihnen (selbst) machen kann“ erhielt sie zum Beispiel den Impuls, sich in einem weiteren Forschungsprojekt mit Formaten der Wissens- und Technikvermittlung zu befassen.

In ihrer Lehre geht es längst nicht nur um den Beitrag, den die breitere Perspektive der Visuellen Kultur für eine zeitgemäße Lehre im Fach Kunst leisten kann. „Natürlich werden bei uns Kunstlehrer und -lehrerinnen ausgebildet, und zwar für sämtliche Schultypen: von der Grundschule bis zum Gymnasium“, sagt sie. Aber neben dem Studiengang „Kunst (Lehramt)“ bietet das Institut auch den Studiengang „Kunst – Medien – kulturelle Bildung“ (Bachelor Nebenfach, Master Hauptfach) an, der Studierende auf ein breiteres Tätigkeitsfeld in außerschulischen Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen vorbereitet. „Außerdem sind wir an den fächer- und fachbereichsübergreifenden Studiengängen Ästhetik und Curatorial Studies beteiligt“, zählt Kuni weiter auf. Für all diese Studiengänge sowie natürlich für ihre eigene Forschung sei es von elementarer Bedeutung, dass Theorie und Praxis nicht etwa isoliert nebeneinanderstünden, sondern Hand in Hand gingen, hebt sie hervor: „Das eine ohne das andere wäre doch nur das halbe Leben.“

Interesse an Informatik schon in der Jugend

Dieses nachdrückliche Credo und der transdisziplinäre Ansatz, den sie in Lehre und Forschung verfolgt, reflektieren Kunis eigenen Werdegang: „Neben den Kunst- und Kulturwissenschaften habe ich mich viel mit Naturwissenschaften beschäftigt“, berichtet sie und erinnert sich daran, wie sie sich als Jugendliche für Computer und Informatik interessierte – viele Jahre, bevor World Wide Web und Smartphone den Alltag der Menschen eroberten. Bis heute äußert sich diese Neigung in Kunis Forschungsfeldern: „Zwar habe ich für das Programmieren nur noch selten Zeit, aber in meinen Projekten spielt nicht nur die Beschäftigung mit digitaler Kultur eine Rolle, sondern auch die aktive, kritische Auseinandersetzung mit Hard- und Software. Besonders fasziniert mich zeitgenössische Kunst, die selbst experimentiert und forscht, vom „Hardware Hacking“ bis zum „Creative Coding“, also zum kreativen Programmieren. Und mich fesselt die Frage, was speziell Kunst und kreative Zugänge für unser Verständnis von beziehungsweise unseren Umgang mit Technologien leisten können.“

An visueller Kultur begeistert sie, dass diese „in einer von Bildmedien geprägten Gegenwart mit ihren Methoden vielfältige Ansätze und Werkzeuge bietet: für die Erschließung von nicht nur theoretischem, sondern auch praxistauglichem Wissen über unsere Welt“ – sie selbst hat sich ein ganzes Universum des Weltwissens erschlossen: Das ist im Gespräch mit Kuni zu spüren, wenn sie mit der gleichen Selbstverständlichkeit von Häkelmodellen für geometrische Mannigfaltigkeiten und von Buckminster-Fuller spricht wie über die Hintergründe des Tulpenfiebers in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts – damit befasst sich heute eine an Genetik und KI-Programmen interessierte zeitgenössische Kunst. Das kann aber genauso wahrnehmen, wer die Liste ihrer eigenen Projekte betrachtet, die sie – vielfach schon jahrelang – vorantreibt: zusammen mit Studierenden, in verschiedenen Lehr-Lern-Formaten, in zahlreichen lokalen, regionalen und internationalen Kooperationen.

Do-it-yourself und »KRISENSTAB«

Reichhaltig ist dabei insbesondere das Themenspektrum, das Kuni mit ihren fortlaufenden Projekten abdeckt: Unter dem Titel „Do-It-Yourself Kulturen“ beschäftigt sie sich beispielsweise mit Theorien und Praktiken des Selbermachens in Geschichte und Gegenwart – in Alltagskultur, Medien und Kunst; in der interdisziplinären Projektreihe „Biotop Stadt“ nimmt sie immer wieder ausgewählte Klein- und Kleinstbiotope unter die Lupe, so etwa Innenhöfe, Vorgärten, Bauflächen, Brachen und Renaturierungsgebiete. Im Rahmen des Lehr-Forschungs-Labors „Future Ecologies“ stellt Kuni die Frage, welchen Beitrag Kunst und Gestaltung leisten können, um die Folgen von Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung zu bewältigen. Das Lehr-Forschungsprojekt „KRISENSTAB“ sollte ursprünglich für das Kooperationsprojekt „Making Crises Visible“ des Leibniz-Forschungsverbundes „Krisen einer globalisierten Welt“ künstlerische Vermittlungsformate entwickeln; nachdem das Ausstellungsprojekt durch die COVID-19-Pandemie ausgebremst wurde, wandte sich der „KRISENSTAB“ der aktuellen Lage zu – dementsprechend ist er weiter aktiv. Und in dem Projektseminar „Gehen und Sehen“ erkundet Kuni die visuelle Kultur des urbanen Raumes: Auf Stadtspaziergängen mit Studierenden geht sie der Frage nach, wie gesellschaftliche und ökonomische Prozesse das Stadtbild und den Lebensraum Stadt verändern. Stillstand ist nämlich nichts für Verena Kuni.

Stefanie Hense

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 5/2021 (PDF) des UniReport erschienen.

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