Für Ayten Agdas ist Wahlkampf kein Ausnahmezustand: Sie leitet das Wahlamt der Goethe-Universität, und irgendeine Wahl steht immer an. Da ist Sorgfalt gefragt – sonst kann eine Wahl leicht angefochten werden.
Ayten Agdas sortiert sorgfältig die Wahlzettel vor sich auf dem Tisch und lacht. Dass sich viele ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht ansatzweise vorstellen können, was sie tagtäglich zu bewältigen hat, trägt die Leiterin des Wahlamts im Justitiariat der Goethe Universität mit Gelassenheit. Irgendeine Wahl steht immer an – seien es die Großen oder Kleinen Gremienwahlen, die Wahlen zum Personalrat, die der Jugend und Auszubildendenvertretung, der Vertretung der Schwerbehinderten oder die DFG-Fachkollegienwahl.
Selbst bei außeruniversitären Wahlen, sei es für Bund- oder Landtag, die Kommunen oder Europa, ist das Wahlamt gefragt: Dann geht es darum, aus den Reihen der Beschäftigten der Goethe-Universität Wahlhelfer für die Stadt Frankfurt zu rekrutieren. »Meine Arbeitsabläufe sind das ganze Jahr über wochengenau durchgetaktet«, sagt Ayten Agdas. Sie hat ihren Kalender immer gut im Blick, denn die Wahlverfahren an einer Universität sind komplex:
Jede einzelne Wahl hat ihr eigenes Regelwerk und muss nach ihrer jeweiligen Wahlordnung termingerecht geprüft, geplant und durchgeführt werden. »Dabei muss ich die Rechtsgrundlagen sowie alle Termine und Fristen akribisch einhalten«, erklärt Agdas. »Sonst laufe ich Gefahr, dass die Wahl wegen eines Rechtsverstoßes oder Formfehlers angefochten wird und wiederholt werden muss. Und das würde gravierende Folgen haben und meinen ganzen Jahresplan hinsichtlich der Einhaltung der jeweiligen Wahlzyklen durcheinander bringen.«
Größenverhältnisse wie in einer Kleinstadt
Ayten Agdas hat an der Goethe Universität Jura studiert und nach einigen Jahren in der freien Wirtschaft im Juni 2012 die Stelle als Wahlamtsleiterin der Universität angetreten. Auch nach fünf Jahren ist sie immer noch begeistert von der Vielfalt, die ihre Tätigkeit mit sich bringt. Sie korrespondiert mit Professoren, Studierenden und Mitarbeitern aus allen Bereichen der Universität, berät und plant die Durchführung der Wahlen, schafft alle organisatorischen und administrativen Voraussetzungen zur Sicherstellung der geordneten Abläufe und überwacht die Rechtmäßigkeit der unterschiedlichen Wahlprozesse.
Bei der Großen Gremienwahl (Wahl aller Statusgruppen zum Senat und zu den Fachbereichsräten sowie für Studierende zusätzlich für das Studierendenparlament, die Fachschafträte und den Rat des L-Netzes (Lehramt)) im letzten Semester gaben 53.338 Universitätsmitglieder ihre Stimme ab – das sind Größenverhältnisse wie in einer Kleinstadt, die Ayten Agdas nur mit Hilfe eines kleinen Teams stemmt.
Ein Kraftakt, der mehrere Monate in Anspruch nimmt. »Meine persönliche Herausforderung ist, die Komplexität dieser Abläufe ordnungsgemäß und möglichst fehlerfrei zu bewältigen und für einen rechtsicheren sowie erfolgreichen Wahlablauf zu sorgen«, sagt sie. Keine leichte Aufgabe, denn die Prozesse erstrecken sich über Monate. Die Planung wie etwa der Großen Gremienwahl, die alle zwei Jahre im Wintersemester durchgeführt wird, beginnt bereits im Juni.
»Wegen der besonderen Organisationsstruktur der Hochschulen sind insbesondere die Gremienwahlen an der Goethe-Universität rechtlich, organisatorisch, administrativ und technisch sehr komplex und dementsprechend der Vorbereitungs-, Prüf-und Arbeitsaufwand besonders hoch.« Zu den zu berücksichtigenden Fachbereichen kommen Einrichtungen außerhalb der Fachbereiche sowie die Zentralverwaltung hinzu, außerdem muss differenziert werden nach vier Wählergruppen (Statusgruppen) und vier unterschiedlichen Gremien.
Das Ergebnis ist eine Vielzahl von Variationen der Wählerverzeichnisse und der Wahlunterlagen. Bei jedem Wahlgang müssen diese, wie bei allen anderen Wahlen auch, auf Gesetzeskonformität und gegebenenfalls auf juristische Änderungen geprüft und dementsprechend aktualisiert werden. Für die Vorbereitung der Wählerverzeichnisse besorgt sich Ayten Agdas in den für die Wahl zuständigen datenliefernden Abteilungen die Personal-und Studierendendaten; sie prüft, wer tatsächlich Mitglied der Universität und damit wahlberechtig ist und erstellt daraufhin die Wählerverzeichnisse – insgesamt sind es 68 verschiedene Varianten!
