Der emeritierte Sportwissenschaftler Prof. Dietmar Schmidtbleicher über Jürgen Klopp, der Anfang der 1990er Jahre Sportwissenschaften an der Goethe-Universität studierte. Mit dem FC Liverpool hat Klopp 2019 die Champions League gewonnen.
UniReport: Herr Professor Schmidtbleicher, können Sie sich gut an Jürgen Klopp erinnern?
Prof. Dietmar Schmidtbleicher: Ja, Klopp war damals bei uns im Studiengang Diplomsportwissenschaften eingeschrieben. Dabei handelt es sich um einen vollakademischen Studiengang. Klopp war zugleich Spieler beim FSV Mainz und versah Aufgaben eines Spielertrainers. Weil er damit im Unterschied zu vielen seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen neben dem Studium bereits einen richtigen Job hatte, hatte er recht klare Vorstellungen davon, was er später mal machen möchte, nämlich im Fußball bleiben.
Welche Fragen haben ihn im Studium interessiert?
Der trainingswissenschaftliche Bereich, was meine Fachrichtung ist, war für ihn aus Sicht eines Fußballers, der auch Traineraufgaben übernimmt, sehr interessant: Wie funktioniert Bewegung, wie kann man Bewegungsabläufe verändern und optimieren? Die praktische Ausbildung im Studium wird von akademischen Räten geleitet. Klopp profitierte davon, dass einer seiner Lehrer und Mitarbeiter in meinem Team Dr. Ulrich Frick war, der in Hessen für die Fußballtrainerausbildung zuständig ist. Klopp hat auch in unserer Arbeitsgruppe mitgearbeitet und war auch an einer Publikation zum Thema Kreuzbandriss und Reha beteiligt. Diese Verletzung kommt bei Fußballspielern sehr häufig vor. Klopp hat mich immer viel gefragt: Wie muss ich die Spieler im Kraft- und Ausdauerbereich trainieren? Wie kann ich diejenigen trainieren, die Koordinationsprobleme haben? Ich kannte ihn als einen sehr engagierten Studenten, aber er war natürlich immer sehr auf den Fußball fokussiert.
Womit hat sich Klopp in seiner Diplomarbeit beschäftigt?
Er wählte als Thema seiner Diplomarbeit, die er bei meinem Kollegen Prof. Klaus Bös schrieb, das Thema Walking. Die mündliche Prüfung hat er bei mir und einer Kollegin abgelegt. Bei der Prüfung, erinnere ich mich, habe ich ihm eine sehr schwierige Frage gestellt. Als Pragmatiker hat er geantwortet: Fragen Sie mich doch lieber etwas, das ich weiß. Das ist ganz typisch für ihn. Er wusste immer genau, was er will. Ich würde ihn insgesamt als sehr erfolgsorientiert bezeichnen. Klopp ist ein exzellenter Trainer, der weiß, wie man Leute motiviert.
War er als Spieler der 2. Bundesliga ein »Promi« des Studienganges?
Nein, das kann man eigentlich nicht sagen. Unter den Studierenden der Sportwissenschaft finden Sie recht häufig Leute aus dem Spitzensport, das ist nichts Besonderes. Und auch ein Spitzenathlet muss sich im Rahmen seines Studiums bisweilen ganz praktisch mit Disziplinen beschäftigen, in der er oder sie nicht „spitze“ ist. Ein Hammerwerfer mit einem Gewicht von 140 Kilo wird am Reck seine Probleme haben. Und ein großgewachsener Fußballer wie Klopp beim Turnen.
Verfolgen Sie seine Karriere?
Ja, eigentlich immer, er hat ja einen erstaunlichen Weg als Spieler und vor allem als Trainer vorgelegt. Auch als Ansprechpartner aus der Praxis war Klopp nach seinem Studium für unsere Forschungsprojekte wichtig. Wir haben uns immer bemüht, mit unseren Forschungsthemen auch eine gewisse Praxisrelevanz zu haben. Weil die Forschungsmittel knapp waren, haben wir für verschiedene Auftraggeber gearbeitet, darunter auch Spitzensportverbände wie der DFB. Wir haben dann beispielsweise untersucht, wie viel Krafttraining ein Nachwuchssportler braucht, welche biomechanischen Probleme auftreten können. Dafür benötigten wir in der Praxis Gesprächspartner in den Vereinen. Somit haben wir vor allem Leute wie Klopp kontaktiert, die bei uns studiert oder promoviert haben. Einen unserer Doktoranden, Dr. Andreas Schlumberger, hat Klopp damals als Fitnesstrainer nach Dortmund geholt.
Die Fragen stellte Dirk Frank
Prof. Dietmar Schmidtbleicher kam 1987 an die Goethe-Universität. Bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2016 hatte er den Lehrstuhl für Trainings- und Bewegungswissenschaften inne. Seine Nachfolgerin auf dem Lehrstuhl ist Prof. Karin Zentgraf.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.20 des UniReport erschienen.