Fettzellen liefern nicht nur Körperwärme und Energie, sondern können auch krank machen. Der Nachwuchspreisträger erforscht, wie verschiedene Fettzell-Typen entstehen, wie sie wirken und wie sich diese Wirkung in Richtung einer besseren Gesundheit steuern lässt – vor allem im Alter.
Professor Dr. Tim J. Schulz vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam-Rehbrücke erhielt gestern den mit 60.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2018 in der Frankfurter Paulskirche. Der Biochemiker wird für seine medizinisch und ernährungsphysiologisch relevante Grundlagenforschung zur Entstehung und Wirkung von weißem und braunem Fett ausgezeichnet. Schulz hat gezeigt, wie Stammzellen weißes und braunes Fett hervorbringen, unter welchen Bedingungen sie dies tun und wie weißes Fett der Knochengesundheit im Alter schadet. Schulz hat zudem ermittelt, dass eine bei der Behandlung von Diabetes oft genutzte Wirkstoffklasse die schädliche Wirkung des weißen Fetts im Knochen reduziert. Damit verbessern diese Medikamente möglicherweise die Knochengesundheit im Alter. „Die Arbeiten von Tim J. Schulz greifen mit dem Thema Übergewicht ein hoch relevantes Forschungsgebiet auf“, schreibt der Stiftungsrat in seiner Begründung. „Schulz betrachtet dabei nicht nur die schädlichen Wirkungen des weißen Fetts, sondern prüft auch, ob man Übergewicht und die dadurch begünstigten Erkrankungen durch die gezielte Erzeugung von mehr braunem Fett verhindern kann und welche Rolle die Ernährung dabei spielt“. Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Vorsitzender des Stiftungsrats überreicht.
Fett ist nicht gleich Fett. Das gilt auch für die Polster des Körpers. Braunes Fett erzeugt Wärme und schützt vor Auskühlung. Weißes Fett speichert die ungenutzte Energie aus der Nahrung und wird bei kalorienreicher Ernährung kaum angetastet. Ein Zuviel an weißem Fett belastet den Körper in der Regel mehr als es ihm dient. Im Alter wird zudem auch mehr weißes Fett in den Organen und Knochen abgelagert, nicht nur im Unterhautgewebe. Diese Verfettung trägt vermutlich erheblich zur Entstehung vieler im Alter gehäuft auftretender Erkrankungen wie Diabetes, Fettleber oder schlechter Knochenheilung bei.
Wie alle Zellen des Körpers gehen auch braune und weiße Fettzellen aus Stammzellen hervor. Braunes Fett entsteht allerdings nur aus einigen wenigen, eigens dafür vorgesehenen braunen Fett-Stammzellen. Früher dachte man, dass nur Neugeborene diese kostbare Ressource besitzen. Das ist aber nicht der Fall. Erwachsene haben vor allem am Oberkörper braunes Fett, und zwar entlang der Schulterblätter, in den tiefen Halsregionen, an den großen Blutgefäßen und entlang der Wirbelsäule. Schulz hat die Entstehung von braunen Fettzellen aus Stammzellen untersucht und gezeigt, dass man die Synthese über einen speziellen Botenstoff steuern kann. Dies passt zu dem bekannten Konzept, Übergewicht durch mehr braunes Fett bekämpfen zu wollen. Statt die unnötigen Kalorien in den weißen Fettdepots zu lagern, würden sie in den braunen Fettdepots in Wärme umgewandelt werden. Braunes Fett wäre dann ein Schlankmacher. Schulz konnte auch zeigen, dass die braunen Fett-Stammzellen altern und dabei ihre Fähigkeit verlieren, mehr braunes Fett zu bilden. Er hat relevante Aspekte und Zielmoleküle dieses Alterungsprozesses identifiziert und hofft, dass einige davon therapeutisch nutzbar sind.
Weitreichend sind auch seine Ergebnisse zur Rolle von weißem Fett im Knochen. Schulz hat nachgewiesen, dass die Stammzellen des Knochens mit fortschreitendem Alter und bei fettreicher Kost kein Knochengewebe mehr hervorbringen, sondern weißes Fett. Dieses Fett schadet den Knochen nicht nur durch seine Präsenz, sondern auch durch die Bildung eines hormonabbauenden Enzyms, das es den Stammzellen noch schwerer macht, Knochengewebe zu produzieren. Dies und der Umstand, dass weißes Fett auch den blutbildenden Stammzellen des Knochenmarks schadet, könnte der Grund für die schlechte Knochenheilung im Alter sein. Schulz konnte zudem zeigen, dass eine bei der Diabetes-Therapie weit verbreitete Wirkstoffklasse das Enzym hemmt, das von dem weißen Fett in den Knochen gebildet wird. Bei dieser Wirkstoffklasse handelt es sich um die sogenannten Gliptine. Ob Sie neben ihrer Wirkung beim Diabetes auch die Knochengesundheit im Alter verbessern können, muss allerdings erst noch in klinischen Studien gezeigt werden. Schulz beschäftigt sich derzeit auch damit, wie die Zusammensetzung der Nahrung die Stammzellen des Knochens beeinflusst und ob gewisse Ernährungsformen über die Stammzellen auch die Knochenheilung voranbringen können.
Kurzbiographie Professor Dr. Tim Julius Schulz // Tim J. Schulz (39) wurde 1979 in Northeim geboren und studierte Biochemie an der Universität Potsdam. 2007 promovierte er bei Professor Michael Ristow an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Für seine Dissertation erhielt er den Promotionspreis der Biologisch-Pharmazeutischen Fakultät. Nach seiner Promotion verbrachte Schulz fünf Jahre am Joslin Diabetes Center in Boston, das zur Harvard Medical School gehört. Dort arbeitete er mit Frau Professor Yu-Hua Tseng vom Department of Integrative Physiology and Metabolism zusammen. Von 2012 bis 2016 leitete Schulz die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Emmy Noether-Nachwuchsgruppe “Fettzell-Entwicklung” am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Seit 2016 ist Schulz Leiter der Abteilung “Fettzell-Entwicklung und Ernährung” am DIfE, einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Gleichzeitig wurde Schulz auch zum W2-Professor an der Universität Potsdam berufen. 2013 wurde ihm ein Starting Grant des European Research Council (ERC) in Höhe von 1.5 Millionen Euro zugesprochen.
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf dem von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebiet besondere Verdienste erworben haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952 verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden folgender Unternehmen, Stiftungen und Einrichtungen: Christa Verhein Stiftung, Else Kröner-Fresenius-Stiftung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, C.H. Boehringer Sohn AG & Co. KG, Biotest AG, Hans und Wolfgang Schleussner-Stiftung, Fresenius SE & Co. KGaA, F. Hoffmann-LaRoche Ltd., Grünenthal Group, Janssen-Cilag GmbH, Merck Financial Services GmbH, Bayer AG, Holtzbrinck Publishing Group, Abbie Deutschland GmbH & Co. KG, Goethe Universität und die Rittershaus Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbH. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt. Eine Liste der Stiftungsratsmitglieder ist auf der Internetseite der Paul Ehrlich-Stiftung hinterlegt.
Die Paul Ehrlich-Stiftung
Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist Professor Dr. Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, Vorsitzender des Kuratoriums ist Professor Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Die Präsidentin der Goethe-Universität ist in dieser Funktion zugleich Mitglied des Kuratoriums.