Ein immenser Aufwand
Anschließend werden für jeden Fachbereich sowie für alle Einrichtungen außerhalb der Fachbereiche inklusive der Zentralverwaltung und darin für jede Statusgruppe gesondert die Briefwahlunterlagen erstellt und versendet. Bei einer Großen Gremienwahl, bei der alle Statusgruppen ihre Vertreter wählen, ist dies eine Aufgabe, die Wochen bis Monate dauert. Schließlich gibt es für alle Wahlunterlagen detaillierte Vorgaben und Prozessbeschreibungen, die akribisch eingehalten werden müssen.
Unter anderem gilt es zu prüfen, ob es sich um Persönlichkeitsoder Verhältniswahlen handelt, ob dementsprechend eine oder mehrere Listen eingereicht werden und wie viele Stimmen die Wahlberechtigten in dem betreffenden Wahlgang haben können. Ein immenser Aufwand, denn die Unterlagen müssen absolut fehlerfrei sein, wenn sie gültig sein sollen.
»Allein für die Senatswahl gab es 67 Stimmzettelvarianten und genau so viele Kombinationen für die Wahlen zu den Fachbereichsräten sowie 151 verschiedene Varianten der Wahlumschläge «, erklärt die Wahlamts-Leiterin. Zu berücksichtigen waren hierfür 90 abgegebene und vom Zentralen Wahlvorstand zugelassene Wahlvorschläge mit insgesamt 742 Bewerbern. Hinzu kamen noch 31 Varianten von Stimmzettelvorlagen (1.443 Kandidaten) für die studentischen Gremien, die vom Studentischen Wahlausschuss erstellt, jedoch vor dem Druckauftrag im Wahlamt einer finalen Prüfung unterzogen wurden.
Insbesondere bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung der Urnenwahlen arbeitet Ayten Agdas eng mit den Fachbereichen zusammen: »Besonders wenn es an die Urnenwahl geht, helfen die Kolleginnen und Kollegen in den Dekanaten tatkräftig mit und organisieren die Besetzung der Wahllokale mit Mitgliedern der Fachbereichswahlvorstände. « Bei Gremienwahlen werden auf den unterschiedlichen Campi von Niederrad über Riedberg bis zum Sportcampus Ginnheim eigene Wahllokale eingerichtet.
Nach Wahlschluss werden die Urnen zur Auszählung zu Ayten Agdas ins Wahlamt auf dem Campus Westend gebracht. Ein Team aus freiwilligen Wahlhelfern und die Mitglieder des Zentralen Wahlvorstandes helfen am Folgetag bei der Auszählung, sodass in derselben Nacht noch die Ergebnisse vorliegen und der Öffentlichkeit kommuniziert werden können.
Viele nehmen ihr Wahlrecht nicht wahr
Der Ablauf von Planung bis Nachsorge einer solchen Wahl kostet Ayten Agdas fünf bis sieben Monate. Die Wahlbeteiligung an der großen Gremienwahl im letzten Semester lag insgesamt bei 13,75 Prozent. »Bei diesem unglaublichen Aufwand würde ich mir wünschen, dass mehr Wahlberechtigte ihre demokratischen Wahlrechte in Anspruch nehmen und sich aktiv an den vielfältigen Mitwirkungs-und Gestaltungsmöglichkeiten der Universität beteiligen«, sagt sie.
Unter den Mitarbeitern schlägt ihr oft ein Gefühl von Resignation entgegen, und immer wieder hört sie das Argument, man könne ja ohnehin nichts ausrichten. Bei den Studierenden, findet sie, herrsche oft Desinteresse an den internen Abläufen der Universität. »Viele wissen nicht genau, wofür die einzelnen Hochschulgruppen auf den Listen stehen und welche Aufgaben der Senat und das Studierendenparlament haben«, sagt sie.
»Das ist sehr schade, denn wir geben uns sehr viel Mühe, diese Möglichkeit auf Mitbestimmung zu bewerben und so bequem wie möglich zu gestalten. Die Briefwahlunterlagen werden zum Beispiel unaufgefordert an die Privatadressen der Studierenden und an die Dienstadressen der Beschäftigten versandt. An vielen anderen Universitäten muss die Briefwahl erst beantragt werden.« Die Wahlverdrossenheit mindert ihre Motivation aber nicht.
Im Gegenteil. »Ich habe viel Freude an der besonderen Vielfalt der Universität und finde es sehr spannend, den Prozess der Wahlen mitgestalten und verbessern zu können«, sagt sie. Im letzten Jahr wurde ein Online-Wählerverzeichnis eingeführt, das die Abläufe bei Vorbereitung und Durchführung der Urnenwahlen erheblich vereinfachen sollte. Nach positivem Testlauf wurde das Online-Wählerverzeichnis Anfang des Jahres erstmalig bei den mehrtägigen Urnenwahlen erfolgreich eingesetzt.
Damit konnten alle Wahlberechtigten unabhängig ihrer Standortzugehörigkeit in allen ausgewiesenen Wahllokalen einmalig ihre Stimmen abgeben. Die nächsten großen Projekte sind die Einführung einer neuen Wahldatenbank und Onlinewahlen, für die Ayten Agdas ein zusätzlicher Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden soll.
[Autorin: Melanie Gärtner]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.17 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.