Seit vier Jahren sind ihre Kolumnen auf der Homepage des Laborjournals zu lesen: Maike Ruprecht, Technische Assistentin am Fachbereich Biowissenschaften, hat einen Blick für die Feinheiten und Skurrilitäten des Arbeitsalltags.
Aufmerksam beobachten, genau hinschauen – das ist in ihrem Job wichtig. Als Technische Assistentin (TA) unterstützt Maike Ruprecht das Forschungsteam von Prof. Enrico Schleiff am Institut für Molekulare Biowissenschaften. Dabei entdeckt sie immer wieder Geschichten zwischen Chloroplastenmixer und Mensatablett. Ihre Beobachtungen verwandelt sie mit spitzer Feder und viel Humor in Geschichten. Dabei kam sie zu ihrer Tätigkeit als Kolumnenschreiberin eigentlich durch einen Zufall.
Ein VHS-Kurs mit Folgen
„Jedes Jahr treffe ich mich mit drei Freundinnen aus meiner alten Berufsschulklasse und wir tauschen ‚Lagerfeuergeschichten‘ aus“, erzählt Maike Ruprecht, die ihre TA-Ausbildung am Berliner Lette-Verein gemacht hatte. „An einem Abend kam die Idee auf, einige der Anekdoten auch mal aufzuschreiben.“ Schnell stand fest, wer diese Aufgabe übernehmen sollte: Schließlich hatte Maike Ruprecht gerade einen Volkhochschulkurs für kreatives Schreiben besucht. Sie machte sich direkt ans Werk. Thema ihres ersten Textes: eine Lieferfahrt mit Hindernissen. Ein LKW sollte Trockenerbsen für das Institut anliefern, der Fahrer fand sich aber auf dem weitläufigen Campus nicht zurecht. „Weil der Fahrer kein Deutsch sprach, führte das dazu, dass ich immer den Spediteur anrief, der wiederum den Fahrer, und der Spediteur dann wieder mich. Das ging mehrfach hin und her. Am Ende stellte sich heraus, dass der Fahrer zwei Stunden genau vor dem Gewächshaus geparkt hatte, in das die Erbsen geliefert werden sollten“, erinnert sich Ruprecht schmunzelnd. Die Geschichte gefiel ihren Freundinnen so gut, dass sich Maike Ruprecht beim Laborjournal, einer Fachzeitschrift für Medizin- und Biowissenschaften, meldete und den Text dort anbot. Der Chefredakteur war angetan; fragte direkt, wie oft sie liefern könne. Die machte sich Gedanken, was ihr noch so einfiel – und bestückt seitdem alle sechs Wochen das Editorial auf der Laborjournal-Homepage.
Ein eingespieltes Team
An der Goethe-Universität ist Maike Ruprecht seit 2007, für ihren Chef arbeitet sie aber schon viel länger: Schon in München war sie Teil des Teams Schleiff, als dieser noch Postdoc war. Als der Biowissenschaftler den Ruf nach Frankfurt annahm, wechselten einige seiner Mitarbeiter gleich mit. „Wir waren fünf oder sechs Leute, vor allem Doktoranden“, berichtet Ruprecht. „Herr Schleiff hat uns zwei Umzugswagen spendiert. Wir sind dann von Wohnung zu Wohnung gefahren, haben alles in München ein- und in Frankfurt wieder ausgeladen, und waren so alle zusammen wieder am Start.“ Orientierungsunterstützung bekam Ruprecht von ihrer TA-Kollegin Daniela Bublak. „Das war sehr hilfreich am Anfang. Sie hat mir all das gezeigt, was ich jetzt selbst auch weitergebe.“ Ganz pragmatisch unterstützen sich die TAs am Campus Riedberg auch sonst: Einmal im Monat kommen sie für eine halbe Stunde zusammen, um sich über aktuelle Fragestellungen und Probleme auszutauschen.
Aufgabe der Technischen Assistentinnen und Assistenten (in diesem Berufsfeld dominieren die Frauen) ist es, die Professorinnen und Professoren zu unterstützen, indem sie für diese zum Beispiel Experimente durchführen und organisatorische Aufgaben übernehmen. Maike Ruprecht weiß zu schätzen, dass sie einen Chef hat, der ihr Gestaltungsfreiräume lässt: „Ich habe auch eigene Projekte. Eines davon ergab sogar ein eigenes Erst-Autor-Paper“, freut sich die gebürtige Berlinerin.
Eine Erbse im Mixer macht noch keinen Smoothie
Wie ein typisches Experiment am Institut aussieht? Häufig kommen die oben schon erwähnten Erbsen ins Spiel. „Die Anzucht übernehmen dankenswerterweise die Gärtner“, sagt Ruprecht. Nach acht Tagen im Gewächshaus werden die Blättchen abgetrennt und im Mixer püriert. „Das sieht dann aus wie Rahmspinat.“ Anschließend werden daraus die intakten Chloroplasten isoliert und bekommen ein radioaktiv markiertes Protein ‚untergeschoben‘, das für die Forschung interessant ist. So kann untersucht werden, ob, wie und wo die Chloroplasten das Protein einbauen.
In den vielen kleinen Begebenheiten findet Maike Ruprecht Stoff für ihre Kolumne: Aus der rätselhaften Anzeige eines batteriewechselbedürftigen Laborweckers machte sie genauso eine Geschichte wie aus den beiden auf der Feuertreppe brütenden Ringeltauben.
Im Herbst fährt der Arbeitskreis immer auf „Klassenfahrt“, zum so genannten Summer Retreat. In dieser kollegialen Runde hat Ruprecht auch schon kleine Vorablesungen mit neuen Texten gemacht, „da merke ich dann schnell, ob die Texte was taugen“. Seit Februar trainiert sie das Geschichtenerzählen wieder bei einem Kreativschreibkurs – die Leser des Laborjournals wird es freuen.
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Maike Ruprecht: „Lonesome Pipetter“
(veröffentlicht im September 2015 auf laborjournal.de)
Neulich kam ich am Platz eines unserer dienstälteren Doktoranden vorbei und musste einfach stehen bleiben und staunen. Er pipettierte eine PCR-Reaktion zusammen. An sich keine große Sache, das tun viele, allerdings präsentierte sich meinen Augen hier eine wahrhaft außergewöhnliche Entsorgungstechnik der benutzten Spitzen. Anstatt wie üblich den Arm auszustrecken, und unmittelbar über dem Abfallbehälter den Abwurf zu betätigen, tat er das einen knappen Meter davon entfernt. Er hob lediglich den Unterarm um 90 Grad, ließ die Pipette nach vorne klappen, gleichsam den Giftzähnen einer zum tödlichen Stoß ansetzenden Schlange, und feuerte die Spitze ab. Mit ebenso schlangenhafter Präzision, dass, jedenfalls solange ich daneben stand, keine Spitze ihr Ziel verfehlte.
Er hatte die Armbewegung zum Müll kurzerhand weg rationalisiert. Auf diese Weise sparte er Zeit und Muskelkraft. Das zweite investierte er wiederum in den Andruck der nächsten Spitze, was die enorme Abwurfreichweite erklärte. Und ich dachte schon, er hätte den Abwurf getunt. Ein vollendet optimierter Abwurfvorgang sozusagen.
Seine Bewegungen ließen mich unwillkürlich an Wildwestfilme denken, in denen sich die Kontrahenten regungslos Auge in Auge gegenüberstehen, bis sie plötzlich mit einem Ruck den Colt aus dem Holster ziehen und abdrücken. In unserem Fall handelte es sich bei der Waffe um eine Research 10, bestückt mit farbloser Munition Kaliber 20µl. Die Durchschlagskraft der in den Müll fliegenden Spitzen hätte jeden Gegner niedergestreckt.
Möglich, dass ich im Interesse der Pipette hätte erzieherisch eingreifen müssen, dergleichen kam mir aber erst später in den Sinn. Vorher hatte ich an anderes zu denken. Zuerst betrachtete ich meinen Kollegen genauer, entdeckte aber keine der üblichen Cowboy-Utensilien wie Lasso, Stetson oder Sporen. Auch ein Pferd war nicht zu sehen. Das hatte er sicher vor der Mensa angebunden. Einen Saloon haben wir auf dem Campus nicht. Dann dachte ich an meinen Anorganiklehrer, der Pipetten als Waffe im täglichen Arbeitskampf zu bezeichnen pflegte. Welch anschauliche Darstellung dieses Satzes wurde mir hier geboten.
Laden und feuern. Laden und feuern. Fehlte nur, dass der Doktorand zwischendurch gelassen lächelnd die Pipette um den Finger wirbeln lässt. Vielleicht ist er am Tag seiner Disputation bekannt als der Doktorand, der schneller abwirft als sein Schatten und am Abend einsam in den Sonnenuntergang pipettiert? In diesem Sinne … Howdy!
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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 1.2017 der Mitarbeiterzeitung GoetheSpektrum erschienen.